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Magdeburger 2016 Die Rückkehr der Heiligen Katharina

Bei der Wahl zum Magdeburger des Jahres 2016 steht auch das Projekt Wiederaufbau des Katharinenportals auf der Liste.

Von Jana Heute 05.12.2016, 00:01

Magdeburg l  Der Wiederaufbau des Portals gelang genau 50 Jahre nach der endgültigen Zerstörung der Katharinenkirche. Das Kuratorium unter Vorsitz von Klaus Zimmermann und die Denkmalschützer Hans-Jörg und Frank Schuster haben damit ein Stück Stadtgeschichte wieder ins Blickfeld gerückt.

Es ist 1966, das Schicksalsjahr für die alte Pfarrkirche St. Katharinen im heutigen Breiten Weg. Die beiden Türme des Gotteshauses werden mit der Spitzhacke abgetragen. Ein Sprengen ist nicht mehr möglich, da die erst neu gebauten Häuser in der damaligen Karl-Marx-Straße Schaden nehmen könnten. Also tragen Arbeiter die Steine mit den Händen ab. Nur zwei Jahre, nachdem das Kirchenschiff der Katharinenkirche in die Luft gejagt worden war, weil es eben nicht so recht ins neue sozialistische Straßenbild passte, sind damit auch die Türme an der Reihe.

Eigentlich sollten zumindest sie als Erinnerung stehen bleiben. Ein Café oben im Turm stand gar in Rede, doch das alles zählt plötzlich nicht mehr. Auf Geheiß Walter Ulbrichts sollen jetzt auch die Türme weichen. Der Denkmalschützer Hans Schuster kann das nicht mit ansehen. Es gelingt ihm, wenigstens das Portal samt der Heiligen Katharina als Schutzpatronin zu retten und einzulagern. Nach 736 Jahren endet aber die Geschichte der Pfarrkirche St. Katharinen.

Hans Schuster hatte schon zwei Jahre zuvor versucht, die Sprengung des Kirchenschiffs zu verhindern. „Nach einem Bombentreffer und dem Brand 1944 war zwar der Dachstuhl kaputt, Türme und Mauern aber waren intakt“, berichtet Hans-Jörg Schuster, einer von Hans Schusters Söhnen. Sein Vater war, um die Sprengung noch zu verhindern, am Tag zuvor nach Berlin ins Ministerium geeilt. Es wurde tatsächlich ein Telegramm aufgesetzt, das einen Aufschub gewährte. Doch das Telegramm traf nicht rechtzeitig ein. Am 24. März 1964 wurde die Katharinenkirche gesprengt, zwei Jahre später auch die Türme abgerissen. Das frühere Gotteshaus teilt am Ende das Los mit sieben weiteren nach Kriegsende zerstörten Altstadtkirchen.

Was bleibt, ist die Vision. „Unser Vater hätte das Portal nicht gerettet ohne den Wunsch, es auch wiederaufzubauen“, sagt der zweite der Söhne, Frank Schuster. Beide Brüder sind in die Fußstapfen des Vaters getreten, haben den Betrieb nach dessen Tod übernommen und streiten heute leidenschaftlich für den Denkmalschutz. Ihr Vater Hans, der den Machthabern oft auf die Füße getreten war, hatte sich mit seinem Einsatz u. a. für die Altstadtkirchen nicht nur Freunde gemacht. Ein Jahr nach der Rettung des Katharinenportals war er unter dem Vorwand „subversiven Verhaltens“ festgenommen und 23 Monate in Untersuchungshaft gesteckt worden. Die Hausdurchsuchung frühmorgens im April 1967 bei den Schusters und die fast zweijährige Haft des Vaters: Für den damals 8-jährigen Frank und 14-jährigen Hans-Jörg Schuster ist dies eine schwere Zeit. Sie hat Spuren hinterlassen, aber auch den eigenen Blick geschärft.

Die Vision vom Wiederaufbau lebte indes fort. Aus dem Jahr 2001 existiert eine Skizze, die Hans Schuster gefertigt hat. Schon da gab es Überlegungen, das Portal wieder aufzustellen. Doch erst 2011 reifte die Idee zum Projekt, als die Wobau das marode Haus der Lehrer zum modernen Wohn- und Geschäftshaus umbaute. „Hier besann man sich auf die historischen Wurzeln, denn die Katharinenkirche stand genau an der Stelle des HdL“, erinnert sich Bürgermeister Klaus Zimmermann, der zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Wobau ist. Der neue Name Katharinenturm sollte daran anknüpfen. Aber nicht nur das. „Das originale Portal war ja noch da. Irgendwie muss es zurück finden“, gibt Zimmermann die damaligen Überlegungen wieder.

Zunächst gab es den Vorschlag, die inzwischen gefertigte Kopie der Heiligen Katharina (das Original steht in der Wallonerkirche) im Katharinenturm aufzustellen. Das wurde wieder verworfen, doch schon bald fand sich eine Schar begeisterter Magdeburger, die sagte: „Wir bauen das Portal wieder auf!“ Für die Schuster-Brüder war es keine Frage, da mitzumachen. „Für uns erfüllt sich damit auch das Vermächtnis unseres Vaters“, sagen sie. Am 1. Juli 2014 gründet sich das Kuratorium zur Wiedererrichtung des Katharinenportals.

Mit dabei sind neben Klaus Zimmermann auch der damalige Wobau-Geschäftsführer Heinrich Sonsalla, der Statiker und Hochschulprofessor Dieter Beyer, der für die Elektrik zuständige Oliver Ball, der Baubeigeordnete Dieter Scheidemann, Denkmalschützer Hans-Jörg Schuster und der Pfarrer der evangelischen Altstadtgemeinde Thoralf Thiele. Später kommt der neue Wobauchef Peter Lackner hinzu. Eine bunt gemischte Truppe, die ein gemeinsames Ziel verfolgt: den Wiederaufbau des historischen Katharinenportals zu einer breiten Bürgeraktion zu machen und dafür auch Spenden zu sammeln.

„Wir wollten zeigen, dass alle helfen können, dieses Stück Magdeburger Geschichte in das Stadtbild und Bewusstsein zurück zu holen“, beschreibt der Vorsitzende des Kuratoriums Klaus Zimmermann das Ziel. Und das stand auch zeitlich: Bis zur 50. Wiederkehr der Zerstörung der Altstadtkirche sollte das in Einzelteilen, aber original erhaltene Portal im Herbst 2016 wieder an Ort und Stelle stehen, gekrönt von der Heiligen Katharina. Denn es ist mehr als nur ein Baudenkmal, betont Pfarrer Thoralf Thiele. Die Heilige Katharina hält ein zerbrochenes Rad und ein Schwert, mit dem sie letztlich enthauptet wurde. Beides steht für das Martyrium, das sie wegen ihres Glaubens durchlebte. Pfarrer Thiele sieht darin heute noch eine Botschaft: Stehe zu deiner Überzeugung, zu deinem Glauben, auch wenn es dir Nachteile bringt.

Fest entschlossen bleibt auch das Kuratorium, so dass die Vision wahr wird: Das Portal kann im Sommer wiederaufgebaut werden. Dank zahlreicher kleiner wie größerer Spenden. Klaus Zimmermann mit dem Kuratorium und die Schuster-Brüder knien sich in das Projekt hinein. Sie bringen ihr berufliches Können, aber auch viele Stunden Freizeit ehrenamtlich ein, sponsern teils auch Auftragsleistungen. Andere beteiligte Firmen helfen, indem sie Rechnungen stunden. Und es ist noch immer nicht alles beisammen. Von den insgesamt 230.000 Euro fehlen noch rund 80.000 Euro, sagt Klaus Zimmermann.

Ganz fertig ist auch das Portal noch nicht. Einige Namensschilder der Spender fehlen noch, eventuell soll noch eine Tafel von der Kirche und der Heiligen Katharina berichten. Aber: Sie ist zurückgekehrt nach 50 Jahren! Zur Einweihung am 29. Oktober kamen rund 300 Bürger. Einige ältere unter ihnen kennen die Katharinenkirche noch, waren hier getauft worden. Nun gehen sie tief berührt durch das wieder auferstandene Portal. „Es sind diese Bilder, die uns froh machen, dass wir es geschafft haben“, sagt Klaus Zimmermann. Die drei Kandidaten, aber am Ende alle gemeinsam.

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