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Naturschutz Fledermaus-Idyll ist akut bedroht

Fledermaus-Experten in Aufruhr: Die Bestände des Abendseglers, der dem Camp in Havelberg seinen Namen gab, sind dramatisch eingebrochen.

Von Ingo Freihorst 18.07.2017, 01:01

Müggenbusch l Mit lediglich 61 gefundenen und abgefangenen Abendseglern verzeichneten die Experten vom „Arbeitskreis Fledermäuse Sachsen-Anhalt“ im 20. Jahr des Abendsegler-Camps zugleich den Tiefpunkt der Bestandsentwicklung. Im Vorjahr wurden 109 Abendsegler vorgefunden, 2014 waren es 149, im Jahr 2008 sogar noch 249. Der Rekord liegt bei 350 Tieren im Jahr 2011.

Arbeitskreis-Vorsitzender Bernd Ohlendorf und Organisator Peter Busse aus Sandau zählten gleich mehrere Gründe für den dramatischen Einbruch auf. So machte Peter Busse das lange kalte Frühjahr für den verspäteten Eisprung bei den Tieren verantwortlich, weshalb sie erst später Junge gebären konnten.

„Unser großes Problem ist jedoch, dass durch die Windparks zu viele Tiere getötet werden“ erklärte Bernd Ohlendorf. Die Tiere im Stadtwald sind sozusagen von Windparks umzingelt – im Norden der von Breddin und westlich der von Arneburg, zudem soll in der Wische ein weiterer entstehen.

Die Türme speichern die Wärme und geben sie in der Nacht, wenn die Fledermäuse ausschwärmen, wieder ab. Von der Wärme werden wiederum Insekten angelockt – die Nahrung der Fledermäuse. Um die 26 000 Windräder drehen sich in Deutschland, im Sommer tötet jede Anlage laut vorsichtigen Schätzungen monatlich um die zwölf Fledermäuse. Das können die Tiere nicht kompensieren: Wird ein Weibchen getötet, sterben mit ihm auch seine zwei Jungen.

„Schlagopfer“ heißen die Tiere, welche in Windparks zu Tode kommen – deren Dunkelziffer ist hoch. Denn viele Kadaver werden von Aasfressern vertilgt, ehe sie von Menschen gefunden werden. „Brandenburg hat jetzt sogar den Bau von Windparks in Wäldern erlaubt“, machte der Klietzer Joachim Steinborn auf eine weitere üble Neuigkeit aufmerksam. Auch der allgemeine Rückgang der Insekten macht den Tieren arg zu schaffen.

Im Vorteil sind standorttreue Arten wie die Fransenfledermaus. Diese kommt auch gut mit heißen Sommern zurecht, wenn andere Arten aus dem Wald flüchten: Sie ernährt sich zumeist von Spinnen.

„Es sieht also nicht gut aus für unsere Fledermäuse, besonders die Fernzieher“, konstatierte Bernd Ohlendorf. Der Erhaltungszustand all dieser Fernzieher sei in ganz Deutschland sehr schlecht. Das Camp am Forsthaus Rothe Haus bei Müggenbusch sei wie ein Langzeitmonitoring, wo man diesen Rückgang besonders deutlich verspürt.

Der Stadtforst selbst ist sehr fledermausfreundlich, beim Camp wurden von den 23 Teilnehmern insgesamt 467 Tiere von 12 Arten gefunden – ein recht guter Wert. Immerhin 137 Mückenfledermäuse wurden gefunden, die kleinste Art. Mit 119 sind auch die Fransenfledermäuse sehr viele, die Rauhhaut ist mit 113 Exemplaren dabei – sie ist auch im Sandauer Wald gut vertreten. Selbst fünf der seltenen Mopsfledermäuse fanden sich an. Weniger gut steht es neben dem Abendsegler auch um die Wasserfledermaus (hier fanden sich nur 14 Tiere) und das Braune Langohr (5) – das behalten die Experten im Auge.

Der Elb-Havel-Winkel, so viel steht fest, ist auf jeden Fall ein Fledermaus-Hotspot. Allerdings ein arg bedrohter.