Bundestagswahl Zwei Kandidaten mit Stasi-Verdacht
Zwei Harzer Bundestagskandidaten sehen sich mit Stasi-Vorwürfen konfrontiert. Während einer dazu steht, gibt sich der andere ahnungslos.
Halberstadt l Die Wahlplakate von AfD-Direktkandidat Frank-Ronald Bischoff werden nicht nur in Athenstedt, dem früheren Wohnort des 69-Jährigen, mit besonderem Interesse registriert. Auch in anderen Harzorten fällt das Gesicht auf. Was nicht überrascht. Viele erinnern sich an Bischoffs früheres Leben in der DDR. Da sei der jetzige AfD-Kandidat nicht nur uniformiert unterwegs gewesen, sondern habe beim Rat des Kreises Ausreise-Antragstellern gegenüber gesessen. Die sehen sich von Bischoff als Vertreter des Staates zwar schikaniert, wollen zu ihren Vorwürfen heute aber nicht mit Namen und Hausnummer stehen.
Die Tätigkeit bei der Abteilung Inneres beim Rat des Kreises bestätigt Bischoff. Nach seiner Offizierszeit bei den DDR-Streitkräften habe er ab 1977 beim damaligen Rat des Kreises Halberstadt gearbeitet und auch mit Ausreisewilligen zu tun gehabt. „Über die Anträge selbst habe ich aber nicht entschieden“, versichert er. Parallel dazu habe er bis 1984 ein Jura-Fernstudium an der Berliner Humboldt-Uni absolviert. Und Bischoff war bis zur Wende fest ins Staatssystem eingebunden. Später beim Rat des Bezirkes Magdeburg. Dort sei er unter anderem als „Beauftragter für Grenzfragen“ für die innerdeutsche Grenze im Bezirk zuständig gewesen und habe auch Verantwortung für die materiell-technische Versorgung der sowjetischen Streitkräfte getragen.
Offenbar war Bischoff aber nicht nur gut funktionierendes Rädchen im Staatsapparat, sondern auch hauptamtlicher Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes. Seine personenbezogenen Daten finden sich auf der Fipro-Liste, einem detaillierten Finanzprojekt (Fipro) des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi). Dabei handelt es sich um eine Auflistung von rund 100 000 hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern, deren Rentenansprüche so dokumentiert werden sollten.
Zwar ist die genaue Herkunft jener Liste unklar – die darauf von Bischoff registrierten Daten sind aber plausibel und stimmig. So die Personenkennzahl (PKZ), die jeder DDR-Bürger hatte. Bischoff ist am 11. April 1948 im Dorf Aue bei Zeitz geboren. Das Geburtsdatum findet sich in der PKZ ebenso wieder (110448) wie die Melderegister-Nummer für den Kreis Zeitz (150). Dazwischen die Ziffer 4, die für männlich, nach 1900 geboren, steht. Bei der Schlussnummer 11 handelt es sich um eine Prüfziffer.
Dahinter folgt der Nummernblock „07;07;00“, der für die interne Stasi-Dienststelle steht. Bischoff war demnach Mitarbeiter im Bereich der Stasi-Bezirksverwaltung Magdeburg in der Abteilung VII, die für Innenministerium/Volkspolizei zuständig war, und bezog laut Liste ein Jahressalär von 23.250 DDR-Mark.
Für die Echtheit der Liste sprechen Gegenchecks mit bekannten hauptamtlichen Stasi-Mitarbeitern wie Vize-Chef Werner Großmann oder Horst Männchen, dem mittlerweile verstorbenen Chef der Funkaufklärung. Auch sie finden sich darauf.
Und noch etwas belegt die Authentizität der Liste: Ein weiterer Direktkandidat, der am 24. September im Harz zur Bundestagswahl antritt, findet sich dort: Frank Oettler von der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD). Der 1966 geborene Oettler, der in Halle lebt, räumt die Tätigkeit ohne Wenn und Aber ein: „Man ist damals auf mich zugekommen und hat mich für den Wehrdienst bei der Stasi-Wachabteilung angeworben.“ Aus den geplanten drei Jahren Ehrendienst seien schließlich bis Februar 1990 knapp fünf und damit eine hauptamtliche Anstellung geworden. Das deckt sich mit der in der Liste registrierten Stasi-Dienststellennummer „08;69;00“. Damit wird Oettler der Wachabteilung in der Bezirksverwaltung Halle zuordnet.
Dazu stehe er, das sei ein riesiger Fehler gewesen – „und dafür kann ich mich, obwohl ich niemandem direkt geschadet habe, bei allen Opfern des DDR-Systems nur entschuldigen. Ich war ja Teil dieses Systems.“
Anders Frank-Ronald Bischoff: Der studierte Jurist, der als hochrangiger DDR-Behördenmitarbeiter Kontakte mit Stasi-Leuten einräumt, will die Fipro-Liste nicht kennen. Dafür erinnert sich ein früherer Kollege bei der Treuhand, dass ihm Bischoff 1990 eröffnet habe, gerade aufgeflogen und daher gefeuert worden zu sein. „Stimmt nicht, ich habe damals selbst gekündigt“, kontert Bischoff.
Wie auch immer. Sieht Frank-Ronald Bischoff – so wie Frank Oettler – als Rädchen im DDR-System und mit Blick auf die Opfer Anlass für eine Entschuldigung? Nein: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich jemandem geschadet habe.“