Kunst in Galerie Himmelreich Ausstellung in Magdeburg: Des Müllers Lust am Weltenwandern
Verschlungene Wege durch verlassene Orte: In der Magdeburger „Galerie Himmelreich“ sind noch bis zum 22. November 2024 dystopische Landschaften des Leipziger Malers und Computerspiel-Entwicklers Knut Müller zu erkunden.
Magdeburg. - „Ich liebe Wege“, sagt der Maler und Grafiker Knut Müller und lädt dazu ein, in der Magdeburger Galerie „Himmelreich“ durch seine „Landschaften“ zu wandern. Knapp 50 meist kleinformatige Gemälde, Grafiken und Objekte füllen derzeit die Wände der Galerie in der Danzstraße, die zur Vernissage eingeladen hatte.
Menschen passen da nicht
Es sind dystopische Szenerien, die Knut Müller schafft: Verlassene Dörfer im Hang, halb fertige (oder zerstörte?) Burganlagen, scheinbar lebensfeindliche Lebensräume. In allen Landschaften ist zwar das Wirken des Menschen zu sehen, aber keine Menschen. „Es passt eben nicht“, sagt Knut Müller, Jahrgang 1963, der an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig Malerei und Grafik studierte, unter anderem bei Arno Rink.
Während des Kunststudiums in den Jahren 1984 bis 1989 sei ihm das Sujet der Landschaft „sehr nahe gewesen“. Doch es brauchte einen 25 Jahre währenden Umweg über die abstrakte und konkrete Kunst, über die musikalische Komposition und über die Entwicklung von Computerspielen, bis die Landschaftsmalerei wieder Teil von Knut Müllers Arbeit werden sollte. Müller hat auf diesem kreativen Umweg viele Elemente der Abstraktion, der PC-Spielegestaltung und der Musik aufgesammelt, die nun in seine neuen Landschaften einfließen.
Bilder strahlen Ordnung aus
Viele Wege führen hinein in die Gemälde - aber nur schwer findet man wieder hinaus. Denn zuvor will man all die Wege ausprobiert haben, die in Müllers Welten gegangen werden können. Der Betrachter wandert durch Ebenen, steigt Stufen, kann an Stangen entlanghangeln oder Brücken überqueren, wenn es mal über einen reißenden Abgrund geht.
Dabei kommt der Wanderer vorbei an Häusern, Masten und Stelen, deren Abstände und Größe Knut Müller zuvor mit bestimmten Algorithmen und mathematisch-musikalischen Techniken exakt berechnet hat. Merkt der Betrachter das denn überhaupt? „Ja“, sagt der Künstler: „Ich bin ganz sicher, dass das Bild dann eine Ordnung ausstrahlt, die man mitbekommt, wenn sie richtig ist.“
Hass auf Zentralperspektive
An die Zentralperspektive hält sich Müller nicht. „Ich hasse die Zentralperspektive“, sagt er und setzt stattdessen isometrische, Spiegel- oder umgedrehte Perspektiven in einem Bild zusammen: „Ich hatte von Anfang an die Idee, den Fluchtpunkt zu vermeiden. Daher wirken meine Landschaften auch nicht real. Der Betrachter spaziert ja durch die Landschaft und bleibt nicht an einem Platz, mit dem Auge festgeschraubt, stehen.“
Während der Zeit, in der er seine Computerspielreihe „RHEM“ (vergleichbar mit dem Adventure-Spiel „Myst“) entwickelte, hatte Knut Müller gemerkt, wie sehr man sich mit so einer Landschaft emotional verbinden kann, wenn man lange „darin herumläuft“ und Rätsel löst: „Da habe ich mir gedacht, das müsstest du auch malen können. Du musst den Betrachter möglichst lange an das Bild binden. Da muss ein Rätsel sein, das er lösen kann. Da müssen Wege sein, hier rein, da raus, hier hoch. Überall sind Verbindungen“.
Bilder lassen Lösung offen
Wie bei einem Computerspiel können Müllers Gemälde ergründet werden, es scheint Rätsel und Geheimnisse zu geben. Aber anders als im PC-Spiel bleiben Müllers in Öl und Temperafarben gefertigte Bilder dem Betrachter eine Lösung schuldig: „Ich male die Bilder so, dass jeder Betrachter sich eine Geschichte selber ausdenken kann.“
Fiktive Szenerien
„Zwischen Abgrund und Schlucht“ lautet der Titel eines der Bilder. Kling nicht nach einem einladenden Plätzchen zum Verweilen. Doch Müller hat genau zwischen Abgrund und Schlucht Häuser gemalt. „Ja, es hat etwas Dystopisches, aber ich will jetzt nicht vor der Apokalypse warnen oder so“, erklärt der in Leipzig lebende und arbeitende Künstler.
Ob „Tränensee“, „Kreuzung bei Littburg“ oder „Das Kremerek Katarakt“ – Müllers Landschaften und Szenerien sind meist fiktiv: „Ich greife thematisch auf alles zurück, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.“ Barocke Schnörkelwolken oder Wasserwirbel wie aus japanischen Holzschnitten – Müller will nicht malen, wie es auch fotografiert werden könnte, sondern malen, „was die Elemente machen“. Auf die Frage, die Künstler vermutlich ebenso hassen wie Knut Müller die Zentralperspektive – „Was will der Künstler mit seinen Bildern sagen?“ – antwortet Müller alles andere als abstrakt: „Ich mache das, weil es dem entspricht, was ich an Kunst machen will. Wenn ich etwas sagen wollte, dann würde ich es nicht malen, sondern sagen.“
Auch „Konkrete Kunst“
Und der Leipziger hat noch viele Ideen. Eine – wortwörtliche - Weiterentwicklung der Müllerschen Landschaften ist in zwei der im „Himmelreich“ ausgestellten Bilder schon erkennbar: An den Rändern sind die Motive so gestaltet, dass sie sich theoretisch neben- und überaneinanderlegen ließen. „Man könnte also sein Bad damit fliesen“, lacht Knut Müller.
In der Galerie Himmelreich in der Danzstraße sind neben den Malereien auch Bleistiftzeichnungen, übermalte Farbholzschnitte und Werke der sogenannten „konkreten Kunst“ von Knut Müller ausgestellt. Letztere sind das Ergebnis einer Wandlung der Oberflächengestaltung vom Bildhaften hin zum dreidimensionalen, sehr oft monochromen Objekthaften.
Musikalische Kostprobe
Auch eine Kostprobe des musikalischen Schaffens von Knut Müller gab es für die Vernissagebesucher am Dienstagabend. Seine Lebensgefährtin Dorothea Vogel spielte auf der Violine das im Jahr 2015 von Müller komponierte Stück „Tau“.
Man sollte etwas Zeit mitbringen, um durch die Landschaften von Knut Müller zu wandern. Die Ausstellung in der Galerie Himmelreich in Magdeburg ist noch bis zum 22. November 2024 zu sehen.
Geöffnet ist dort dienstags bis freitags von 11 bis 17 Uhr sowie sonnabends von 10 bis 13 Uhr.