Corona-Pandemie Tausende Kinder haben aufgrund der Corona-Krise nicht schwimmen gelernt - können Schwimm AGs in der Börde helfen?
Das Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt stellt für die kommenden Jahre 480.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Mit dem Geld sollen Schulen Schwimm-AGs anbieten können, damit die Kinder schwimmen lernen. Ein Blick in die Börde verrät, vor welche Herausforderungen Schulen damit gestellt werden.
Haldensleben/Dahlenwarsleben - Thomas Ritzmann, leitender Schwimmmeister des Rolli-Bades in Haldensleben, bringt es auf den Punkt: „Was das Schwimmen lernen betrifft, war die Pandemie schon ein harter Einschnitt für unsere Nichtschwimmer.“ Er ergänzt: Man geht in Deutschland davon aus, dass mindestens ein Jahrgang, wenn nicht sogar zwei Jahrgänge in der Schwimmausbildung zu beklagen seien.
Das bestätigt auch Achim Wiese, Pressesprecher der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG). „Wir gehen davon aus, dass ein Jahrgang bundesweit rund einer Million Kinder entspricht, also haben aufgrund der Pandemie eine Million Kinder in Deutschland nicht schwimmen gelernt.“ Die DLRG habe sonst rund zehn Prozent der Nichtschwimmer ausgebildet. „Das bedeutet rund 100.000 Kindern konnten wir in den Monaten der Pandemie das Schwimmen nicht beibringen“, so Wiese. Der größte Schwimmausbilder jedoch, das seien die Schulen, sagt der Pressesprecher.
Doch gibt es eine Zahl, wie viele Kinder in Sachsen-Anhalt in den vergangenen 15 Monaten nicht schwimmen gelernt haben? Tobias Kühne, Pressesprecher des Landesschulamtes in Sachsen-Anhalt, teilt auf Volksstimme-Nachfrage mit: „Im aktuellen Schuljahr waren nicht nur die Schulen zeitweise geschlossen, sondern auch die Bäder und Schwimmhallen. Der Schwimmunterricht war dadurch für alle Kinder in Sachsen-Anhalt eingeschränkt. Es ist noch nicht bekannt, wie sich das auf das Erlernen der Schwimmfähigkeit in Zahlen letztlich ausgewirkt hat. Das Schuljahr läuft noch. Zum jetzigen Zeitpunkt muss aber zweifellos davon ausgegangen werden, dass im Vergleich zu den Vorjahren weniger Kinder Schwimmen gelernt haben.“
480.000 Euro um Kinder fit fürs Wasser zu machen
Weiterhin sagt der Pressesprecher, dass die Landesregierung das Problem bereits erkannt hat und den Schulen 480.000 Euro pro Jahr für die Jahre 2021, 2022 und 2023 für die Einrichtung von außerschulischen Arbeitsgemeinschaften zur Verfügung stellt. Eine entsprechende Pressemitteilung des Ministeriums für Bildung ist am 22. Mai herausgegangen. Darin heißt es: Mit diesem Geld soll Schulen die Möglichkeit gegeben werden, Schwimmangebote im Rahmen außerunterrichtlicher Arbeitsgemeinschaften einzurichten. Weiter heißt es: „Durch gezielte Kooperationen mit schwimmsportbetreibenden Verbänden, Vereinen und Bäderbetrieben wird es den Schulen nun ermöglicht, ergänzend zum Unterricht Arbeitsgemeinschaften zum Erlernen des Schwimmens einzurichten.“
Ob die Schulen schon Teil des Geldes beantragt oder abgerufen haben, dazu könne Tobias Kühne bisher keine Angaben machen. In ein paar Wochen wisse man dazu sicher mehr, sagt er. Die Pressemittelung sei ja gerade erst erschienen.
Einige Grundschulen hat es besonders hart getroffen
Doch wie können solche Schwimmangebote als Arbeitsgemeinschaften realisiert werden? Kathleen Stier, Sportlehrerin an der Grundschule Dahlenwarsleben koordiniert den Schwimmunterricht für die Grundschulen im Landkreis Börde. „Das heißt für 18 bis 20 Grundschulen im Schuljahr“, sagt sie. Die meisten Grundschulen in der Börde würden den Schwimmunterricht in der zweiten Klasse anbieten, ein oder zwei Bildungsstätten erst in der dritten. Die Schulen werden entsprechend eingeteilt. Ungefähr zehn bieten den Schwimmunterricht im ersten Halbjahr an, die andere Hälfte im zweiten. „Einige Grundschulen hat es aufgrund der Pandemie besonders hart getroffen“, berichtet Kathleen Stier. Denn diese haben gleich zwei Schwimmhalbjahre verloren, wenn sie für das zweite Halbjahr eingeplant waren.
Seit dieser Woche hat das Rolli-Bad in Haldensleben wieder geöffnet und der Schwimmunterricht geht wieder los. Nun haben die Kinder noch vier Wochen lang bis zu den Sommerferien einmal in der Woche für 1,5 Stunden Schwimmunterricht. „Das ist nicht viel“, sagt Kathleen Stier. Aber es sei trotzdem wichtig, dass diese vier Wochen stattfinden und die Kinder so an das Wasser gewöhnt werden.
Dass diese Klassen im kommenden Schuljahr noch einmal für den Schulschwimmunterricht angemeldet werden, ist kaum zu realisieren, sagt die Koordinatorin. Denn dann würden ja die kommenden 2. Klässler Schwimmunterricht haben. Und zusätzliche Kapazitäten, um zwei Jahrgängen das Schwimmen beizubringen, seien nicht vorhanden. Es gebe nur einen bestimmten Pool an Sportlehrern an den Grundschulen, die auch die Rettungsschwimmerausbildung haben und dementsprechend berechtigt seien, Schwimmunterricht zu geben.
Schwimm-AGs sind logistisch schwer zu realisieren
Die Idee des Bildungsministeriums zusätzlichen Schwimmunterricht als Schul-AG anzubieten, finde sie erst einmal gut, sagt Kathleen Stier. „Nur ist das logistisch schwer zu realisieren“, so die Lehrerin. Wenn zum Beisiel nach der Schule eine Sport-AG angeboten werde, würden die Kinder an der Schule bleiben und einfach in die Turnhalle rüber gehen.
Jedoch bei so einer Schwimm-AG müssten die Kinder erst mit dem Bus in die Schwimmhalle gefahren werden. Es muss ein Bus organisiert werden, eine Aufsichtsperson, die die Kinder auf dem Weg dorthin beaufsichtigt. Außerdem werden Lehrer benötigt, die die Ausbildung des Rettungsschwimmers haben, um den Kindern das Schwimmen beizubringen. Hinzu kommt, dass mit den Schwimmhallen Zeiten ausgehandelt werden müssen, zählt Kathleen Stier weitere Hürden auf. Gerade nachmittags, wenn die Schul-AGs angeboten werden, seien viele Schwimmhallen belegt und werden unter anderem von Schwimmvereinen genutzt.
Ob solche Schwimm-AGs an den Grundschulen in der Börde im kommenden Schuljahr angeboten werden können, das müsse erst noch besprochen werden, so Kathleen Stier.