Rathausstreit Stadtverwaltung scheitert vor Gericht
Das Verwaltungsgericht Magdeburg hat die Kündigung der Stadt Haldensleben gegen ein Personalratsmitglied kassiert. Sie war ungerechtfertigt.
Haldensleben/Magdeburg l „Die Kammer ist der Auffassung, dass keine auf objektiven Tatsachen beruhenden Gründe vorgetragen wurden, die eine Kündigung rechtfertigen“, erklärte der vorsitzende Richter Heinrich Risse. Damit ging am Dienstag eine rund vierstündige mündliche Anhörung zu Ende.
Im Mittelpunkt stand ein Personalratsmitglied der Haldensleber Verwaltung. Die Stadt hatte dem Mitarbeiter gegenüber eine außerordentliche und fristlose Verdachtskündigung ausgesprochen. Der Vorwurf: Er sei daran beteiligt gewesen, die seit Februar vermissten Akten beiseite zu schaffen. Der Personalrat hatte dieser Kündigung seine Zustimmung verweigert. Deshalb wurde am Verwaltungsgericht Magdeburg der Antrag gestellt, diese Zustimmung durch eine richterliche Entscheidung zu ersetzen. Das ist nicht geschehen. Als Begründung dafür führte Richter Risse sowohl inhaltliche als auch formale Gründe an.
Zum einen gelangte das Gericht zu der Einschätzung, dass der Antrag falsch gestellt worden sei – nämlich von Haldenslebens stellvertretender Bürgermeisterin Sabine Wendler im Namen der Stadt. Wie Gerichtspressesprecher Christoph Zieger erklärt, hätte Sabine Wendler ihn aus juristischen Gründen im eigenen Namen stellen müssen. Das sei im Nachgang auch geschehen - allerdings so spät, dass die vorgegebene Frist nicht mehr gewahrt worden sei. „Schon deshalb müsste der Antrag abgelehnt werden“, so Risse.
Darüber hinaus befasste sich die Kammer mit inhaltlichen Aspekten. Die Stadt stützt ihren Verdacht auf mehrere Punkte. Unter anderem habe der Mitarbeiter über einen Generalschlüssel verfügt. Damit habe er Zutritt zum Büro der stellvertretenden Bürgermeisterin gehabt, aus dem die Akten und persönliche Gegenstände verschwunden seien. Eine Kollegin habe bezeugt, dass sich der Mitarbeiter ohne dienstlichen Grund in dem Zimmer aufgehalten habe.
Nicht zuletzt gibt es eine E-Mail der vorläufig suspendierten Bürgermeisterin Regina Blenkle. Darin äußert sie den Wunsch, dass „alle Unterlagen bei der Wendler“ rauszuholen seien. In diesem Zusammenhang wird der Vorname des Mitarbeiters genannt.
Nachdem das Fehlen der Akten bemerkt worden war, habe Sabine Wendler den Mitarbeiter aufgefordert, Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Dem sei er nicht nachgekommen. Angeblich um die polizeilichen Ermittlungen zu verzögern.
Das Gericht zeigte sich davon nicht überzeugt. Neben der Wach- und Schließgesellschaft gebe es zehn Personen, die einen Generalschlüssel für das Rathaus besäßen. Darüber hinaus sei eine Anwesenheit in den Räumen der Kämmerei noch kein Beleg für das Beiseiteschaffen von Akten. Auf Befragung durch Heinrich Risse erklärte Sabine Wendler, dass der Mitarbeiter bei der Begegnung mit der Zeugin nach deren Darstellung keine Akten mit sich geführt habe.
Selbst wenn der Inhalt der Mail als Aufruf zu einer Straftat gewertet würde, bedeute das nicht automatisch, dass dem auch Folge geleistet worden sei, so das Gericht. Laut Heinrich Risse sind ganz andere Szenarien vorstellbar. Sabine Wendler hatte erklärt, dass es bei den Unterlagen um Investitionen der vergangenen 25 Jahre ginge. Daraufhin hakte der Richter nach, welchen Vorteil Regina Blenkle aus dem Verschwinden der Akten ziehen könnte.
Sabine Wendler äußerte die Vermutung, dass die derzeit suspendierte Bürgermeisterin die Akten zum Zwecke der Informationsgewinnung beiseite geschafft habe. Es sei vorstellbar, dass sie auf diese Weise Vorwürfe gegen ihren Amtsvorgänger Norbert Eichler erheben wollte.
„Könnte es nicht auch sein, dass jemand, der etwas auf dem Kerbholz hat, diese Akten hat verschwinden lassen?“, fragte der Richter nach. Sabine Wendler verneinte. Ihres Wissens sei bei den Investitionen „alles sauber gelaufen“. „Dann hätte auch Frau Blenkle aus den Akten keinen Vorteil ziehen können“, so Heinrich Risse.
Tatsächlich gibt es bezüglich der Akten noch ein weiteres Schreiben. In einem Brief an das Verwaltungsgericht hatte Regina Blenkles Anwalt in einem anderen Zusammenhang eingeräumt, dass seine Mandantin die Unterlagen habe „sichern“ lassen. Der betreffende, mit Namen genannte Mitarbeiter, habe dies erledigt.
Allerdings: Dieses Schreiben wurde verfasst, nachdem der Hauptausschuss den Beschluss zur Kündigung gefasst hatte. Wie Christoph Zieger erklärt, habe der Brief vor Gericht keine Rolle gespielt, weil das auch bei der Entscheidung des Personalrates so gewesen sei. Letztlich habe das Gericht darüber befinden müssen, ob die Entscheidung des Personalrates auf der Basis des damaligen Kenntnisstandes rechtmäßig gewesen sei.
Gegen den Beschluss können Rechtsmittel eingelegt werden. „Wir warten zunächst die schriftliche Begründung ab. Dann wird es eine Entscheidung geben, ob die Stadt Rechtsmittel einlegt“, erklärte Stadt-Pressesprecher Lutz Zimmermann. Darüber hinaus hakte die Volksstimme bei der Staatsanwaltschaft Magdeburg nach, ob es hinsichtlich der Akten und der laufenden Ermittlungen etwas Neues gibt. Die Anfrage blieb gestern unbeantwortet.