Infoveranstaltung Viele Fragen zu "Natura 2000"
Auf Interesse stieß die Informationsveranstaltung zum an Elbe und Havel geplanten Schutzgebiet im Schönhauser Bürgerzentrum.
Schönhausen l Eingeladen hatte der Bau- und Wirtschaftsausschuss des Verbandsrates, Vorsitzender Bernd Bleis begrüßte als fachkundigen Referenten Torsten Pietsch vom Landesverwaltungsamt aus Halle. Dieser informierte vorab, dass die Pläne für den Natura-2000-Entwurf noch bis zum 4. Dezember – und damit insgesamt acht Wochen – im Verwaltungsamt ausliegen. Stellungnahmen kann man per Mail übers Internet oder als Brief einsenden. Im Internet finden sich auch die Karten und Regelungen – für Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei und Gewässerunterhaltung.
Ob der Antragsteller auch eine Antwort vom Amt erhält, wollte Göran Fenn aus Klietz wissen. Bei eingesandten E-Mails sowie bei Briefen gibt es Antworten. Sollte es in bestimmten Bereichen massive Änderungen geben, werde der Entwurf nochmals der Verbandsgemeinde vorgestellt.
Unberührt von der geplanten Verordnung sind bestehende Anlagen wie Angelstege, Zuwegungen, Schneisen im Röhricht, Radwege oder Wochenendhäuser. Gleiches gilt für die Bundeswehr (diese untersteht dem Bund), für Sanierungen an den Deichen oder den Katastrophenschutz – so darf bei einem Brand die Feuerwehr in das Schutzgebiet fahren. Unklar ist jedoch, wer für eventuelle Folgekosten aufkommt, musste der Referent auf Nachfrage einräumen.
Nicht nur das Land Sachsen-Anhalt ist mit der Ausweisung seiner Schutzgebiete in Verzug, weshalb im Februar 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland von der EU eröffnet wurde. Im vierten Quartal kommenden Jahres soll der überarbeitete Entwurf der Natura-2000-Landesverordnung dem Kabinett vorgelegt werden, frühestens 2019 könnte diese dann in Kraft treten.
Vogelschutzzonen (SPA) haben einen hohen Schutzstatus, weshalb dort das Baden verboten ist. Doch es gibt Ausnahmen: bestehende Badestellen sind freigestellt. Darum ist das Amt auf Hinweise aus der Region angewiesen, in Bereich der Einheitsgemeinde Havelberg wurden etliche dieser Badestellen schon ausgegrenzt.
„Darf man umgekippte Bäume, welche im Deichvorland liegen, dann noch wegräumen?“ Das wollte Tobias Koch vom Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) wissen. Solche Bäume können bei Hochwasser zur Gefahr für den Deich werden. Diese können fortgeschafft werden, bekam er zur Antwort.
Der Schönhauser Gottfried Bauch wies darauf hin, dass man nur auf öffentlichen Wegen ins Schutzgebiet fahren könne, solche gebe es aber in der Gemarkung nicht. Für die Angler werde eine Erweiterung der Regelung geprüft, wonach sie die Wege nutzen können, wenn der Eigentümer zustimmt. Gleiches gelte für Pachtgewässer, wenn es nur eine Zuwegung gibt.
In dem Zusammenhang wies Torsten Pietsch darauf hin, dass bereits seit längerem das Befahren von Feld- und Waldwegen mit Kraftfahrzeugen verboten sei. Unbenommen sei das Befahren von Deichkronen mit dem Rad – sie liegen in der Hoheit des LHW.
Das Verbot von Nachtangeln und Campen in Vogelschutzzonen wurde in Abstimmung mit dem Angelverband spezifiziert: Der Wetterschutz ist nunmehr beim Angeln freigestellt. Die Regelung, wonach an der Elbe nur alle 500 Meter geangelt werden darf, wird gekippt. Stattdessen sollen zwischen Mitte April und Ende Juli nur besonders sensible Uferbereiche gesperrt werden, welche im Zuge der Ausweisung noch festzulegen sind. Die am meisten von Anglern genutzten Strecken sollen dann außen vor bleiben.
Warum werden ausgerechnet jetzt solche Schutzgebiete ausgewiesen, kam eine Frage. In Europa habe man erkannt, dass die bisherigen Regelungen nicht ausreichen: Im Gegensatz zu 1979 seien manche Vogelpopulationen um 80 Prozent zurückgegangen, dramatisch ist auch das Insektensterben, dort sind die Zahlen ähnlich alarmierend.
Oftmals sehe er Karawanen von Autos, Wohnwagen und Zelten an der Havel. – Wer kontrolliert die Einhaltung der Regelungen?, wollte Burghard Meier aus Melkow wissen. Gleiches gelte für den hohen Stickstoffgehalt in den Gräben, weshalb diese arg verkrauten. Die Kontrolle obliegt dem Landkreis, kam die Antwort.
Zur Grabenmahd gab Alexander Helm vom LHW aus Havelberg zu bedenken, dass der dafür vorgeschriebene Zeitraum – 15. Juli bis 31. Oktober – zu eng sei. Dieses Jahr musste von Juni bis November gemäht werden, überhaupt begann die Mahd in den letzten zwölf Jahren immer schon im Juni. Sollte eine Verlängerung nötig sein, muss dies fristgemäß angezeigt werden, antwortete Torsten Pietsch.
In dem Zusammenhang wies Verbandsbürgermeisterin Steffi Friedebold daraufhin, dass laut Verordnungsentwurf das Mähgut innerhalb einer Woche abgefahren werden muss. Auch dürfe nur spezielle Technik zur Mahd genutzt werden. Das alles verursache dem Unterhaltungsverband höhere Kosten und muss auf die Flächeneigentümer umgelegt werden. Hierzu bekam sie zur Antwort, dass bestimmte Dinge wie Technik gefördert werden können.
Eine weitere Frage von Steffi Friedebold bezog sich auf Veranstaltungen im künftigen Schutzgebiet. Haben die Entscheider in den Landkreisen dann einen Ermessensspielraum oder gelten für das Bundesland einheitliche Regeln? Sie befürchtet, dass eine Veranstaltung, die eine lange Vorbereitungszeit benötigt, ansonsten kurz vorher untersagt werden kann. Im Erläuterungsbericht zur Verordnung werden solche Dinge bis ins Detail geregelt, erfuhr sie. Zwar bedürfen solche Veranstaltungen wie der Pferdemarkt in Havelberg einer Erlaubnis, doch werde man dies nur einmal prüfen und dann genehmigen.
Könne man die Schutzgebietsflächen nicht auch mit den betroffenen Flurstücken unterlegen, wollte Bernd Bleis wissen. Denn deren Wert wird durch den Schutzgebietsstatus gemindert, was Landwirte beim Finanzamt geltend machen können. Das werde erst nach Inkrafttreten der Verordnung möglich sein, erklärte Torsten Pietsch. Er verlange dies seit 1998 vom Biosphärenreservat Mittelelbe ebenfalls – bislang leider ohne Erfolg, berichtete der Landwirt Gottfried Bauch ergänzend.
Dass durch „Natura 2000“ hohe zusätzliche Kosten – zum Beispiel für die Ausschilderungen – auf die Verbandsgemeinde zukommen, befürchtete der Klietzer Torsten Peters. Dies sei Aufgabe der Naturschutzbehörden, erwiderte der Referent. Die Beschilderungen in Form von Piktogrammen werden eventuell auch noch mit QR-Codes für Smartphones versehen.
Um den Tourismus in der Seegemeinde sorgte sich Kamerns Bürgermeister Arno Brandt: Das Bootfahren sei auf dem See bis zum 30. Juni verboten, hatte er im Entwurf gelesen. Mit einem Verbot von Motorbooten könne er noch leben, aber muss dies auch für Paddler oder Handkähne gelten? Diese Regelung wird noch im Sinne Kamerns überarbeitet, die touristische Nutzung des Sees war dem Hallenser Amt nicht bekannt.
Die Begrenzung bei Aktionen im Schutzgebiet auf maximal 25 Personen fand Göran Fenn wenig hilfreich: Dann müsste womöglich eine Schulklasse geteilt werden. Solche Anzahl ließe sich besser beaufsichtigen, aber auch hier könnte es Nachbesserungen im Entwurf geben, antwortete der Referent.
Sebastian Heinike lenkte die Diskussion auf ein anderes Thema: Die Bestände bei den Vögeln sind sicher auch dadurch eingebrochen, weil sich Prädatoren wie Mink und Waschbär ungehemmt vermehren. Solange es ihnen nicht rigoros an den Kragen geht, scheint jeder Schutz sinnlos.
Das unterstrich auch Gernot Quaschny aus Hohengöhren. Nötig seien vor allem hohe Fangprämien. Vor etlichen Jahren hatte er beim Hegefischen am Schelldorfer See noch die Rohrdommel gehört. Jetzt steht der See zwar unter Naturschutz – aber die Waschbären haben unter der Vogelwelt mächtig aufgeräumt.