Katastrophe Schreckensnacht am Oebisfelder Bahnhof
Vor 25 Jahren gab es in Oebisfelde ein schweres Zugunglück. Drei Menschen starben.
Oebisfelde l Der 27. Juli 1991 war knapp eine Stunde alt, als sich das schwere Unglück ereignete. Was war geschehen?
Am frühen Sonnabendmorgen um 1.03 Uhr hatte der D-Zug 448 Dresden-Köln den Oebisfelder Bahnhof verlassen. Zirka 300 Meter westlich hinter dem Bahnhof war die Fahrt zu Ende. Der mit 339 Reisenden besetzte Zug stieß frontal mit einem Güterzug zusammengestoßen. Der Güterzug hatte 1183 Tonnen Superbenzin in 27 Kesselwagen geladen und war von Hamburg nach Hartmannsdorf bei Chemnitz unterwegs.
In einem offiziellen Bericht über die Unglücksursache ist zu lesen: „Der D-Zug hatte an der Weiche Vorfahrt. Er musste die Gleise kreuzen, da er entgegen der im Westen üblichen Weise im Bahnhof Oebisfelde nicht am rechten Bahnsteig hielt, sondern am linken - eine „Erblast“ aus nicht lange zurückliegenden DDR-Zeiten, als die Kontrollstellen im damaligen Grenzbahnhof an der linken Seite installiert waren.“
Die Reichsbahndirektion Magdeburg teilte später mit, dass weder der Bahnhof Oebisfelde noch die fragliche Strecke mit einer induktiven Zugsicherung ausgestattet seien. Diese Sicherung würde Züge beim Überfahren des Signals automatisch abbremsen.
Eine Erklärung gab wenige Stunden nach dem Unglück ebenfalls Polizeirat Wolfgang Röxe, Sprecher des damaligen Lagezentrums des Innenministeriums in Magdeburg, ab: „Zu diesem Zeitpunkt ist es noch unklar, ob das Signal funktioniert hat. Es gibt zwei Varianten: menschliches oder technisches Versagen.“
Letztendlich sei es menschliches Versagen gewesen. Denn im Zuge der rasch anlaufenden Ermittlungen habe sich herausgestellt, dass der Lokführer des Güterzuges, der mit seinem Zug eigentlich hätte warten müssen, das Signal nicht beachtet habe, so dass es zum Zusammenstoß gekommen sei.
Bei dem Unglück kam es zu gewaltigen Explosionen, und es brach sofort Feuer aus. Die beiden Lokomotiven hatten sich ineinander verkeilt. Die ersten beiden Waggons des Personenzuges - ein Postwagen und ein Mitropa-Speisewagen - wurden aus den Schienen gehoben und zwischen die Lok und die nachschiebenden Waggons geklemmt.
Unter den ersten Rettern vor Ort waren Herbert und Frank Hartwig von der Oebisfelder Feuerwehr. Sie rückten gemeinsam mit ihren Kameraden Uwe Schmidt, Enrico Köchig und Walter Willnat aus. „Wir sahen und hörten durcheinander laufende und schreiende Menschen. Es war ein chaotisches Bild“, erinnerte sich der damals 55 Jahre alte Herbert Hartwig, während sein Sohn Frank, zu diesem Zeitpunkt 19 Jahre alt und inzwischen Leiter der Oebisfelder Wehr, ergänzte: „Uns war schnell klar, dass wir mit unserer Ausrüstung im Prinzip nichts ausrichten können. Um die Benzinbrände wenigstens einzudämmen, hätten wir Löschschaum produzieren müssen. Die nötige Technik besaßen wir aber nicht.“
Doch die Oebisfelder, die nach und nach Unterstützung von anderen Wehren bekamen, holten ihr Möglichstes heraus. „Wir haben beispielsweise eine Schlauchstrecke von der Sporthalle am Bahnhof bis zum Unglücksort gelegt und die D-Zug-Waggons nach Reisenden durchsucht“, blickte Hartwig senior zurück. Richtig Zug in Sachen Brandbekämpfung kam, als allein neun Wehren aus Niedersachsen, die Berufswehr aus Magdeburg sowie die Bahnwehr aus Stendal anrückten. Sie hätten teilweise über die nötige Technik verfügt, so dass kurze Zeit später der Ort des Unglücks mit einem Schaumteppich überzogen war. Insgesamt waren 21 Wehren im Einsatz.
An den Rettungsmaßnahmen beteiligt war auch Polizeioberkommissar Fred Hoffmann. Der ehemalige Abschnittsbevollmächtigte der Volkspolizei wurde zusammen mit anderen Kollegen gegen 4 Uhr alarmiert. „Wir sicherten zunächst das Gelände und hielten auch die vielen Schaulustigen auf Abstand. Später waren wir an Such- und Aufräumarbeiten beteiligt“, erzählte Fred Hoffmann. Ihm wurde dabei eine nicht sehr angenehme Aufgabe übertragen – die Suche nach den drei Lokführern, die das Unglück nicht überlebt hatten.
„Die beiden Lokführer des D-Zuges haben wir im Führerstand entdeckt. Der Lokführer des anderen Zuges befand sich neben seiner Lok. Er hatte wohl versucht noch abzuspringen. Es war kein angenehmer Anblick“, sagte der inzwischen 62 Jahre alte, pensonierte Polizeibeamte.
Die Räumarbeiten dauerten indes noch einige Tage. Noch viel länger aber die Sanierung des Geländes. Denn es war sehr viel Benzin in den Boden versickert. Dazu ein Fazit aus einem Einsatzbericht: „Die Ursache des Zugunglücks ist nach kriminalpolizeilichen Untersuchungen auf menschliches Versagen des Triebfahrzeugführers des Güterzuges durch Überfahren eines funktionstüchtigen Halt zeigenden Signals zurückzuführen. Der D-Zug hatte beim Überfahren der Gleiskreuzung die Vorfahrt. Der Gesamtschaden wird mit 5 Millionen Mark beziffert. Durch das auslaufende Benzin wurden zirka 10 000 Kubikmeter Erdreich und das Grundwasser kontaminiert. Auf einer Fläche von 1600 Quadratmetern wurde bis in eine Tiefe von 2,20 Meter verseuchte Erde entfernt und neu aufgefüllt.“