Heimatgeschichte Wie der Halberstädter Dieselmotor des Traditionsschiffs MS „Frieden“ wieder zum Tuckern gebracht werden soll
Schiffahrtsenthusiasten wollen den in Halberstadt gebauten Dieselmotor der MS „Frieden nach 51 Jahren wieder starten. Der Plan könnte gelingen, denn eine dafür gestartete Crowdfunding-Aktion war erfolgreich.
Halberstadt - Das im Mai 1961 in Dienst und rund 19 Jahre später außer Dienst gestellte Motorschiff „Halberstadt“ war das letzte einer Serie von 15 Schiffen einer ersten Baureihe von 10.000-Tonnern, die von 1956 bis 1961 gebaut wurden und für die Deutsche Seereederei Rostock (DSR) im weltweiten Linienverkehr unterwegs waren.
Außer den beiden ersten Schiffen, MS „Frieden“ und MS „Freundschaft“, wurden die neun Schiffe nach Bezirkshauptstädten der DDR benannt. Das letzte Schiff der Serie, die in der Fachwelt auch als „Friedens-Klasse“ und/oder „Typ IV-Schiffe“ bekannt sind, bekam den Namen jener Stadt, aus der die Antriebsmotoren der Baureihe NVD 8 SV 66 Au stammten. Jedes Schiff erhielt vier dieser Mittelschnellläufer mit jeweils 2400 PS.
Drei der Schiffe wurden für fremde Betreiber gebaut und exportiert. Zehn der zwölf Schiffe DSR bewährten sich während der projektierten Betriebszeit von etwa 20 Jahren unter DSR-Flagge. Die „Magdeburg“ ging durch äußere Umstände verloren.
Die „Dresden“ zeigt seit ihrer Ausmusterung wegen eines Defektes an der Maschinenanlage, der unverhältnismäßig hohe Reparaturkosten verursacht hätte, seit 1970 im IGA-Park in Rostock-Schmarl noch immer Flagge als „Traditionsschiff Typ Frieden“. Dort ist das fünfte Schiff der Serie ein besonderer Anziehungspunkt des Schiffahrtmuseums. Ein Bereich des Schiffes diente in den 1980er Jahren als Jugendtourist-Hotel.
Technikschatz im Schiffsbauch
„Bislang gehört der Maschinenraum bisher nicht zu den Attraktionen, von denen Besucher nachher noch besonders lange schwärmen“, hieß es jüngst in der Ostsee-Zeitung. Dabei liege tief im Bauch des ehemaligen MS „Dresden“ ein wahrer Technikschatz verborgen. Davon sind jedenfalls die ehemaligen Schiffsingenieure Ulf von Rahden, Karl Fechtner und Helmuth Prüfer und eine Reihe weiterer Schifffahrtsenthusiasten überzeugt.
Deshalb hat das dreiköpfige Kernteam einen ehrgeizigen Plan entwickelt: Einer der mächtigen Dieselmotoren soll erstmals nach 51 Jahren Stillstand wieder gestartet werden.
Später soll der Hilfsdiesel regelmäßig laufen und Besuchern einen authentischen Eindruck vom Alltag im Maschinenraum des 160-Meter-Frachters vermitteln. Studierende der Warnemünder Seefahrtschule beteiligen sich an der Aktion und schrauben mit.
Crowdfunding-Aktion war erfolgreich
Um das Projekt finanzieren zu können, hatte das Schifffahrtsmuseum eine Crowdfunding-Aktion im Internet gestartet. 30.000 Euro sind nötig, um einen sicheren Betrieb des Motors vor Besuchern zu ermöglichen, hieß es. Kämen 17.000 Euro zusammen, könnten die Arbeiten beginnen.
Bis zum 31. Mai lief die Aktion „Maschinen Stopp“. Nach 76 Tagen wurde die Kampagne abgerechnet: 17.517 Euro standen zu Buche. Ohne diese Unterstützung wäre die Umsetzung der Ideen im Maschinenraum nicht möglich, bedankt sich die ehrenamtliche Crew.
Und: Es sei gut zu wissen, dass ein breites Interesse am Erhalt und der Pflege der Technik gibt. Das helfe und treibe das Team voran. Das ist zudem stolz darauf, inzwischen auch das erste TÜV-Zertifikat bekommen zu haben. Damit sei der Weg für weitere Arbeiten geebnet.
Mehr als 2400 Arbeitsstunden haben die Hobbyschrauber bislang in ihr Projekt gesteckt und dabei festgestellt, dass der Zustand der Schrauben, Kolben und Ventile deutlich besser ist als befürchtet. Das gab den Ausschlag für den nächsten Schritt: Warum nicht aus den noch verwendbaren Teilen einen Hilfsdiesel zusammenbauen, der sich wieder starten lässt?
Nur Orginalteile sollen verbaut werden
„Wir verwenden nur Originalteile“, sagt Karl Fechtner, der für die Details des geplanten Wiederaufbaus zuständig ist. Aus rund 3500 Elementen besteht der Motor.
Einige der fehlenden Teile steuern die Unternehmen Kloska Schiffsversorgung und Rean aus Sassnitz bei, die noch originale Typ-Frieden-Ersatzteile in ihren Lagern hatten. Mit dem Geld aus dem Crowdfunding sollen die Hilfsaggregate bezahlt werden, die den gewaltigen Verbrennungsmotor mit Pressluft, Strom, Schmieröl und Kraftstoff versorgen.
Bis der Hilfsdiesel, der einst für die Erzeugung von Elektrizität an Bord zuständig war, wieder tuckert, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Ulf von Rahden ist überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt.
Zurzeit sollen Maschinenraumgeräusche aus Lautsprechern den Museumsbesuchern ein Gefühl vom Alltag in diesem Teil der DDR-Handelsschifffahrt vermitteln.
„Wenn der Diesel wieder tuckert, gelingt das viel besser“, betonte der Schiffsingenieur gegenüber der Ostsee-Zeitung.