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Heute Forum des Deutschen Bahnkunden-Verbandes (DBV) in Klötze Vor genau zehn Jahren fuhr der letzte Zug

Von Anke Kohl 28.09.2012, 03:17

Am 28. September 2002 fuhr vom Klötzer Bahnhof der letzte Zug ab. Seitdem herrscht Stille auf den Gleisen.

Klötze l Anachronismus ist vielleicht das am besten passende Wort, das die aktuelle Situation am Klötzer Bahnhof charakterisiert. Denn der einzige Verkehr, der dort aktuell stattfindet, ist der Straßenverkehr. Das allerdings auch nur, weil eine Umleitungsstrecke, wegen des Baus eines Kreisverkehrs, dort entlang führt. Auf den Gleisen hingegen herrscht Ruhe. Mit dem heutigen Datum läuft auf den Schienen in und nach Klötze seit zehn Jahren nichts mehr.

Der Deutsche Bahnkunden-Verband (DBV) möchte das gern rückgängig machen. Die Strecke zwischen Oebisfelde und Salzwedel soll wieder reaktiviert werden. Zu diesem Thema wird es heute Abend in der Klötzer Gaststätte Zum Goldenen Löwen ein Forum mit Vertretern der Lokal- und Landespolitik geben. Beginn ist um 18 Uhr.

Vor 123 Jahren, am 1.November 1889, stand in der Tageszeitung "Endlich ist Klötze an die Welt angeschlossen". "Abgeklemmt" ist Klötze nun keineswegs, weil es den funktionierenden Bahnhof und Zugverkehr nicht mehr gibt. Dennoch ist ein Blick in die Historie heute erlaubt.

Klötze erlebte mit der Eröffnung der Altmärkischen Kleinbahn einen wirklichen Aufschwung. Zwischen dem Standort des Bahnhofes und der Burgstraße war in jenem November vor mehr als 120 Jahren nichts. Nichts, außer freiem Ackerland. Häuser, Werkstätten und später industrielle Ansiedlungen, die dort heute - manche nur noch zu Ruinen verfallend - stehen, wurden alle erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte gebaut. Nur ein Beispiel: Die erste altmärkische Obstverwertungsgenossenschaft, aus der sich die Weinkellerei entwickelte, wurde 1898 gegründet.

Die Entwicklung der Einwohnerzahl Klötzes in jenen Jahrzehnten macht es deutlich: Die Bahnlinie war gut für die Stadt. Von 3004 Einwohnern im Jahr 1890 wuchs die Purnitzstadt auf 4328 Bürger im Jahr 1925. Zwischenzeitlich, im Jahr 1908, wurde Klötze Sitz des Amtsgerichtes (heutiger Sitz der Polizei). Einige der Betriebe, die sich in Klötze ansiedelten, bekamen sogar ein eigenes Anschlussgleis, wie sich Petra Hartenhauer aus Klötze erinnert. Das Milchwerk und die Weinkellerei gehörten beispielsweise dazu.

In allen Details war die Geschichte der Entstehung der Bahnlinie - sie war mit einigen Irrungen und Wirrungen verbunden - und der daraus folgenden Entwicklung für Klötze zuletzt im Jahr 2009 in einer Ausstellung des Klötzer Heimatvereins zu sehen.

Dass die Schließung der Bahnstrecke und des Klötzer Bahnhofes ziemlich unerwartet kam, daran erinnert sich Reinhard Jürges heute noch. Er begann 1972 dort seine Ausbildung bei der Reichsbahn und arbeitete bis zum Schluss als Fahrdienstleiter in Klötze. Heute ist der Rätzlinger Bahnhof sein Dienstort.

Auch, dass es ihn damals sehr geärgert hat, dass niemand aus der Verwaltung oder die Bürgermeister der an der Bahnlinie liegenden Ortschaften, zur Kundgebung für den Erhalt gekommen waren. Niemand habe den Mitarbeitern damals den Rücken gestärkt. "Aber am schlimmsten waren die letzten Tage", denkt Reinhard Jürges zurück. An der Eingangstür der Diensträume haben Kollegen aus den alten Bundesländern gestanden und kontrolliert, was hineingeht und herauskommt. Zur Hintertür jedoch hätten dieselben Leute aus heutiger Sicht Raritäten und Erinnerungsstücke, wie Stempel oder Fahrkartenpressen, herausgetragen. "Heute bedau\'re ich es eigentlich, mir nichts dergleichen mitgenommen zu haben", sagt er. Enttäuscht und traurig habe er zu jenem Zeitpunkt nur noch weg gewollt, umschreibt Reinhard Jürges seine Gefühle.

Das Metier gewechselt, dafür näher an ihrem ehemaligen Arbeitsort geblieben, ist Petra Hartenhauer. Facharbeiterin für Betriebs- und Verkehrsdienste der Deutschen Reichsbahn erlernte sie in Klötze. Heute hat sie während ihrer Arbeitszeit in einer Tankstelle praktisch immer Blick zum Bahnhofsgebäude. Vom Fahrkartenverkauf über die Güterabfertigung bis zur Arbeit im Stellwerk hat die Klötzerin alle Stationen durchlaufen. Seit 1976, mit Beginn ihrer Ausbildung, war sie bis zur Schließung in Klötze beschäftigt. "Da war noch was los!", berichtet sie aus ihrer Zeit bei der Güterabfertigung. "Im Stellwerk habe ich allerdings nicht lange gearbeitet", erzählt sie. Um die verschneiten oder vereisten Weichen im Winter vom Turm aus mit der schweren Technik zu stellen, musste sie schon mal kräftigere Kollegen herbeirufen. Denn mit einem Knopfdruck war damals, außer dem Telefon, nichts zu bedienen. Und dass Kursbücher schon mal zur Bückware avancierten, das hat sie auch nicht vergessen. Nach der Wende dachte sie: "Jetzt können wir Fahrkarten für Züge in alle Himmelsrichtungen verkaufen." Statt dessen kauften sich die Leute lieber Autos und fuhren nicht mehr mit Zügen.