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Gewölbe Über 100 Jahre wurde hier Bier gebraut

Auf der Abrissbaustelle an der Havelberger Uferstraße, ehemals Gelände des VEB Rediko, gehen die Arbeiten zügig voran.

Von Wolfgang Masur 12.02.2016, 12:46

Havelberg l Große Mengen an Holz, Steine und Metall wurden getrennt abtransportiert, um Baufreiheit zu schaffen. Das zum Vorschein gekommene große Gewölbe sorgt für Fragen bei den interessierten Schaulustigen.

„Dieses Gewölbe muss aus der Zeit stammen, als dort noch eine große Brauerei ansässig war“, so Bernd Rosenhagen, der Enkel von Wilhelm Rosenhagen, dem später das Grundstück gehörte. Das kann auch die Havelberger Museologin Antje Reichel bestätigen. „Eine der größten und ältesten Brauereien Brandenburgs hatte im 19. Jahrhundert in der Langestraße 13 ihren Sitz. Über einhundert Jahre lang wurde dort Bier gebraut. Der Gewölberaum war die Darre. Zuvor war an diesem Standort eine Zuckerfabrik zu finden, zu der man sogar etwas im Zuckermuseum Berlin erfahren kann“, erzählt Antje Reichel.

Wikipedia erklärt den Begriff „Darre“ so: „Bei der Malzherstellung wird das Grünmalz als dritter Verarbeitungsschritt nach dem Weichen und Keimen auf der Darre getrocknet, das heißt gedarrt. Durch die Hitze und den damit verbundenen Entzug der Feuchtigkeit wird Malz nicht nur lagerfähig, sondern erhält auch sein typisches malziges Aroma.“

Bevor die Abrissbagger kamen, hat Antje Reichel mit einem Architekten und alten Zeichnungen noch ausführlich in der einstigen Brauerei recherchiert. Weiteres Historisches aus der Zeit des Elektrohauses Rosenhagen findet sich im Band 2 des Buches „Historisches Havelberger Allerlei“ von Wolfgang Masur. Hier ein aufgearbeiteter Ausschnitt:

Im Jahr 1919 kam Wilhelm Rosenhagen mit Ehefrau Olga nach Havelberg und 1926 erwarb er seinen zweiten Meisterbrief, nämlich den für das Handwerk der Elektroinstallation. Damit war der weitere Erfolg abgesichert.

Am Wochenende gönnte man sich auch mal Erholung und fuhr, zumal wenn Besuch im Hause war, mit dem erstandenen Pkw der Marke „Wanderer“ ins Grüne. Auf dem Grundstück, Langestraße 13 – dieses erstreckt sich bis zur Uferstraße –, betrieben zu dieser Zeit die Gebrüder Jerratsch eine Landmaschinenhandlung und eine Fertigung von verschiedenen Schiffsausrüstungen. Sie hatten das Grundstück 1920 von der Bürgerlichen brandenburgischen Brauhaus GmbH erworben und mussten es Ende der 20er Jahre wieder aufgeben.

Das Wachstum des Elek­trohauses von Olga und Wilhelm Rosenhagen, das zuvor in der Langestraße 9 (heute Augenarzt) zu finden war, hatte weiter an Fahrt gewonnen. Es stieß durch Platzprobleme an seine Grenzen, sodass sich der Erwerb der Immobilie Langestraße 13 anbot. Der Umbau begann etwa 1929 und endete um 1938 mit den Baulichkeiten an der Uferstraße. Weiterhin entstand an der Toreinfahrt, auf der Giebelseite des Havelhauses, in den 1930er Jahren eine Shell-Tankstelle.

Der Krieg kam in seine letzte Phase und Kurt, der Sohn von Wilhelm Rosenhagen, war zusammen mit mehreren Beschäftigten, wie Heinrich Stich und Erich Grünewald, dienstverpflichtet worden. Die Reparaturen, soweit wie irgend möglich, wurden in den überwiegend unterirdischen Betriebsstätten, das waren die Kellerräume der einstigen Brauerei, vorgenommen. In seinen Aufzeichnungen schreibt Kurt, dass ihnen dabei auch Professor Braun, Professor Hahn und Frau Dr. Geisenberg zu Gesicht gekommen waren.

Dem Senior fiel es nun wieder zu, sich um alle Geschäftsbereiche zu kümmern, zumal Sohn Heinz, der 1944 heiratete, diente. Zu dieser Zeit tauchten in Havelberg drei Schnellboote mit Hermann Göring an Bord auf, die bei Wilhelm Rosenhagen zu betanken waren. Vom Göring-Besuch hatten auch die Maurer erfahren, die zu dieser Zeit auf der gegenüberliegenden Ziegelei tätig waren. Sie wandten den vorbeifahrenden Schiffen den Rücken zu. Der Treibstoff wurde in Fässer gefüllt und auf die Boote gerollt.

Auch Goebbels soll Havelberg aufgesucht haben und machte den Julianenhof öfter zu seinem Domizil, da er sich dort vor Fliegerangriffen sicher fühlte. Für seine Spaziergänge sollen an abgedunkelten Wegen Ausleuchtungen installiert worden sein.

Hitler schaffte es nur, in einem Wagen der Reichsbahn bis Glöwen zu kommen.

Das Straßenbild in den letzten Kriegswochen war gezeichnet von an Krücken gehenden Soldaten aus dem Lazarett. Pferdewagentrecks mit Flüchtlingen aus den Ostgebieten und zerborstene Fensterscheiben nach dem Fliegerangriff auf die Ziegelei waren zu sehen.

In der Zeit kurz vor der Stunde Null flüchteten Olga Rosenhagen, Sohn Kurt mit Frau Elfriede und den Kindern Bernd und Sonnhild mit einem blauen Pkw der Marke „Wanderer“, Baujahr 1939. Über den Winkel der Haveldörfer gelangten sie in die Kamernschen Berge. Der Senior blieb mit Maria, dem dienstverpflichteten Mädchen aus Tschechien, und Frau Lucie Traub auf dem Grundstück in der Langestraße.

Die Russen durchwühlten alles und feierten mit dem vorgefundenen Alkohol und dem Spiritus, wobei der Senior zur Belustigung gezwungen wurde, ein Glas Essig zu trinken. Hierzu wird auf den Beitrag „Mein Havelberg“ in „Havelberger Regionalgeschichtliche Beiträge“, Band 6, 1998, Seite 144 ff., verwiesen.

Lucie Traub war die Frau des Vertreters der „REKOFA“ (Rheinische Kohlenbürstenfabriken Ahrweiler), Josef Traub. Er hatte sein Büro und das Lager wegen der Bombenangriffe von Berlin auf das Grundstück nach Havelberg verlegt. Versteckt auf den dortigen Böden – wie es hieß in der Darre –, überlebte seine Frau als Volljüdin das Inferno. Tragischerweise wurde sie nach Überstehen der Apokalypse im August 1945 zwischen Glöwen und Havelberg von einem russischen Militärfahrzeug totgefahren. Ob das mit Absicht geschah, ist bis heute nicht bekannt, aber es wurde damals so gemunkelt.

Die Darre wurde später noch anders genutzt, denn Wilhelm Rosenhagen war ein Freund der Tauben und so hatte er dort sein Federvieh untergebracht. In einem anderen Stall waren Fasane zu finden. Später, zu DDR-Zeiten, als der VEB Rediko eingezogen war, nutzte man sie nur noch als Abstellraum.

Der große Tank der Tankstelle am Havelhaus wurde damals von einer Maschinen-Ausleihstation (MAS), dem Vorgänger der Maschinen- und Traktorenstation (MTS), ausgebaut.