Geschichte der DDR Schüler fragen, wie es damals war
Wie war es damals in der DDR? Schüler der Havelberger Sekundarschule wissen seit dem Projekt „Erzähl mal ...“ einiges mehr.
Havelberg l Weil sie ihrer Tochter einen Aufnäher mit den Worten „Schwerter zu Pflugscharen“ auf die Jacke genäht hatte, bekam diese in der Schule richtig Probleme. Nicht vorstellbar für die Jungen und Mädchen der jetzigen Klasse 10 der Havelberger Sekundarschule „Am Weinberg“, was Jutta Hubeny über die DDR erzählt hat. Die Havelbergerin gehörte zu den zehn Zeitzeugen, die sich am Projekt „Erzähl mal ...“ beteiligt haben.
Initiiert hat es Vikar Benjamin Liedtke, der am Dom den praktischen Part seiner Ausbildung zum Pfarrer absolviert. Das Ergebnis ist eine digitale Ausstellung in der Stadtkirche auf der Altstadtinsel. Wer mit dem Smartphone die an verschiedenen Plätzen des Gotteshauses ausgehängten QR-Codes einliest, kann sich die einzelnen Geschichten herunterladen. Themen sind: Kirchenjugend in der Stadtkirche zu laut!, Blühender Schwarzmarkt in der Mangelwirtschaft, FDJ an Theologischer Fakultät, Kirchenzugehörigkeit als Berufshindernis, Schulzeit als Flüchtlingskind, Schwierigkeiten als Pfarrerskind, Fehlschlüsse der Stasi, Kein Postgeheimnis, Religiöse Symbole in der DDR, Stasi analysiert haarklein, Spitzel und Bespitzelte, Zum Theologiestudium delegiert und Strafenwillkür in der Schule.
Während der Schulprojektwoche vor den Sommerferien wurde intensiv an dem Vorhaben gearbeitet. Die Schüler hatten sich Fragen überlegt, anhand derer sie von ihren Interviewpartnern Wissenswertes zur DDR-Zeit erfahren wollten. Die Gespräche, die in Gruppen stattfanden, wurden per Videokamera aufgezeichnet. Für die digitale Ausstellung wurden einzelne Themen herausgenommen und der Besucher der Stadtkirche kann sie sich anhören.
„Ich bin Herrn Liedtke sehr dankbar für diese Idee. Denn für den Geschichtsunterricht haben wir nur eine Stunde in der Woche, das reicht nicht, um intensiv in die Geschichte der DDR einzusteigen. Durch die Interviews haben die Schüler konkrete Erlebnisse und Ereignisse erfahren, das bereichert den Unterricht sehr“, sagte Lehrerin Karin Lingelbach, als sich Schüler und Interviewpartner im neuen Schuljahr zur Auswertung in der Kirche trafen. Sie bedankte sich nicht nur bei den Zeitzeugen für die Bereitschaft zu den Gesprächen, sondern auch bei ihren Schülern, die vier Tage konzentriert gearbeitet haben. „Ihr habt alle euer Bestes gegeben.“
Das lag wohl daran, dass das Thema und die Art der Aufarbeitung, sich Geschichte selbst zu erschließen, den Schülern sehr gut gefallen hat. Darüber berichteten Milena Eilers, Kai Fehre, Marc Kämmerer, Philip Valente und Martin Gorges in der Auswertungsrunde.
Wolfgang Stephan, der 36 Jahre als Polizist in der DDR arbeitete, hatte berichtet, dass ihm nahe gelegt wurde, aus der Kirche auszutreten, wenn er in den Polizeidienst eintreten will. Auch in ihre Stasi-Akten gewährten die Zeitzeugen Einblick. Jutta Hubeny zum Beispiel stand unter strenger Beobachtung der Behörde, weil sie den Kontakt zu ihren Eltern und zu ihrer Zwillingsschwester im Westen nicht aufgeben wollte. Und auch Pfarrer i.R. Ulrich N. Wolff hat einiges Negatives erlebt in der DDR. „Die Kirche ermunterte die Menschen zur freien Meinungsäußerung. Das war in der DDR nicht gewünscht.“ Als Theologiestudent hatte er an der Fakultät in Leipzig damals eine FDJ-Gruppe gegründet – mit dem Gedanken, mitgestalten zu wollen. Als es aber 1961 nach dem Mauerbau darum ging, in die Armee einzutreten und die Studenten das ablehnten, wurden sie von der Stasi verhaftet.
Die in der Ausstellung präsentierten Texte sind kurze Ausschnitte, die das Leben in der DDR widerspiegeln. Zurzeit sind sie nur dort und nur per Smartphone zu hören. Der Wunsch der Zeitzeugen und sicher auch anderer Interessierter in Havelberg ist es, sie zum Beispiel bei einem Vortragsabend zu hören. Eine Idee, die Benjamin Liedtke gut findet.