Jahrestag Zum Kriegsende lag Sandau in Trümmern
Im Sandauer Kirchturm informiert eine Ausstellung über den Beschuss der Stadt im April 1945 sowie den geplanten Wiederaufbau.
Sandau l Wie kein anderer Ort in der Umgebung hatte die Stadt Sandau besonders unter den Kämpfen der letzten Kriegstage zu leiden. Des Kriegsendes wird am 8. Mai um 17 Uhr mit einer Kranzniederlegung am polnischen Ehrenmal gedacht.
Schuld am tagelangen Beschuss der Elbestadt waren fanatische Nazis gewesen: Die Amerikaner schickten, bevor sie losschlugen, immer Parlamentäre. Im Sandauer Wald war allerdings die als besonders fanatisch bekannte Waffen-SS verschanzt, welche die Parlamentäte unter Feuer nahm und einen von ihnen tötete.
Das hatte der inzwischen verstorbene Havelberger Pfarrer Hanns-Joachim Fincke kurz nach dem Krieg von einem Verwundeten erfahren. Zudem wurden bereits gehisste weiße Fahnen in der Stadt wieder eingezogen, wofür der Stadtkommandant unter Androhung der Todesstrafe sorgte.Er war es auch, der die angebotene Kapitulation ablehnte.
Die ersten Schüsse fallen am 13. April 1945 um 13 Uhr auf das bislang unversehrte Städtchen. Es sind amerikanische Panzer am anderen Elbufer, welche das Feuer eröffnen. Die Geschosse schlagen auf dem Fährdamm ein, der Fährmann setzt rasch nach Sandau über. Danach werden die beiden Mühlen unter Beschuss genommen.
Am 14. April, einem Sonnabend, schießt um 9.30 Uhr erstmals die Artillerie auf Sandau, das Kirchturmdach zersplittert. Anderntag um 11 Uhr geht der Beschuss weiter, der Turm verliert seinen Helm. Das Rathaus liegt am 16. April unter Beschuss, vier Häuser werden zerstört. Am 17. April ist die Steinstraße dran, am 18. April folgt das gesamte Stadtzentrum mit Stein-, Schleusen- und Stavenstraße.
Am letzten „Führergeburtstag“, dem 20. April, sind Büsche und Rosen schwarz von Flugasche. Tiere krepieren qualvoll, denn die Panzersperren verhindern ihr Entkommen. Überall liegen umgestürzte Bäume und Strommasten umher. Die Sandauer flüchten in die Feldmark oder zu Verwandten in umliegende Orte.
Otto Bierfreud, Wolfgang Bohn, August Cunow, Karl Draht, Willi Herkt, Manfred Herm, Max Kuckenburg, Georg Neumann, Adolf Piehl, Adolf Plank, Max Siebert, Heinrich Schmücker, Karl-Richard Schneider und Richard Wegener starben direkt beim elftätigen Artilleriebeschuss oder kurz danach an ihren Verletzungen. Allein sechs der Genannten fielen am 17. April beim Löschen – ihre Motorspritze erhält einen Volltreffer. Mit vorgehaltener Pistole waren sie zum sinnlosen Löschen gezwungen worden.
Das 18. Regiment der 6. polnischen Panzerdivision erreicht am Morgen des 4. Mai die Elbe südlich von Sandau. Östlich davon stößt das 16. Regiment jedoch auf starken Widerstand. Erobert wird Sandau schließlich mit Hilfe sowjetischer Verbände der 212. Division des 80. Korps der 61. Armee, welche aus Havelberg kommend vorstoßen. Zwischen Sandau und Schönfeld ist nun „feindfreies Gebiet“.
Im Buch „Das Wissen der Region“ schreibt Pfarrer Hartwig Janus über den Beschuss. Er stützt sich dabei auf zwei Zeitzeugen: Ernst Busse und Rosel Warnstedt mussten den fast völligen Untergang ihrer Stadt miterleben. „Am Montag, 16. April, begann dann der Artilleriebeschuss ohne Pause, aber richtig“, erinnert sich der Senior. Die Familie hatte sich im Garten einen Bunker aus Weidepfählen und Erde gebaut, er bot zwar Schutz gegen Granatsplitter – bei einem Volltreffer aber wären alle tot gewesen.
Als der ganze Ort brennt, müssen auch Busses flüchten – doch Panzersperren verhindern die Durchfahrt des Fuhrwerks. Ein Ausweg findet sich schließlich am Schloss, doch auch hier blockieren umgestürzte Lichtmasten und Bäume die Wege. Durch den Jederitzer Wald führt die nächtliche Flucht bis nach Kuhlhausen.
Von dort blickt der damals 12 Jahre alte Ernst Busse in Richtung Sandau: „Am Horizont – alles blutrot!“