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Coronavirus Schloss Altenhausen in Not: Ponys ohne Reiter

Ein Schloss, 100 Pferde und eine Burgherrin, die Kinderträume erfüllt. Aber der Coronavirus macht einen Strich durch die Rechnung.

Von Anett Roisch 10.05.2020, 01:01

Altenhausen l „Es ist sehr bitter für uns. Alles ist unsicher. Die Schulklassen stornieren jetzt schon ihren Aufenthalt im Sommer“, sagt Renate Schünemann, die Betriebsleiterin im Schloss Altenhausen.

Groß seien ihre Hoffnungen auch nicht, dass sich die Situation im Herbst verbessert. „Es wird schwierig, da bislang Klassenreisen verboten sind“, erklärt die Betriebsleiterin. Sie wisse daher nicht, wie lange der „Atem“ reicht. Offen stehende Verbindlichkeiten bereiten ihr große Sorgen. „Die beantragte Soforthilfe ist auch noch nicht da. Diese Hilfe ist ein Tropfen auf dem heißen Stein und wird für die laufenden Kosten nicht ausreichen. Wir versuchen uns durchzuhangeln“, beschreibt Renate Schünemann und ergänzt: „Es wird ein langer Weg. Ob ich es schaffe, weiß ich nicht.“

Schon jetzt denkt sie an den Monat Juni. Da beginnt die Heuernte. „Ich muss das Futter für die 100 Pferde kaufen. Es wird schwer für uns. Ein Lösungsweg ist noch nicht in Sicht. Wird es einen Rettungsschirm für alle Jugendherbergen geben? Wenn andere Bereiche wieder langsam öffnen können, bleiben solche Häuser – wie wir – leider ziemlich leer“, sagt die Betriebsleiterin. Auf Anordnung der zuständigen Behörden müssen fast alle Verträge mit Jugendgruppen und Schulklassen für 2020 storniert werden.

„In der Saison von März bis Oktober müssen wir uns einen finanziellen Puffer erarbeiten, damit wir im Winter die Leute halten und das Vieh versorgen können“, erklärt sie. Nach dem Winter folgte der Einbruch durch die Corona-Krise. Dazu kommt, dass das andere Standbein – die Hochzeiten – auch weggebrochen sind. Auch diese großen Familienfeiern mussten auf unbestimmte Zeit abgesagt werden.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es, dass Familien ihren Urlaub im Ponyschloss verbringen. Mit den Pferden, Reitunterricht, Streichelzoo, Bolzen, Tischtennis, Lagerfeuer und einen traumhaft schönen Park könnten Urlaubsträume erfüllt werden.

„Vielleicht haben Familien mit Kindern aus der Region Lust, bei uns eine Woche oder ein verlängertes Wochenende zu verbringen“, beschreibt sie das Potential. Beim Familienurlaub wäre es sicher möglich, die strengen Hygiene- und Abstandsregelungen zu erfüllen.

Die Geschäftsführerin, die in Groß Santersleben wohnt, geht mit ihrem Hund Bolle über den menschenleeren Schlosshof. Sonst tummeln sich über 300 Kinder und Jugendliche auf dem Schlossgelände. Jetzt ist alles gespenstisch ruhig. Alle Betten im Ponyschloss sind leer. Nur einige Geschäftsleute übernachten im benachbarten Hotel. Mit der neuesten Lockerung konnte – zum Glück der Kinder – der Reitverein wieder gestartet werden. Nur ein kleines Zeichen, dass wieder bessere Zeiten kommen könnten.

1998 wurde das Ponyschloss nach umfangreichen Sanierungsarbeiten eröffnet. Stück für Stück verwandelte sich das Gemäuer in ein Märchenschloss. „Das Schloss ist ein denkmalgeschütztes Gebäude, das den Kindern gehört. Es ist kein Museum, die Kinder erobern sich die Burg. Es geht dann Treppe hoch und runter“, erzählt Renate Schünemann und gesteht, dass ihr das Kinderlachen fehlt. „Wenn die Mädchen und Jungen zu uns kommen und die Burg sehen, dann ist das schon die halbe Miete“, weiß die Burgherrin, die gern auch mal ihr Zepter an die jungen Ritter abgibt. Glückliche Kinder zu sehen sei ihr Bonus. Es gibt neun Gruppenräume und viele Zimmer im Jugendherbergsstil, aber alle mit Dusche und WC. „Für Familien ist es vielleicht auch gut, wenn sie kein teures Hotelzimmer bezahlen müssen“, blickt die Burgherrin voraus.

Zum Team gehören 33 Mitarbeiter. Dazu zählen auch fünf Pferdewirte sowie Pfleger. „Die Mitarbeiter sind jetzt in Kurzarbeit. Sie versorgen aber trotzdem die Pferde“, erklärt die Chefin. Einige Mitarbeiter sind sonst außerdem im Restaurant beschäftigt. Das sei ein separates Unternehmen. „Wir müssen uns jedoch als Einheit sehen. Zum Glück kann das Restaurant in Kürze wieder öffnen“, ergänzt die Groß-Santersleberin.

„Die Pferde brauchen jemanden, der sie reitet und pflegt. Wir können ja nicht jeden Tag 100 Tiere putzen“, sagt die Betriebsleiterin. Von Vorteil sei es, dass 50 Hektar Weidefläche, zwei Reitplätze und eine Halle genutzt werden können. Mit dem großen Areal ist das Reiten auch in kleinen Gruppen möglich.

Wie die kleinen Eroberer in den Reiterferien, möchte die Burgherrin ihr Domizil nicht kampflos aufgeben. „Wir haben in den letzten Jahren so hart gearbeitet, um dieses Schloss in ein Freizeitparadies zu verwandeln. Auch Kinder, die nicht unbedingt Reiten möchten, haben bei uns keine Langeweile“, sagt die Leiterin und zählt das Bogenschießen, das Floßbauen, das Korbflechten und Zinngießen als Angebote auf.

Die Corona-Zeit nutzen die Schlossmitarbeiter, um angefangene Projekte in kleinen Schritten zu vollenden. Da werden – trotz fehlender Gelder – die Bäder der Turmzimmer renoviert und gemalert. „Wir möchten unser Märchenschloss wieder mit Leben erfüllen und Kinderträume wahr werden lassen“, sagt die Burgherrin mit dem Blick in die Zukunft. Kontakt ist möglich unter Telefon 039052/92 222 oder im Internet unter www.schloss-altenhausen.de