Freie Schule Kunst geht auch mit Mathe
Seit Schuljahresbeginn läuft es gut an der Freien Schule in Kamern. 14 Kinder sind die ersten Schüler an der neuen Schule.
Kamern l Frühstückspause in der Freien Schule Elbe-Havel-Land Kamern. Die Kinder packen ihre Brote aus, holen sich Tee und naschen vom frisch aufgeschnittenen Obst, das auf den Tischen steht. Sie plaudern auch mit ihren Lehrern. Als alles aufgegessen und die Tische abgeräumt sind, geht’s raus an die frische Luft. Auf dem Hof und im angrenzenden Wald lässt es sich prima toben. Genug Sauerstoff für den nächsten Unterricht.
Kunst mit Rainer Trunk steht auf dem Stundenplan. „Dabei machen wir auch Mathematik und Sachkunde“, sagt der Lehrer. Vor ihm liegt ein großer Bogen Pappkarton, auf dem Tisch ist diverser Müll verteilt. „Eure Phantasie ist gefragt“, sagt er und erklärt, dass ein Straßenzug konstruiert werden soll. Doch was ist ein Straßenzug? Ein Zug, der auf der Straße fährt? Eine Straßenbahn? Nein, es ist eine Straße mit ihren Häusern, Kreuzungen, Wegen, Bäumen, Parks und was es sonst noch geben könnte. In Zweiergruppen gehen die Kinder ans Werk. Zunächst machen sie sich Gedanken, wie ihr Straßenzug aussehen soll. Dann zeichnen sie einen Grundriss und bauen aus Kartons, Blechbüchsen, Joghurtbechern und Eierpappen Häuser und mehr. Benötigen sie Hilfe, stehen ihnen ihre Lehrer Corrie Tiddens, Lara Bierwald und Rainer Trunk zur Seite.
Die Stunde ist nur ein Beispiel für den fächer- und jahrgangsübergreifenden Unterricht an der Freien Schule, die zum Schuljahresbeginn 2018/19 endlich starten durfte. 14 Kinder von der 1. bis zur 3. Klasse lernen nach dem ganzheitlichen und reformpädagogischen Schulkonzept, bestimmen die Lerninhalte mit, arbeiten selbständig und handlungsorientiert, projektbezogen und inklusiv.
Wie das geht, berichten Martha und Helen, die in diesem Jahr zur Schule gekommen sind. Sie erzählen vom Aquarium, das sie gemeinsam gebaut und mit Pflanzen und Fischen gefüllt haben, von den Schweinen und Hasen, die die Kinder als Paten übernommen haben, von den Schatzkarten, die sie so präparieren, dass sie alt aussehen, vom Tag im Wald und vom Lerngruppenrat. Der legt fest, was in der Woche zu tun ist. In eine Box können die Kinder Zettel stecken mit ihren Wünschen oder dem, was ihnen nicht gefällt.
Die Mädchen zeigen ihre Lernhefte für Deutsch und Mathematik. Sie schreiben bereits kleine Geschichten. „Dafür gehen wir mit Corrie auch raus.“ Martha mag Rechtschreibung und Kunst am liebsten, Helen Mathe. „Im Herbst machen wir eine Leseübernachtung und jetzt bereiten wir unser Herbstfest mit dem Tag der offenen Tür vor. Dafür haben wir Gruppen gebildet, die zum Beispiel für die Führungen, für Kuchen und Getränke und fürs Basteln verantwortlich sind.“
Am Freitag, 16. November, öffnen sich die Türen der Schule ab 14 Uhr. Dann können sich Besucher in den Werkstätten umschauen und mit Pädagogen, Kindern und Eltern über die Erfahrungen in den ersten Schulmonaten und die Vorhaben der Schule sprechen. Es wird gebastelt, gebacken und am Lagerfeuer gekocht. Die Kinder haben Überraschungen vorbereitet. Keramik-, Filz- und Färbe-, Umwelt-, Musik- und Theater- sowie Technik- und Informatikwerkstatt gehören zu den Angeboten der Schule.
Die Öffnung des Unterrichts, eine methodische Vielfalt und das prozesshafte Lernen sind wichtig. Das hat die Vorsitzende des Trägervereins der Schule „neugierig“ Stefanie Wischer gerade erst wieder bei einer Weiterbildung mit Prof.Dr. Michael Gebauer an der Uni in Halle für Grundschullehrer bestätigt bekommen. Ein Vierstufenmodell sieht die organisatorische, methodische, inhaltliche und soziale Öffnung der Schule vor. Nicht das Ergebnis steht im Vordergund, sondern die persönlichen Fortschritte des Kindes. „Die Aufgabe des Lehrers ist es, das Kind da abzuholen, wo es ist, es zu begleiten, Ideen zu entwickeln und verschiedene Lösungswege anzubieten“, sagt Stefanie Wischer und sieht die Freie Schule auf dem richtigen Weg. „Wie gut es geht, in der Gruppe zu lernen, hat sich bereits gezeigt. Die ersten Monate seit Schuljahresbeginn waren zwar sehr anstrengend für die Pädagogen und mit langen Tagen verbunden. Doch man kriegt so viel von den Kindern zurück. Es macht viel Spaß.“
Nach dem Kunstunterricht steht die zweite Pause an. Die liebste aus Sicht von Odin. „Weil wir da unsere Tiere füttern“, begründet der Siebenjährige, der den Hasen Gustav als Patentier hat. Clara kümmert sich gern um Rüssel. Das ist ein weißes Schwein. „Wir füttern und pflegen unsere Patentiere und bringen ihnen Kunststücke bei.“ Die ersten Fortschritte sind gemacht: „Egal welcher Hase, Männchen machen können sie alle schon“, sagt Helen.