Festveranstaltung des Christlichen Jugenddorfs Billberge anlässlich des 20-jährigen Bestehens Leitbild lautet: "Keiner darf verloren gehen"
Im Musikforum der Katharinenkirche Stendal hatten Mitarbeiter und Lehrlinge des Christlichen Jugenddorfes (CJD) Billberge am vergangenen Freitag das 20-jährige Bestehen der Einrichtung gefeiert. Jugenddorfleiter Hans-Ulrich Börnge begrüßte Gäste aus der Region und aus anderen Jugenddörfern zu der Festveranstaltung.
Tangermünde. 20 Jahre sind keine lange Zeit. Doch ein Blick zurück auf das Jahr 1991 zeigt, wieviel sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten verändert hat.
Sehr anschaulich stellte das Pfarrer Hartmut Hühnerbein, Sprecher des CJD-Vorstandes, am Freitag während der Festveranstaltung in der Stendaler Katharinenkirche dar. Vor 20 Jahren war der Startschuss für das Christliche Jugenddorf in dem kleinen Ortsteil von Storkau gefallen. Wobei Storkau selbst auch kaum größer ist als der Ortsteil. Deshalb "hatte ich Billberge erst gar nicht gefunden", erinnerte sich der Pfarrer in seiner Festrede. Doch er sei damals mit den neuesten technischen Errungenschaften ausgestattet gewesen, "einem Kasten, in dem ich ein mobiles Telefon mit mir führen konnte und eine elektronische Schreibmaschine, die eine Speicherkapazität von zehn Briefen besaß". Pfarrer Hühnerbein weiter: "Damals war ich 42 Jahre alt; Herr Wulfänger, Sie waren 28. Damals arbeiteten wir nach dem Motto: Was geht? Heute heißt es: Geht noch was?"
Denkt Hartmut Hühnerbein an diese Zeit zurück, so "bin ich dankbar all den Menschen, die dort etwas bewegt haben." Entscheidend bei all den Aktionen sei, dass den "jungen Menschen eine Chance für ihr Leben gegeben wird, sie Arbeit finden, in ein eigenständiges Leben gehen." Weshalb es dem CJD so oft gelinge, vielfach abgeschobene und als hoffnungslose Fälle eingestufte Jugendliche zu integrieren, auch darauf hatte der Vorstandssprecher eine Antwort: "Wir trauen den jungen Menschen etwas zu."
"Wir trauen den jungen Menschen etwas zu"
Die ersten Schritte des CJD im kleinen Billberge hatte Bernd Roth geleitet. Von 1991 bis 2004 war er hier Leiter gewesen. "Ihm zu Ehren haben wir 2005 sogar einen Rot-Ahorn bei uns gepflanzt", berichtete Einrichtungsleister Hans-Ulrich Börnge während der Feierstunden. Er hatte 2004 die Nachfolge von Roth angetreten, leitet seither die Geschicke der Wohn- und Lehrstätte für junge Menschen mit Lernschwierigkeiten.
Das Christliche Jugenddorfwerk, deutschlandweit vertreten und Mitglied im Diakonischen Werk der evangelischen Kirchen Mitteldeutschlands, nennt sich heute "die Chancengeber". Dieses Motto griff Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg auf. Als Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werkes erinnerte er daran, "dass wir eine Kultur des Hinschauens brauchen, anderen Menschen helfen müssen, wenn sie danach verlangen."
Auch Carsten Wulfänger, 2. Beigeordneter des Landrates, griff ein Motto des CJD auf. Es heißt: Keiner darf verloren gehen. "Das umzusetzen, ist enorm schwierig", sagte Wulfänger und erinnerte zugleich an die ersten Schritte, die Landkreis und CJD gemeinsam gegangen waren. Für 250 000 Mark hatte das CJD Wolfsburg damals die Anlagen in Billberge gekauft, in den Jahren danach viele Millionen investiert. "Was wäre Billberge heute ohne das CJD?", fragte Carsten Wulfänger. Zu keiner Zeit hätten hier mehr als 110 Menschen gelebt. Auch heute gibt es nur Leben im Ort, weil etwa 70 junge Menschen hier lernen und leben, Ausbilder und Erzieher hier arbeiten. "Das CJD hat hier in den 20 Jahren Geschichte geschrieben", so Wulfänger. Die Verantwortlichen hätten Willen bewiesen und sich stets neuen Herausforderungen gestellt.
Mit der "personellen und inhaltlichen Kontinuität haben Sie großen Anteil daran, dass das CJD großes Vertrauen in der Öffentlichkeit besitzt", brachte es Wulfänger auf den Punkt. In Anbetracht des demografischen Wandels fügte er hinzu: "Wir sind darauf angewiesen, dass jeder heute eine Arbeit findet."
"Klappt die Arbeit mit den Eltern, ist der Erfolg am größten"
Und dafür sorgen die Mitarbeiter des Christlichen Jugenddorfes seit 20 Jahren. In der Einrichtung haben seither mehr als 1000 junge Männer und Frauen eine Berufsausbildung erhalten. Viele von ihnen haben aufgrund einer Lernbehinderung keinen Schulabschluss, können deshalb keine normale Lehre aufnehmen. Einige kommen auch nach etlichen schulischen und beruflichen Fehlschlägen nach Billberge. Das Konzept und die intensive Arbeit mit den Jugendlichen nach der Schule sowie am Arbeitsplatz machen es möglich, hier innerhalb von drei bis vier Jahren den Weg in ein selbständiges Leben zu ebnen. "Wo die Arbeit mit den Eltern klappt, ist der Erfolg um so größer", sagte Börnge.
Jede Menge Unterstützung hatte das Jugenddorf besonders in den ersten Jahren von Storkaus Ortsbürgermeisterin Sabine Augustin erhalten. "Sie haben uns immer unterstützt, auch gegen den Willen des Gemeinderates", erinnerte sich Börnge am Freitag. Sabine Augustin selbst ließ die ersten Jahre mit dem CJD Revue passieren, erinnerte an den Zustand des kleinen Ortsteils vor 20 Jahren und machte deutlich, wieviel in den zwei Jahrzehnten geschaffen wurde. "Sie ließen die kleine Ortschaft erblühen", sagte sie, wünschte der Einrichtung eine gesicherte Zukunft und sorgte zugleich dafür, dass es blühend in Billberge weitergeht. "Ein wilder Apfelbaum soll bei Ihnen seinen Platz bekommen", sagte sie. Mittlerweile ist der Standort für das große Gewächs festgelegt.
Auch gab es zur Feierstunde noch ein weiteres Geschenk. Werner Wenk, Geschäftsführer des CJD Gera, und Prokuristin Dr. Lange hatten ein Kreuz aus Metall, verbunden mit dem CJD-Schriftzug, mitgebracht. In der kleinen Kapelle von Billberge soll es seinen Platz bekommen.
Die Feierstunde nutzte Börnge, um Ämtern, Institutionen und vor allem Firmen der Region zu danken, die in den vergangenen Jahren finanzielle und materielle Hilfe geleistet hatten beziehungsweise immer wieder dazu bereit waren, junge Menschen in ihren Arbeitsalltag zu integrieren, ihnen die Chance auf ein eigenständiges Berufsleben zu bieten. "Sie sind bereit, jeden Tag mit unserem Klientel neu anzufangen."