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Geschichte Am Anfang steht ein Mordanschlag

Vor grauer Vorzeit haben sich Grafen in der Gemarkung Neuenhofe/Hillersleben niedergelassen.

Von Detlef Eicke 08.06.2020, 09:40

Neuenhofe/Hillersleben l Die hier ansässigen Grafen von Ammensleben, die ihre Stammburg in Grieben hatten, waren schon in der ersten Hälfte des 11. Jahrhundert sehr begütert. Später dehnten sie ihren Herrschaftsbereich in Nordthüringen aus. Dabei ging es nicht zimperlich zu, wie die Geschichte dieser Grafen verdeutlicht. „Sie hatten in ihren Verflechtungen zu den Königshäusern teilweise eine sehr dunkle Vergangenheit aufzuweisen, durchaus ein guter Stoff für einen Kriminalroman“, lautet die Erkenntnis des Neuenhofer Heimatforschers. Trotz besserer Möglichkeiten, übers Internet an Informationsmaterial aus diesen Häusern heranzukommen, habe er bei der Recherche festgestellt, dass die Geschichtsschreiber oft nur Teile dieser Grafenfamilien aus den Hinweisen vorhandener Urkunden berichteten. Oft wurden dabei Namen unterschiedlich geschrieben. Oder sie sind anders zugeordnet worden, weil die Nachkommen der Grafenfamilien oder auch in den Königshäusern gleiche Vornamen bekamen.

Nach einiger Zeit gelingt es Hartmut Jahn, mehr Klarheit in die an Spannung zunehmenden Recherchen in der Geschichte der Grafen zu gewinnen. „Anfangs war ich davon überzeugt, dass die Verbindungen der Grafenfamilie dazu dienten, durch zielgerichtete Heirat die Entwicklung und Ausdehnung ihrer eigenen Macht voranzutreiben. Aber dann habe ich von einem ersten Mord gelesen: Begangen hat ihn ein Graf Milo, dessen Name während meiner Recherchen gleich mehrfach aufgetaucht ist.“

Rückblick ins Jahr 1014. Da geschieht der erste Mord. Milo I. erschlägt den Grafen Brun von Braunschweig in dessen eigenem Haus, so erzählt es Thietmar von Merseburg. Zurück bleibt Ehefrau Gisela von Schwaben. Umfangreiches Zeugnis zur Familie und deren Geschichte haben Gisela von Schwabens Nachkommen aus drei Ehen abgelegt.

„Der einstige Täter Milo I. könnte ein Vorfahre von Graf Dietrich II. von Ammensleben und dessen Sohn Milo gewesen sein, von dem später noch zu reden ist“, vermutet Hartmut Jahn, „diese Bluttat muss im Hochadel ziemliche Wellen geschlagen haben, da sich Heinrich II. in diese Angelegenheit eingemischt haben muss.“

Die Witwe Gisela von Schwaben wird in der Historie gern als Stammmutter bezeichnet, denn sie hat allein aus den genannten drei Ehen sieben Kinder. Hinzu kommt ein uneheliches Kind mit Namen Theodorich I. Dietrich von Grieben und Ammensleben, das eine Verbindung in den verschiedensten Häusern begründen könnte.

Bereits nach einem Jahr heiratet besagte Gisela Ernst I. Dieser kommt im Jahr 1015 bei einem nicht aufgeklärten Jagdunfall ums Leben. Die dritte Ehe geht Gisela mit Kaiser Konrad II. ein. Auch hier kommt es zu einem Todesfall, denn sein eigener Stiefsohn Ernst II. wird bei Burg Falkenstein im Kampf gegen seinen Stiefvater erschlagen. Allein diese drei Vorfälle lassen vieles vermuten. Hat Giesela möglicherweise eigene Bestrebungen verfolgt, ihre Macht weiter auszudehnen?

Dietrich I. heiratet Digmenta Margaretha aus dem Geschlecht der Grafen von Morsleben und Horneburg. Ihr Vater Konrad von Morsleben und Horneburg und ihre Mutter Amulrada von Morsleben und Mayendorf haben insgesamt vier Kinder. Zwei der Jungen werden später auch getötet. Digmentas Bruder Suitger, oder auch Swidger geschrieben, ist später Papst Klemens II. Er fällt im Jahr 1047 einem Giftanschlag zum Opfer. Adalbert, ein weiterer Bruder von Digmentha, wird angeblich wegen Inzucht erschlagen. Hierzu gibt es nur spärliche Informationen. Gleiches betrifft Digmenthas Bruder Konrad, der als Patriarch bezeichnet wird. Eine weitere verwandtschaftliche Verknüpfung ist dadurch belegt, dass Walther (Waltard) Digmenta Margaretas Onkel ist, bereits 1012 Erzbischof von Magdeburg.

„An dieser Stelle habe ich gedacht, das reicht jetzt eigentlich: Nur Intrigen, Mord und Totschlag. Doch auch in der zweiten Ehe von Theoderich I. Dietrich mit der Schwester von Hermann I. von Salm geschieht wieder ein Mord: Dieser Gegenkönig ist 1088 auf der Burg Cochern erschlagen worden“, macht Hartmut Jahn deutlich. Die Tochter von Digmenta Margareta und Theoderich I. Dietrich von Grieben und Ammensleben hießt wie ihre Großmutter Amulrada. Dieser Umstand macht es dem Neuenhofer Heimatforscher schwer, in den Unterlagen zu erkennen, wer mit wem verbandelt ist. Auch die Jahreszahlen und die Schreibweise des Namens stimmen nicht immer, denn hin und wieder ist nur von Amurad zu lesen. Sie heiratet im Jahr 1057 in erster Ehe Eckbert von Harbke. Mit ihm hat sie vier Kinder: Milo II. und die drei Mädchen Giesel (oder auch Giesela geschrieben), Oda und Bia. Nach dem Tod ihres ersten Mannes heiratet Amulrada mit Dietrich II. (Dedi) einen Enkel der Sophia von Formbach und wird aus Thüringen zugeordnet.

Zurück zur Verbindung von Amulrada und Dietrich II. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass beide im Jahr 1110 Gründer der Eigenkirche gewesen sind und 1120 die Augustiner-Chorherren nach Ammensleben geholt haben. Tochter Oda ist mit einem Gebhard von Querfurt liiert, ihr Sohn Konrad wird 1134 Erzbischof von Magdeburg. Ihr Bruder Milo II. heiratet Luitburga von Eisleben. Durch diese Ehe wird Milo durch seine Frau schließlich Vogt von Hillersleben und somit auch als Graf von Hillersleben genannt. Milo II. nimmt 1126 am Kriegszug Kaiser Lothars gegen die Böhmen als Lehnsmann Albrecht des Bären teil in deren Verlauf er bei Kulm getötet wird. Aus der Ehe von Milo II. und Luitburga erwachsen die vier Kinder Dietrich III., Hermann, Otto I. und Bia. Dietrich ist Domherr in Magdeburg. Laut Eintragung ist er 1128 geboren und 1157 in Rom gestorben. Bruder Hermann wird Vogt von Ammensleben. Nach dessen Tod übernimmt Otto I. diesen Posten. Er wird dann noch Vogt von Hillersleben. Angeblich im Einvernehmen aller wird 1127 die Eigenkirche in Ammensleben dem Bistum übergeben und 1129 werden dort von Erzbischof Norbert Benediktiner eingeführt. Die Richtigkeit der Eintragungen vorausgesetzt, hat Bia ebenfalls zweimal geheiratet. In erster Ehe Dedo von Ammensleben und in zweiter Ehe Dedo von Krosigk. Aus der zweiten Ehe stammt eine Tochter Mathilde, die später Werner II. von Veltheim heiratet. Sie soll Wallo II. von Veckenstedt, Ehemann von Bias Stiefschwester Gisela war, erstochen haben, weil dieser sie wegen der Liebe zu einer anderen verstoßen hat.

Nun tritt endlich etwas Ruhe in den Reihen der Grafen ein. Otto I. heiratet die ehemalige Frau von Dietrich von Wichmannsdorf, Berengar von Lohra. Aus der Beziehung zwischen Otto I. und Berengar stammen die Kinder Berta, Luitgard und Otto II., ebenfalls Graf von Ammensleben. Ihr Sohn Otto II. hat keine männlichen Nachkommen und mit diesem stirbt dann das Grafengeschlecht derer von Grieben, Ammensleben und Hillersleben 1208 aus.

„Die Hinweise in den Unterlagen der Grafen haben leider nicht bestätigt, dass in Hillersleben und in Neuenhofe eine Burg gestanden hat, obwohl sie in den Chroniken erwähnt worden. Da der Hauptsitz der Grafen in ihrer Stammburg in Grieben war, schließe ich nicht aus, dass sie in ihrem Machtbereich noch weitere besessen und sie auch selbst bewohnt haben“, lautet Hartmut Jahns Fazit.