Heimatgeschichte Bestattungen und Friedhöfe in Rottmersleben
An sieben verschiedenen Orten in Rottmersleben sind in den vergangenen Jahrhunderten Menschen beigesetzt worden. Eine Spurensuche.
Rottmersleben. Mit dem Begriff Friedhof wird sich im wörtlichen Sinne nicht auf Frieden bezogen. Der Begriff taucht etwa um das Jahr 1000 im Althochdeutschen auf, hier als „frithof“, eine Bezeichnung für den „eingefriedeten“, also eingezäunten, Bereich um eine Kirche. Erst ab diesem Zeitpunkt sind Aufzeichnungen über die Art und Weise der Totenruhe besser bekannt.
Über Bestattungen, etwa in den Jahrhunderten davor in unseren Gebieten, ist durch Grabungen oder manchmal auch durch Zufallsfunde Einiges bekannt geworden. Bei den Germanen gab es nachweisbare Bestattungsorte, aber mit Sicherheit wurden dort nur Stammesadlige bestattet (siehe Hünengräber in der Umgebung von Haldensleben, wie Teufelsküche oder Königsgrab). Alle diese Orte lagen weit außerhalb der Wohngebiete.
Nach der Christianisierung, in unserem Gebiet ab 800 n.Chr., wurden Bestattungen in die Kirchengebäude und den eingefriedeten Kirchhof verlagert. Als heidnisch wurden Gräberfelder außerhalb des Ortes (wie bei den Germanen) sowie Feuerbestattungen abgelehnt. Es gab bis heute erkennbar deutliche soziale Unterschiede. In der Kirche: Familie des Kirchenstifters, der Kirchen-oberen oder kirchliche Würdenträger.
Guft der Familie von Veltheim
In der Kirche Rottmersleben befindet sch die Gruft der Familie von Veltheim sowie ein Epitaph des Heinrich Adrian v. Veltheim, errichtet 1. Dezember 1710. Die Familie hatte bis 1945 das Kirchenpatronat. In der Nähe der Kirche sind einige Grabsteine erhalten. Bettler, Gaukler, Schauspieler und Selbstmörder gehörten einem „unehrlichen Stand“ an und wurden nur in ungeweihter Erde beigesetzt. Aus der Entfernung der Grabstätte von der Kirche lässt sich auf den sozialen Stand und damit auf das Ansehen des Toten schließen.
In den evangelischen Gebieten Deutschlands trat seit Ende des 16. Jahrhunderts die Tendenz auf, die Toten aus hygienischen Gründen entfernt vom Dorfkern zu begraben. Die Bestattung erfolgte aus Platzgründen in geweihten Massengräbern, mit einer Kalkschicht überdeckt und ohne Namens- oder Datumsangabe. Neue Tote wurden in dem schon bestehenden Massengrab beigesetzt. Erst 1794 gab es in Preußen ein Gesetz, wie die Bestattungsorte auszusehen haben, so zum Beispiel, dass innerhalb bewohnter Gegenden keine Leichen beigesetzt werden durften.
Im Sommer 1958 Urne entdeckt
Die folgenden Erläuterungen stammen aus den Kirchenbüchern, der Zeitschrift Roland Heft 12 von 1958, der Festschrift zur Tausendjahrfeier 1964, der „Chronik von Rottmersleben“ von Lara Pasewald, erschienen 2009, dem Buch „Die Kunstdenkmale des Kreises Haldensleben“ erschienen 1961 im E.A. Seemann Verlag Leipzig, sowie durch eigene Nachforschungen des Verfassers.
Im Sommer 1958 wurden nördlich der Straße Rottmersleben-Ackendorf bei der Bearbeitung des Bodens eine sogenannte Steinsetzung gefunden und Scherben zutage gefördert. Bei der näheren Untersuchung wurden zwei angerissene Steinkisten festgestellt. Eine davon war erheblich beschädigt.
Durch die vorhandenen Scherben ließ sich aber die ursprüngliche Urne rekonstruieren, der Inhalt bestand aus Leichenbrand und einer Bronzenadel. In der zweiten, fast unbeschädigten Kiste wurden eine Hausurne und ein kleines Beigefäß gefunden. Der Fund hat ein Alter von etwa 2800 bis 3000 Jahren. Man glaubt, in der Hausurnenbestattung die letzten Reste einer in noch früherer Zeit üblichen Sitte, den Toten in seinem Wohnhaus beizusetzen, zu erkennen.
Übrigens wurde 1938 auf dem gleichen Acker eine andere Hausurne entdeckt, möglicherweise befindet sich dort ein ehemaliges Gräberfeld. Das Original von 1958 befindet sich in einem Museum in Halle, eine Kopie im Museum Haldensleben. Vor der nördlichen Kirchenmauer befindet sich eine Begräbnisstätte, die wahrscheinlich aus der Mitte des 17. Jahrhunderts stammt. Durch die Einebnung ist jedoch wenig erkennbar.
Die Friedhöfe für Opfer der Pest
Direkt am Kirchturm beziehungsweise auf der gegenüberliegenden Giebelseite der Kirche befand sich nach Lara Pasewalds Erkenntnissen der Pestfriedhof, auch Pestgottesacker genannt. Hier liegen wahrscheinlich Opfer der Pest von 1625 und 1636 in Rottmersleben. Da man der Pest nicht beikommen konnte, führten viele Orte einen Pestbann ein, das heißt, niemand durfte den Ort betreten, und wer krank war, wurde isoliert, bis er elendlich zu Grunde ging.
Erst 1894 gelang die Entdeckung des Erregers und der Infektionskette Ratte-Floh-Mensch. Einen zweiten Pestfriedhof gab es auch unter dem heutigen Dorfgemeinschaftshaus, wo bei Schachtarbeiten sehr viele Skelette gefunden worden war. Man fand sogar ein Skelett, eingemauert in der Außenmauer. Eine genaue zeitliche Einordnung war nicht möglich.
„Alter Friedhof“ wie ein kleiner Park
Am 25. März 1849 wurde ein Friedhof an der Kirche durch Pastor Carl Theodor Drude (1812-1872) angelegt und wahrscheinlich 1853 auch am Sickweg, heute „Alter Friedhof“ genannt. Die Jahreszahlen sind jedoch strittig. 1912 war die Schule bei der Kirche baufällig. Die preußische Verwaltung wollte die Schule nur in Ordnung bringen, wenn ein Turn- und Spielplatz im Ort errichtet wird. Kein Bauer war aber bereit, dafür Land zur Verfügung zu stellen. So kam nur das Gelände an der Kirche dafür in Betracht.
Der Boden wurde bis drei Meter Tiefe abgetragen, neu aufgeschüttet und planiert. Beim Abtragen des Bodens kam eine Vielzahl von übereinander gestapelten Leichnamen zum Vorschein. Die noch sichtbaren Grabsteine wurden vorher in die Nähe der Kirche gesetzt, stehen also nicht mehr an ihren früheren Standorten. Der Friedhof am Sickweg wurde nicht mehr benutzt und seinem Schicksal überlassen.
Heute ist der „Alte Friedhof“ wie ein kleiner Park, der auch genutzt wird. Hier befindet sich ein Kinderspielplatz, der in der Zeit der Dorferneuerung 2001 angelegt wurde. Hierfür wurden 14 285 Euro als Fördermittel bereitgestellt, für Baumaßnahmen 2500 Euro. Man errichtete dort eine Doppelschaukel, eine Spiellandschaft, ein Zweistufenreck, einen Sandkasten und andere. Die älteren Rottmersleber werden sich auch gern daran erinnern, dass in den 1960er und 1970er Jahren dort Filme auf Großbildleinwänden zu sehen waren.
Die Schüler der nahegelegenen, heute geschlossenen Schule nutzten das Gelände auch für Naturbeobachtungen. Am 23. Oktober 1887 wurde der Friedhof an der Straße nach Alvensleben übergeben. Er wird noch heute genutzt. In der Festschrift aus dem Jahr 1964 wird zudem ein eisenzeitlicher Begräbnisplatz ohne nähere Angaben an der Straße nach Nordgermersleben erwähnt.