Heimatgeschichte Die Magdeburger Bombennacht vom 16. Januar 1945
Wie die Menschen eines kleinen Dorfes am Rand der Börde sie erlebten.
Klein Bartensleben. Wenn im Januar eines jeden Jahres die Volksstimme an die Zerstörung Magdeburgs in der Bombennacht vom 16. Januar 1945 erinnert, fallen mir die Erzählungen meiner Großmutter ein. Wie sie, immer tief bewegt, davon gesprochen hat, dass der Himmel im Südosten in den Bombennächten hell vom Schein des Flammenmeeres war; dass die Bomber an vielen Tagen und in vielen Nächten über unser Dorf zum Angriff auf die Stadt geflogen sind.
Ältere Nachbarn erinnern sich noch heute, wie einmal ein getroffener, brennender Bomber so dicht über die Dächer von Klein Bartensleben geflogen ist, dass sie meinten, er würde die Schornsteine streifen. Abgestürzt ist er auf der Hochfläche Richtung Ostingersleben und der kleine Martin W., der mit der Dorfjugend unbedingt zur Absturzstelle wollte, konnte nach dem Anblick der verbrannten Besatzungsmitglieder Nächte lang nicht schlafen.
Enge Freundschaft mit Margot Müller
Ein deutsches Jagdfleugzeug stürzte im Sommer 1944 in ein Wäldchen am Jakobsbusch. Meine Großmutter musste nicht um Angehörige in Magdeburg bangen, aber sie war immer in Sorge wegen einer jungen Frau, die ihr sehr ans Herz gewachsen war. Sie hieß Margot Müller und wohnte mit ihrer Familie in der Rotekrebsstraße 25 in der Altstadt von Magdeburg. Die Namensgleichheit war rein zufällig.
Margot war um das Jahr 1939 als junges Mädchen zu uns auf den Hof nach Klein Bartensleben gekommen um ihr sogenanntes „Pflichtjahr“ in der Landwirtschaft abzuleisten. Trotz des Altersunterschiedes war eine enge Freundschaft zwischen ihr und meiner Großmutter gewachsen. Nachdem sie nach Magdeburg zurückgekehrt war und eine Büroarbeit in einer Magdeburger Firma aufgenommen hatte, gingen viele Briefe zwischen Klein Bartensleben und Magdeburg hin und her. Einige Male war Margot auch noch zu Besuch bei meinen Großeltern.
Zwei ihrer Briefe sind erhalten geblieben. In dem Brief vom 29. September 1944 beschreibt sie einen Bombenangriff vom Vortag. Auch wenn es nur wenige Worte sind, lassen sie die ganze Angst der Menschen in den Kellern ahnen. Bei diesem Bombardement wurden in ihrer Wohnung nur Fensterscheiben zerstört und sie selbst hatte in ihrer Firma im Luftschutzkeller überlebt.
Das Schicksal von Margot Müller
Im zweiten Brief vom 15. Dezember 1944 tröstet sie meine Großmutter, die um ihren zu dieser Zeit vermissten Sohn bangt. Dann berichtet sie von ihrem Vater, dem im Lazarett in Westfalen ein Bein wegen an der Front erlittener Erfrierungen amputiert werden sollte. Aber aus ihrem Brief spricht auch Hoffnung, Lebensmut und vorweihnachtliche Freude. Genau einen Monat und einen Tag später ist Margot Müller im Feuersturm der Bombennacht vom 16. Januar 1945 im Keller ihrer Wohnung gestorben. Ihre Mutter überlebte und hat meine Großmutter in einem leider nicht erhaltenen Brief vom Tod ihrer Tochter informiert.
Die Rotekrebsstraße war so stark zerstört, dass sie nicht wieder aufgebaut wurde. Da auch mein Vater, der aus der Gefangenschaft zurückkehrte, oft von Margot gesprochen hat, habe ich diese Trauer übernommen und in der Vergangenheit bei Gottesdiensten am Volkstrauertag an diese junge Frau und ihr Schicksal erinnert. Und ich will nicht, dass rechte Brandstifter diese furchtbare Tragödie einer Stadt und ihrer Einwohner für ihre Ziele missbrauchen.