Jahrestag Mauerfall Bettlaken als Tarnung für die Flucht
Der Grenzöffnung in Böckwitz vor 28 Jahren gedachten die Einwohner am Jahrestag. Für sie bleibt der 18. November ein Feiertag.
Böckwitz l Geschichte ist am 18. November 1989 in Böckwitz geschrieben worden. An diesem Tag öffnete sich die Grenze zwischen Böckwitz in der DDR und Zicherie im Westen. Der Wall hatte Jahrzehnte Familien, Freunde und Kollegen getrennt. Damit dieser denkwürdige Tag nicht in Vergessenheit gerät, treffen sich alljährlich die Einwohner der Region zu einer Gedenkfeier.
Am Sonnabend machten Fotos von der Grenzöffnung und den ersten gegenseitigen Besuchen die Runde in der Alten Molkerei in Böckwitz. Erinnerungen wurden aufgefrischt, Episoden aus dem Sperrgebiet erzählt. Wirtin Silke Lembke und ihre Tochter Janett Heyken bereiteten das üppige Kuchenbuffet vor. „Meine Tochter Janett ist übrigens im November 1989 geboren worden“, berichtete sie.
Andere in der Runde wussten von einem Fluchtversuch an der Grenze in Böckwitz. „Das war am 27. Februar 1979“, erzählte Silke Lembke. „Es lag Schnee. Deshalb verhüllte sich der Klötzer mit einem weißen Bettlaken, um nicht gleich gesehen zu werden, als er Richtung Grenze rannte.“ Doch es war vergebens: Er wurde vorher abgefangen.
Jahrstedts Ortsbürgermeister Randy Schmidt erinnerte sich ebenfalls. Er gehörte zu den rund 100 Menschen, die schon einen Tag vorher, am 17. November, für eine Stunde die Grenze passieren durften. „Mit einem Willkommensbier in der Hand bin ich damals gefilmt worden“, erzählte er und nannte Beispiele, die vom Zusammenwachsen der Menschen beiderseits der ehemaligen Grenze zeugen: „Der Männergesangverein Jahrstedt-Germenau und der Tülauer Chor, die Jahrstedter Feuerwehr und die Partnerwehr aus Tülau rücken gemeinsam grenzübergreifend zu Einsätzen aus.“
Uwe Bartels hatte den 18. November vor drei Jahren als Feiertag ausgerufen. „Das hat mir beim damaligen Bürgermeister der Stadt Schelte eingehandelt“, berichtete er und komplettierte die Liste mit Beispielen für das Zusammenwachsen: Der Schützenverein Böckwitz Zicherie bestehe aus Menschen beider Dörfer. „Ich bekomme noch heute eine Gänsehaut, wenn ich an die Ereignisse von damals denke.“ Uwe Bartels bat darum, „den Feiertag für uns beizubehalten. Ich bedauere aber, dass junge Menschen, die noch länger von der Grenzöffnung profitieren als die Älteren, hier heute nicht vertreten sind.“ In den Familien sollte deshalb ernsthaft über die DDR, die Grenzöffnung und deren Bedeutung für die Freiheit der Menschen gesprochen werden, damit das Ereignis nicht vergessen werde.
Er selbst habe die Hälfte seines Lebens im Sperrgebiet der DDR verbracht und wisse, wovon er reden würde. Angesichts der Ereignisse heute, wie dem Gerangel um die Jamaika-Koalition der Bundesregierung, Provokationen zwischen Staaten sowie der Flüchtlingswelle, sei die Grenzöffnung besonders hoch einzuschätzen.
Der Bundesregierung riet Uwe Bartels, der Staat solle unterscheiden zwischen echten Kriegsflüchtlingen und denen, die nur aus wirtschaftlichen Gründen nach Deutschland kommen würden. Sie sollten sofort zurückgeschickt werden.
Als Überraschung waren die Sänger des Männergesangvereins Jahrstedt-Germenau gekommen. Unter der Leitung von Eckhard Krone ließen sie ihre Stimmen erklingen.