Heimatgeschichte Wie der „Olle Dussel“ zu seinem Namen kam
Heinrich Hermann Homann war in Klein Bartensleben als „oller Dussel“ bekannt. Er hatte eine ganz eigene Art, mit Menschen umzugehen.
Klein Bartensleben. Früher gab es in unseren Dörfern Originale, die manchmal noch in den Erzählungen nachfolgender Generationen fortlebten. Oft stammten sie aus Nachbarorten und zogen sporadisch durch Klein Bartensleben um sich bei dieser Gelegenheit von der Dorfjugend hänseln zu lassen. Aber auch unter den Ansässigen gab es Leute mit Ticks und Schrullen, wie etwa den alten Schustergesellen, der im Dorfkrug von jedem bestellten Doppelten die Hälfte in die Hände goss, sich den Stoppelkopf damit einrieb und dann erst den Rest hinunter kippte.
Einen eigenartigen und bärbeißigen Humor
Ein anderes Original war Heinrich Hermann Homann, der „Olle Dussel“, an den sich nur noch die ältesten Einwohner von Klein Bartensleben erinnern können. Er stammte aus Hamersleben, war 1868 geboren und arbeitete als Bergmann auf den hiesigen Salzschächten. Er war Witwer und heiratete 1920 meine Urgroßmutter mütterlicherseits, die früh ihren Mann verloren hatte. Er hatte einen eigenartigen, bärbeißigen Humor, der ihm heutzutage sicher die eine oder andere Beleidigungsklage eingebracht hätte. So war er auch zu seinem Spitznamen gekommen. Jeder im Dorf kannte vor 50 Jahren die folgende Anekdote.
Unser Ortsteil Groß Bartensleben bestand früher nur aus dem Rittergut der Familie von Veltheim. Den zweithöchsten Rang nach dem „Rittmester“ Wilhelm von Veltheim bekleidete der jeweilige Inspektor, der Herr über den gesamten Gutsbetrieb war. Entsprechend wurde er geachtet und wohl auch gefürchtet. Allerdings nahmen die Klein Bartensleber als freie Bauern, Handwerker und Arbeiter es mit dieser Hochachtung nicht so genau.
Als Homann einmal mit seinem Maultiergespann über den Gutshof zuckelte, herrschte ihn der neue Inspektor an, was er hier zu suchen hätte und wer er eigentlich sei. Darauf antwortete ihm Homann in seiner gewohnten Art: „Mein Name ist Homann, wenn´e datt noch nich wettst, du olle Dussel!“ Ein unglaublicher Affront, von dem nicht überliefert ist, wie er ausging. Da Heinrich Homann diese Titulierung ständig und gegen jedermann verwendete, nannte „Ollen Dussel“.
Mit dem Maultiergespann durch die Dörfer
Eine andere Anekdote hat meine Mutter mit ihm selbst erlebt. Er war ja ihr Stiefgroßvater, aber sie nannte ihn „Onkel“. Als Rentner zog er mit seinem Maultiergespann über die Dörfer, fuhr Kohlen, sammelte wohl auch Schrott und Lumpen und erledigte andere Transporte. Auf einer solchen Fahrt, die etliche Dörfer weiter führte, begleitete ihn meine Mutter einmal als kleines Mädchen. Es fiel ihr auf, dass „Onkel“, als sie schon einige Dörfer hinter sich hatten, noch immer alle Leute grüßte und mit Namen ansprach.
Selbst in Dörfern, die sie nicht einmal dem Namen nach kannte ging es am laufenden Band: „Morjen Gustav, biste allwedder op de Beine?“ - „Guh´n Dach Minna, wat maakt denn dä Aanten?“ - „Na Fritze, bestell man mal´n schön´n Gruß an die´n Brauder!“ Nach einer Weile fragte Elfriede ganz ungläubig: „Sech mal Onkel, kennst du alle Lüh´e in alle Dörper?“ Worauf Homann antwortete: „Ach wat Mäken, ick kenne hier kein´n Minschen! Ick jewe dä´n Nam´n un late se loopen.“
Das Foto zeigt den „Ollen Dussel“ mit seinem Maultier irgendwann in den 1930er Jahren in Groß Bartensleben bei der Allerbrücke. Das Gebäude neben ihm ist die alte Allermühle, die jetzt in ihren letzten Zügen liegt. Das Haus dahinter mit dem hohen Schornstein ist die ehemalige Bäckerei und Gastwirtschaft Ahrens, in die Homann gern einkehrte. Hatte er einen über den Durst getrunken, überließ er sich vertrauensvoll seinem Maultier, das ihn ohne Weiteres sicher nach Haus brachte.