Wervolles Havelberger Zeitzeugnis ist nun Eigentum des Prignitz-Museums Schützenscheibe aus dem Jahr 1924 hatte viele Jahre in der Gartenlaube gestanden
Das Havelberger Prignitz-Museum ist seit einigen Tagen um ein wertvolles Ausstellungsstück reicher. Eine Schützenscheibe vom Pfingstschießen 1924 der "Schützengilde Havelberg" wurde mithilfe von Havelberger Bürgern erworben.
Havelberg l Die historische Schützenscheibe, die einen Durchmesser von 70 Zentimetern hat, wurde zu einem kleinen Tischchen umgebaut. Zwischen den Tischbeinen befindet sich ein Fach mit einer kleinen Glastür. Zum Neuerwerb zählt auch noch ein historischer Stuhl. Der Havelberger Michael Jurjanz, der Mitglied in der "Schützengilde Havelberg von 1393" ist, hat mit zum Erwerb beigetragen. "Ich hatte mich beim letzten Pferdemarkt mit dem ehemaligen Bäckermeister Klaus Röhr ausführlich über das Schießen, die Schützengilde und den Schießsport im Allgemeinen unterhalten. Beim diesjährigen Domfest sprach der Bäckermeister mich an und erzählte mir, dass er jemanden kenne, der eine Schützenscheibe aus Havelberg besitzt", schildert Michael Jurjanz die Anfänge.
Der Besitzer der Schützenscheibe, Peter Knoke, wohnt in Wittenberge und Michael Jurjanz nahm zu ihm Kontakt auf. Er fuhr hin und besichtigte das wertvolle Stück. "Ich war natürlich hellauf begeistert, denn so etwas sieht man ja nicht alle Tage." Nach einer Absprache mit dem Leiter der Museen des Landkreises Stendal, Frank Hoche, übernahm Museologin Antje Reichel die Verhandlungen mit dem Besitzer und erwarb die Schützenscheibe in Tischform. Sie stand in der Gartenlaube und war - als zusätzlichem Schutz - über die Glasplatte noch mit einem Tischtuch belegt.
"Das ist ein Stück von unschätzbarem Wert, da es auf die Schützengilde von Havelberg zurückführt und weil es aus der Zeit der Inflation stammt. Beim Pfingstschießen 1924 wurde Friedrich (Fritz) Knoke Schützenkönig und erhielt die Scheibe. Vermutlich wurde sie von einem Havelberger Tischlermeister zum Tisch umgebaut", erklärt Antje Reichel.
Unter den Namen der etwa 40 Schützen, die auf der Schützenscheibe verewigt sind, befindet sich nämlich auch der des Havelberger Tischlermeisters Otto Stamer. Er betrieb Anfang 1900 in der Langestraße 16 seine Tischlerei. Weitere bekannte Namen von Havelberger Bürgern, die zu dieser Zeit der Schützengilde angehörten, stehen mit Zahlen versehen auf der Schützenscheibe. Diese Zahlen sind dann noch einmal neben den Einschusslöchern der jeweiligen Schützen zu finden.
In der Tischmitte ist der Geldschein "Eine Rentenmark" aufgeklebt. Die Rentenbank begann am 15. November 1923 die Rentenmark als neues Zahlungsmittel herauszugeben. Der Wechselkurs einer Rentenmark war mit einer Billion Papiermark festgelegt worden. Weitere Geldscheine der Inflation, die durchschossen sind, zieren die Tischplatte.
Der Hinweis "Die Scheibe, die den König ehrt, war 1923 7.765.531.500.00 Mark wert" wurde um den mittleren Schein herum vermerkt. Eine stattliche Zahl, zu der Antje Reichel noch einiges ergänzen konnte. Sie hatte aus dem Archiv die Ausgabebelege der Schützengilde von 1923 herangeholt. Im Beleg Nr. 47 war darin festgehalten, dass für einen Blumenstrauß zur Silberhochzeit des Kameraden Otto Gerlof 2000000000 Mark ausgegeben wurden.
Unter den zahlreichen Informationen auf der Tischoberfläche findet man natürlich auch noch das Wichtigste: den Namen des Schützenkönigs Friedrich Knoke. Er hatte die Schützennummer 34 und das Einschussloch befindet sich genau in der Mitte der Schießscheibe. Der 1. Ritter - diese Bezeichnungen für die Nächstplatzierten gibt es heute noch - wurde 1924 Gottfried Jerratsch und der 2. Ritter Otto Stamer. Schaut man weiter in die Historie der Domstadt Havelberg zurück, könnte das kleine Tischlein des Schützenkönigs auch in der Gaststätte, die Friedrich Knoke in den 1920er Jahren in der Langestraße 1 betrieb, gestanden haben. Die Schützenfeste wurden traditionell im Schützenhaus Mühlenholz gefeiert. Einer Zeitungsanzeige konnte man das Großereignis, das am Abend mit einem festlichen Ball gefeiert wurde, entnehmen.
Das neue Exponat wird in der Stadtgeschichte zu den besonderen Stücken hinzugestellt. Zum Monatsende will sich Peter Knoke noch einmal das Tischlein von seinem Großvater anschauen. Mit der Familie besucht er dann das Prignitz-Museum.