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Mobiler Lieferdienst der Stadtbibliothek "Heinrich Heine" hat nur eine Nutzerin Wenn der Roman frei Haus geliefert wird

Von Christina Stapel 15.10.2013, 01:13

Immer montags wartet Ingeborg Hinz gespannt darauf, dass es bei ihr an der Haustür klingelt. Denn zum Wochenanfang bringt ihr Maria Schillack neue Bücher aus der Bibliothek und tauscht sie gegen die ein, die Hinz fertiggelesen hat. Die 86-Jährige ist bislang die Einzige, die den mobilen Lieferservice der Stadtbibliothek Halberstadt nutzt.

Halberstadt l Zeit für ein Buch habe sie sich schon immer genommen, sagt Ingeborg Hinz und schaut auf den Stapel an Büchern der vor ihr auf dem Tisch liegt. "Darum habe ich mich riesig gefreut, als ich in der Zeitung gelesen habe, dass die Stadtbibliothek einen Lieferservice anbietet", erinnert sie sich. Denn im vergangenen Herbst war die Rentnerin, die auf einen Rollator angewiesen ist, "nicht gut zu Fuß unterwegs".

Aufs Lesen wollte Hinz dennoch nicht verzichten. "Ich lese immer morgens und abends im Bett, sonst könnte ich gar nicht einschlafen", erklärt sie. Ihre Freude am Lesen hat die Rentnerin an ihren Sohn und ihre Tochter weitergegeben. "Bei uns gab es kein Weihnachten und keinen Geburtstag, an dem nicht ein Buch als Geschenk auf dem Tisch lag."

Für Menschen wie Ingeborg Hinz hat Maria Schillack im vergangenen Jahr den Lieferservice ins Leben gerufen. Im Fernsehen hatte die 67-Jährige eine Reportage über eine Frau gesehen, die einen solchen Service in Chemnitz anbietet. "Ich dachte mir, wenn es Menschen gibt, die gern lesen aber nicht so mobil sind, sollte ihre Freude nicht daran scheitern", begründet Schillack. Mit dem Fahrrad sei die Halberstädterin sowieso unterwegs, "da macht es mir nichts aus, eine Kurve mehr zu fahren."

Dass sich auf das kostenlose Angebot nur eine Person gemeldet hat, verwunderte sie am Anfang: "Viele haben es damit erklärt, dass sie noch so viele ungelesene Bücher zu Hause haben." Auch für Ingeborg Hinz ist es eine Überraschung, dass sie die einzige ist, die den Service nutzt: "Ich bin verblüfft. Dabei funktioniert es ganz einfach." Erst überlege sie sich, welches Buch sie als nächstes lesen möchte. "Dann rufe ich in der Bibliothek an und die geben das an Frau Schillack weiter." Wenn sie mit einem Buch noch nicht fertig sei, könne sie es problemlos verlängern lassen. "Das geht mir heute auch so", sagt sie und blättert in dem knapp 600 Seiten dicken Roman "Aufbruch" von Ulla Hahn. Sie bestelle immer gleich drei Bücher, erklärt Hinz.

"Es kann ja auch sein, dass mich eins nicht interessiert oder ich mit einem anderen schneller fertig bin." Bei der Auswahl der Titel lässt sich Ingeborg Hinz auch von den Mitarbeitern der Stadtbibliothek beraten, gesteht sie. "Manches schnappt man bei Bekannten oder im Fernsehen auf. Wenn mir aber ein Buch gefällt, schaue ich auch hinten nach anderen Büchern, die dort vorgeschlagen werden." Welche Bücher die Bibliothek im Angebot hat, sei auch im Internet aufgelistet, erklärt Maria Schillack.

Angst, dass der Lieferservice wegen der geringen Nachfrage eingestellt wird, muss die Rentnerin nicht haben. "Ich werde den Lieferservice auch in Zukunft weiterführen. Aber nicht jeder, der ihn ausprobiert, muss das Angebot über lange Zeit nutzen. Man kann es auch für kurze Zeit ausprobieren, zum Beispiel, wenn man gerade nicht gut unterwegs ist, weil man sich ein Bein gebrochen hat."