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Rehkitzretter mit Drohne und Wärmebildkamera Wenn Rehkitzen der Mähtod droht

Weil Rehkitze sich in den ersten Lebenswochen bei Gefahr bewegungslos dicht an den Boden pressen, statt zu fliehen, sind sie der Gefahr durch eine Mähmaschine ausgesetzt. Laut Statistik fallen in jedem Jahr tausende Kitze den Mähmessern zum Opfer. Drohnen sollen helfen, die Tiere zu retten.

Von Ramona Adelsberger Aktualisiert: 02.06.2021, 05:57
Maximilian Kraft bringt das Rehkitz in Sicherheit, das per Drohne und Wärmebildkamera im Großen Bruch aufgespürt wurde. Für die Dauer der Mahd wird das Jungtier mit einem Korb abgedeckt.
Maximilian Kraft bringt das Rehkitz in Sicherheit, das per Drohne und Wärmebildkamera im Großen Bruch aufgespürt wurde. Für die Dauer der Mahd wird das Jungtier mit einem Korb abgedeckt. Foto: Ronald Mnich

Pabstorf/Schlanstedt - In jedem Jahr fallen gerade geborene Rehkitze, die sich in den Wiesen verstecken, den Mähmaschinen zum Opfer. Daher haben sich Naturschützer, Landwirte und Jäger zusammengetan, um die Flächen unmittelbar vor der Mahd abzusuchen und die Kitze in Sicherheit zu bringen. Am allerbesten geht das mit moderner Technik per Drohne und Wärmebildkamera.

Aber aller Anfang ist schwer und in diesem Fall auch etwas zäh. „Wir wären gern schon weiter“, erklärt Ronald Mnich aus Wackersleben, der die Rettung von Rehkitzen zu seiner Herzensangelegenheit gemacht hat.

Verein Wildtierrettung seit 2019 auch in Sachsen-Anhalt

„Bereits 2019 wurde der Verein Wildtierrettung in Sachsen-Anhalt gegründet, doch erst jetzt können wir loslegen.“ Denn das Land hat dem Verein erst kürzlich insgesamt fünf Drohnen bereitgestellt, mit denen nun die Wiesen vor der Grasmahd abgesucht werden sollen. Diese Aufgabe übernehmen Freiwillige.

Das Ziel des Vereins ist klar formuliert: So viele Rehkitze wie möglich, vor dem sicheren Tode zu retten. „Wenn die Grasmahd ansteht, werden wir unmittelbar vorher die Wiese mittels Drohne und Wärmebildkamera absuchen und Rehkitze, die aufgespürt werden, in Sicherheit bringen. Dann erst erhält der Landwirt grünes Licht und kann loslegen„, erklärt Mnich.

So weit die Theorie. In der Praxis allerdings erweisen sich diese fünf Drohnen für ganz Sachsen-Anhalt als viel zu wenig und erinnern an den berühmten Tropfen auf den heißen Stein. Zumal zu jeder Drohne fünf Akkus gehören, von denen jeder nur 20 Minuten arbeiten kann. Die Rehkitzretter haben also eine effektive Zeit von 100 Minuten, dann ist der „Saft alle.“ Daher hofft der Verein auf die Hilfe von Sympathisanten und Sponsoren. „Wer uns unterstützen möchte, kann das gern als Mitglied im Verein tun, aber auch Spenden werden dringend benötigt, um uns arbeitsfähiger zu machen.“

Wiesen im Großen Bruch werden systematisch abgesucht

Die Drohne, mit der das Team arbeitet ist für das Große Bruch vorgesehen, zunächst für den Bereich von Neuwegersleben bis Dedeleben mit etwa 500 Hektar Grünland und wird auf den Wiesen der Landwirte Bockhorst, Rautenschlein und Brunn eingesetzt. Denn die Landwirte müssen nicht nur ihr Einverständnis geben, dass ihr Grasland abgesucht wird, sie tragen auch die Kosten dieser aufwendigen Aktion.

Die Drohne der Rehkitzretter fliegt in einer Höhe von etwa 30 Metern über das Grasland.
Die Drohne der Rehkitzretter fliegt in einer Höhe von etwa 30 Metern über das Grasland.
Foto: Verein

Zum Team „Großes Bruch“ gehören Freiwillige aus Pabstorf, Schlanstedt, Aderstedt und Wackersleben. Idealerweise besteht ein solches Drohnenrettungsteam aus sechs Personen, die untereinander mittels Sprechfunk verbunden sind.

Denn, ist ein Rehkitz erst einmal aufgespürt, sollte die Rettung selbst schnell gehen. „Die genaue Position wird durchgegeben und die Retter begeben sich zum Jungtier, um es raus aus der Gefahrenzone an den Feldrain zu tragen. Dort wird es mit einem Korb abgedeckt.“

Rehkitzretter sind extreme Frühaufsteher

Nach der Mahd wird der Korb entfernt und die Ricke kann wieder zu ihrem Kitz, denn im Gegensatz zum abgeduckten Nachwuchs sucht sie bei Gefahr das Weite.

„Die Verständigung erfolgt durch Rufe und beide finden sich schnell“, erklärt Mnich, der für diese Aufgabe sogar Urlaub nimmt. Um eine solche Drohne führen zu können, muss sich übrigens auf die Schulbank setzen und den Drohnenführerschein ablegen.

Teamleiter Ronald Mnich aus Wackersleben kann auf seinen Sohn Finn und die weiteren Mitstreiter Gabriele Stache aus Aderstedt sowie Hans-Georg Brunn und Jannik Rautenschlein aus Pabstorf bauen.

Übrigens sind die Rehkitzretter extreme Frühaufsteher. „Je kälter der Boden noch ist, desto leichter kann die Wärmebildkamera ein Tier ausmachen“, erklärt Jannik Rautenschlein (16), der jüngste der Piloten. Wenn erst einmal die Sonne am Himmel stehe, und die Erde erwärmt habe, seien die Ergebnisse auf dem Monitor nicht mehr eindeutig und schwer zu deuten.

Nun hoffen die Rehkitzretter, dass das Versprechen des Landes, weitere Drohnen und das entsprechende Zubehör zur Verfügung zu stellen, kein Wahlkampfgetöse bleibt und die dringend benötigte Technik schnellstens ankommt. Denn es gibt nicht nur die eine Mahd im Jahr, sondern weitere folgen. „Wir mähen dreimal im Jahr“, erklärt Landwirt Jost Rautenschlein.

Wer die Retter unterstützen möchte, kann sich gern per Mail unter wildtierretterGB@web.de an das Team wenden. Informationen wird es in Kürze auf der Internetseite www.wildtierretter/sachsen-anhalt.org geben.

Mit einer solchen Drohne werden die Jungtiere vor der Grasmahd aufgespürt.
Mit einer solchen Drohne werden die Jungtiere vor der Grasmahd aufgespürt.
Fotos: Verein