Coronavirus Essen nur noch zum Mitnehmen
Das war für die Gastronomie ein schwarzer Tag: Restaurants und Bars müssen erneut schließen. Wie geht es den Haldensleber Gastronomen damit?
Haldensleben l Kaum eine Branche treffen die Teil-Schließungen so hart wie die Gastronomie. Wut und Unverständnis mischen sich mit existenziellen Ängsten. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hat Gastronomen und Hoteliers noch am Freitag schnelle und unkomplizierte Hilfen zur Bewältigung des Teil-Lockdowns in Aussicht gestellt. Der Bund plant als finanzielle Unterstützung kleinerer und mittlerer Betriebe die Erstattung von 75 Prozent des Umsatzes aus dem November 2019.
Richtig schwer wird das Überleben vor allem für Unternehmer, die in mehreren Bereichen der Gastronomie- und Veranstaltungsbranche tätig sind. Zu ihnen zählen Ulrich Michael von Uli’s Partyservice und Nils Todtenhaupt, dem das Schlossrestaurant in Hundisburg und zwei Veranstaltungsunternehmen gehören.
Für Ulrich Michael gibt es zumindest zwei Lichtblicke: Seine Kantine darf offen bleiben und die Liefer- oder Abholmöglichkeit ist weiterhin möglich. Dennoch: Die Einnahmen durch den Partyservice und im Sporthaus fallen weg. „Wir machen unsere Arbeit sehr gut und verantwortungsbewusst. Wir zahlen Steuern an den Staat und werden so bestraft“, sagt Michael.
Die Begründung, warum gerade die Gastronomie geschlossen und Veranstaltungen wieder ausfallen müssen, verstehe er nicht. Nach dem ersten Lockdown habe er mit seinem Partyservice 250 Veranstaltungen beliefert und er habe nichts davon gehört, dass es dabei zu Corona-Infektionen kam. Ähnliches gelte für die 20 Partys, die vor dem ersten Lockdown beliefert wurden.
Der Jahresumsatz des Unternehmens betrug im vergangenen Jahr ungefähr 690.000 Euro. Die genauen Zahlen vom November hatte Ulrich Michael im Gespräch mit der Volksstimme zwar nicht zur Hand, aber bei einem durchschnittlichen Umsatz von 57.000 Euro monatlich müsste er ungefähr 43.000 Euro Unterstützung für den November bekommen. Solange es eine angemessene Entschädigung sei, wären auch noch ein paar 1000 Euro weniger zu verkraften. „Wenn ich auf meinen Kosten sitzen bleibe, werde ich rechtliche Schritte einleiten“, ist sich Michael bereits jetzt sicher.
Bei Restaurantbesitzer und Eventmanager Nils Todtenhaupt geht es ebenso um seine weitere Existenz. „Es wird mit den staatlichen Hilfen stehen und fallen, ob wir überleben.“ Viele Veranstaltungen wie Open Airs konnten nicht stattfinden. Genauso wenig konnte das Equipment für Veranstaltungen und Messen vermietet werden. „Ich dachte, dass ich ganz gut aufgestellt bin, aber jetzt ist alles weggebrochen.“
Im Schlossrestaurant hat Todtenhaupt bereits im Frühling große Verluste hinnehmen müssen. Die Geschäfte im Sommer seien gut gelaufen, aber dennoch konnten die finanziellen Ausfälle des Lockdowns nicht aufgeholt werden. Gerade der November und Dezember seien mit Veranstaltungen wie dem Krimi-Dinner, dem Theaterdinner Feuerzangenbowle und Weihnachtsfeiern eine wichtige Einnahmequelle. Auch er weiß von keinen Infektionsfällen, die aus seinem Restaurant heraus entstanden sind. „Wenn den Politikern wirklich etwas an der Kultur liegt, dann dürfen sie daran nicht sparen.“ Außerdem kritisiert er, dass so die Leute dazu gezwungen werden, die Treffen ins Private zu verlegen, wo eine Kontrolle oder gar Nachverfolgung noch schwerer werde.
Beim Besuch der Blechtrommel meint Wirt Frank Schünemann: „2020 ist gelaufen. Ich erwarte von diesem Staat und dem Land gar nichts mehr.“ Er erzählt, dass er sogar schon Anrufe aus dem Ausland, wie zum Beispiel Österreich oder Schweden bekomme, ob er sein Restaurant und die dazugehörige Wohnung verkaufen wolle. „Man demoralisiert die, die Geld in die Kasse bringen.“ Das Infektionsgeschehen passiere nicht in den Restaurants, die sich an alle Auflagen gehalten hätten, meint Schünemann. „Wir sind die Verlierer.“ Um weiterhin etwas Verlust aufzufangen, wird Schünemann seinen Online-Bestellshop noch um einige Gerichte ergänzen.
Einige Restaurantbesitzer wirken am Donnerstagabend nicht erfreut über die erneuten Schließungen, aber insgesamt pragmatisch. Doren Schmidt vom Gasthaus Schmidt’s sagt: „Ich habe die erste Weihnachtsfeier abgesagt.“ Die restlichen Feiern würden folgen. „Noch geht es weiter bei uns.“ Als das Gasthaus nach dem ersten Lockdown wieder seine Türen öffnen konnte, war immer eine Reservierung nötig. „So wurden nur frische Gerichte serviert und es stand niemand vor der Tür.“ Ihr sei wichtig, dass der Besuch bei ihnen ein Erlebnis sei und die Qualität der Gerichte stimme. Letzteres sei ein Grund, warum es keinen Abholservice geben werde.
Angela Natale von der Pizzeria La Taverna meint: „Entweder wir überleben auch dieses Mal wieder oder eben nicht.“ In den 21 Jahren, in denen es das Restaurant gibt, habe man schon andere Krisen überlebt, sagt die Sizilianerin. Durch fünf Tische weniger, an den normalerweise 20 weitere Gäste sitzen konnten, kam es zu weniger Umsatz bei gleich bleibenden Kosten. Obwohl der Abholservice genutzt wurde, sei es 80 Prozent der Kunden wichtig in einem schönen Ambiente bei einem Glas Wein zu essen. „Ich bin nicht die Einzige, die zu machen muss und werde im schlimmsten Fall nicht die Einzige sein, die pleite geht.“ Dennoch weiß sie, dass ihre Stammkundschaft wieder kommen wird, sobald wieder geöffnet ist. „Wir sind das einzige original italienische Restaurant in Haldensleben. Das schätzen auch unsere Gäste.“