Ärger im Kiez Neue Neustadt wird Brennpunkt in Magdeburg
Am Magdeburger Moritzplatz rumort es. Der Oberbürgermeister erhält Hilferufe. Es gibt Streit zwischen Deutschen und Rumänen.
Magdeburg l Ein Juniabend im Magdeburger Stadtteil Neue Neustadt: Auf den Straßen im Bereich Moritzplatz pulsiert das Leben, Stühle stehen auf den Hinterhöfen. In der einen Ecke unterhalten sich Frauen, in der anderen Männer, mittendrin spielen kleine Kinder, junge modisch gekleidete Männer bilden eine Gruppe für sich. Die Männer tuscheln beim Vorbeigehen. Und sie folgen einer Frau, die allein unterwegs ist. Kurzzeitig kommen die jungen Männer ihr ziemlich nah.
Warum diese Situation sich so bedrohlich anfühlt: Die Frau versteht die Männer nicht, die ihr folgen, sich dabei lautstark unterhalten. Sie sprechen rumänisch. Wie fast alle an diesem Abend auf den Straßen am Moritzplatz.
Nachdem Volksstimme-Leser, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen wollen, sich über die aktuelle Situation am Moritzplatz beschwert, über Lärm und Beschimpfungen geklagt hatten, hat die Volksstimme sich selbst ein Bild gemacht.
Und so sieht es aus: Hunderte Rumänen sind in den vergangenen Jahren in die privatisierten Wohnblöcke der Gegend eingezogen. Es wirkt wie eine eigene Stadt in der Stadt. „Es ist bis in die Morgenstunden furchtbar laut, die Kinder fahren mit ihren Rollern einfach gegen die Autos, und wenn ich was dazu sage, werde ich nur angebrüllt“, behauptet ein älterer Anwohner. Beim Besuch vor Ort ist so eine Situation nicht zu sehen. Und aufgrund sprachlicher Hürden auch kein Ansprechpartner unter den Rumänen zu finden.
Obendrein ist der Kiez zum unrühmlichen Online-Hit geworden. Ein Video, das Dutzende brüllende Rumänen auf einem Hof in der Grünstraße zeigt, geht gerade um die Welt. Beim Nachrichtendienst Twitter haben zuerst Inder und Amerikaner diese Aufnahme gepostet.
Ein Mann kommt mit seinen zwei Hunden und einem Samuraischwert aus dem Haus gerannt und bedroht andere Bewohner. Die Polizei bestätigt: Das Video ist eine Aufnahme von einem Vorfall am 11. Juni 2017. Der Deutsche mit dem Schwert habe sich über die rumänischen Nachbarn geärgert und war auf sie losgegangen. 50 bis 70 Rumänen sollen daraufhin den Angreifer festgehalten haben.
Auf dem Video ist zu sehen, wie diese Männer mit Stangen und Stühlen bereit waren, sich zu wehren. Polizeisprecher Marc Becher spricht von einer zunehmenden Verrohung in diesem Bereich der Stadt, relativ viele Einsätze würden die Beamten dort fahren müssen und mit Streifenfahrten regelmäßig Präsenz zeigen.
Lars Johansen vom Kulturzentrum Moritzhof, ein Veranstaltungsort direkt am Moritzplatz, erklärt im Gespräch mit der Volksstimme dagegen, dass er vor Ort noch nie Schwierigkeiten hatte. „Wir haben mit den Anwohnern das Gespräch gesucht, eine direkte Ansprache hilft eigentlich immer“, sagt Johansen. Und verweist auf das Projekt Kiezrebellion. „Die Nachbarn am Moritzplatz an einen Tisch bringen“, beschreibt Koordinatorin Laura Schrader das Ziel. Gemeinsam wurde ein Film gedreht.
Auch die Stadt hat das Viertel im Visier. Eine Volksstimme-Anfrage diesbezüglich an den Integrationskoordinator wird sofort zur Chefsache erklärt. Oberbürgermeister Lutz Trümper (parteilos): „Wir analysieren die Situation ganz genau.“ Viele Bürger seien mit diesem Problem bereits an ihn herangetreten, hätten um Hilfe gebeten.
Er spricht von den Sorgen an der Thomas-Müntzer-Schule in Neue Neustadt, an der 40 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund haben. Der Großteil kommt aus Rumänien. Bau-, Ordnungsamt, Jobcenter – dem Oberbürgermeister zufolge beschäftigen sich die Behörden aktuell mit den neuen Anwohnern am Moritzplatz. Wer wohnt dort? Wie viele Personen leben in einem Haus? Entspricht alles den Vorschriften? Das sind die Fragen, die beantwortet werden sollen.
Fakt ist schon jetzt: 1200 Rumänen leben in Magdeburg, gut die Hälfte davon sind beim Jobcenter gemeldet. Pikant sind dabei die Vorwürfe von Moritzplatz-Anwohnern, die mit einem anonymen Schreiben bei der Stadt eingegangen sind. Darin ist die Rede von mafiösen Strukturen, um gezielt Sozialleistungen zu erschleichen. Diesen Vorwurf lässt der OB intensiv prüfen.