Aus eigener Sicht: Einmal Training mit den Aktiven von Union Magdeburg Betrachtungen zum Wasserball - ein harter, aber keineswegs unfairer Sport
Wasserball gehört für manche Menschen zu den härtesten Mannschaftssportarten überhaupt. Doch wie ist das genau? Ein persönlicher Test.
Magdeburg l Schnell schwimmen, hart werfen und immer über Wasser sein. Unter Wasser, dort, wo der Schiedsrichter keinen Einblick hat, sollen sich die Spieler schlagen, kneifen, treten, kratzen. Ich stehe vor der renovierten Schwimmhalle in der Diesdorfer Straße mit meiner Badehose im Rucksack. Sie ist reißfest und an den wichtigsten Stellen gepolstert, trotzdem verspüre ich ein leichtes Grummeln im Bauch. Denn gleich werde ich mit den Spielern der Union Magdeburg ins Becken springen und am Training teilnehmen.
Und am eigenen Leib erfahren, ob sie denn unter Wasser wirklich so unfair sind, die Wasserballer. "Unfair?", lacht Christopher Bott und schüttelt den Kopf. "Blaue Augen, Kratzer und kaputte Finger bleiben beim Mannkampf im Wasser nicht aus. Es ist hart, aber nicht unfair", erklärt er und verringert damit schon meine größte Angst vor dem bevorstehenden Training. Der Kapitän der Wasserball Union spielt seit knapp 15 Jahren, war Jugendnationalspieler und hat in der Zeit an zwei Europameisterschaften teilgenommen.
Mein sportlicher Erfolg im Wasserbecken hält sich in beschaulichen Grenzen. Nach der bestandenen Seepferdchenprüfung in der Grundschule hab ich die Badehose an den Nagel gehängt. An Land hingegen würde ich mich schon als fit bezeichnen, denn Fußball und Tennis spiele ich seit mehr als 15 Jahren regelmäßig.
Kurz vor Trainingsbeginn stehe ich am Beckenrand, ignoriere den starken Chlorgeruch in meiner Nase und höre den Anweisungen des Trainers Vlad Hagiu zu. Der 48-Jährige war rumänischer Nationalspieler und nahm außerdem an den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta teil.
Seine Anweisungen sind unmissverständlich: "500 Meter kraulen oder Schmetterling und dann Stretching, hopp!" Der Ton seiner Trillerpfeife ist das letzte, was ich vor dem Sprung ins überraschend warme Wasser höre.
Quälende 45 Minuten dauert allein das Aufwärmen und die Schwimmer an meinen Seiten überholen mich im Sekundentakt. Ich fühle mich wie ein Reh auf einem zugefrorenen See und komme einfach nicht vom Fleck. "Man muss als Wasserballer schon sehr gut schwimmen können", sagt Frank Beiersdorf, der Pressesprecher des Vereins. Das sei eine Grundvoraussetzung, um erfolgreich sein zu können und den Zuschauern ein gutes Spiel zu zeigen. Mit einem Schnitt von über 200 Gästen pro Begegnung liegt die Wasserball Union national an der Spitze. "Das ist auf die generelle Sportbegeisterung in Magdeburg zurückzuführen", erklärt Beiersdorf.
Trotzdem sei es kein Vergleich zu Sportarten wie Fußball oder Handball, die in unserer Stadt immer weitaus zahlreicher besucht werden. "Es ist schon traurig, wenn man sieht, was wir für einen hohen Aufwand betreiben und doch nie so eine Wertschätzung und auch Bezahlung erhalten werden, wie andere Sportler", gibt Christopher Bott zu.
Magdeburgs Wasserballer haben fünf bis acht Trainingseinheiten in der Woche und keiner von ihnen betreibt den Sport professionell. Insgesamt gibt es in ganz Deutschland nur etwa 25 Profis. "Vom Traum, dass man sich mit Wasserball seinen Lebensunterhalt verdienen kann, muss man sich schnell verabschieden", erklärt Frank Beiersdorf. Ohnehin spiele es keiner des Geldes wegen, sondern weil ihnen das Spiel sehr am Herzen liege. "Die Jungs müssen schon ein klein wenig bekloppt sein", ergänzt der Pressesprecher augenzwinkernd.
Während des Trainings erkenne ich die unterschiedlichen Spielertypen an ihrer Statur. Es gibt sehr schlanke Spieler, die besonders gut schwimmen können, um das Spiel schnell nach vorne zu tragen. Außerdem fallen inmitten von ihnen andere Typen auf, die sehr robust gebaut sind. Sie haben einen mächtigen Brustkorb, kräftige Oberschenkel und Oberarme, auf die jeder Disco-Türsteher neidisch wäre. Besonders die Akteure im Zentrum, also der mittlere Verteidiger und der Stürmer, sind solche Brecher, um sich im Mannkampf gut behaupten zu können.
Die Spieler der Union sind zwischen 17 und 26 Jahren alt. Kaum einer ist Vollzeit berufstätig, weil der Zeitaufwand zu groß ist. Sie sind Studenten, Schüler oder Auszubildende. Und sie lieben ihren Sport, anders geht es nicht. Das Training ist aufwendig, sehr anstrengend und die Fahrten zu Auswärtsspielen führen die Wasserballer durch ganz Deutschland. Die weiteste Reise geht bis nach Stuttgart. Da kann man verstehen, dass der Frust tief sitzt, wenn man für sein Hobby so viel leisten muss. "Natürlich macht man viele Abstriche im Berufs- und Privatleben. Trotzdem ist es für mich der schönste Sport der Welt", schildert Kapitän Bott.
Ich wäge derweil noch ab, ob für mich Wasserball dasselbe ist, da mir die elementarsten Bewegungsabläufe schwer fallen. Das Wassertreten ist grundlegend für das Spiel. Indem sie die Beine abwechselnd in hohem Tempo auf und ab bewegen, bleiben die Spieler scheinbar mühelos bis zur Brust über Wasser. Besonders beeindruckend wird es, wenn sich der Torhüter, wie an Schnüren gezogen, bis zur Hüfte aus dem Wasser schraubt. "Erst ruhiges Wassertreten, dann zwei schnelle Beinbewegungen, mit den Armen Schwung holen und dann kommt man so hoch", erklärt Unions Torwart Marc Böer. Nach meinem vierten weniger erfolgreichen Versuch schaue ich dem Trainer ins Gesicht und erwische ihn, wie er zum ersten Mal an diesem Abend lacht. Er schüttelt während des Trainings oft den Kopf, ruft viele Kommandos ins Becken und wirkt nicht so, als ob es ihm Spaß machen würde. "Spaß? Wasserball ist mühevolle Arbeit, es ist die härteste Sportart, die ich kenne", sagt er nüchtern. Der Sport vereint viele Eigenschaften, die man in solch einer extremen Form auf einem anderen Gebiet kaum findet. Er fordert ein großes Maß an Kraft, Ausdauer, guter Technik und Koordination. Zudem besteht die Gewissheit, dass man in der Öffentlichkeit nicht auf einer Stufe mit Athleten anderer Sportarten gesehen wird. Dennoch sieht man den Ehrgeiz und den Willen der Wasserball Union Magdeburg allein an den harten Trainingseinheiten, die sie fast täglich absolvieren.
Meine Einheit ist nach knapp zwei Stunden beendet. Einige Spieler verschnaufen kurz, trocknen sich die Haare und verschwinden im Tunnel zu den Umkleidekabinen. Auf einer gelben Plastikbank am Beckenrand nehme ich Platz und beobachte die verbleibenden Wasserballer, die sich noch fast 20 Minuten locker "ausschwimmen". Während meine Muskeln nicht mehr das sind, was sie vor dem Training waren, drehen die Spieler sogar noch einige Extrarunden. Beeindruckend.Ich habe allergrößten Respekt vor dieser Sportart gewonnen. Auch, weil sie sich unter Wasser fair verhalten haben, die Wasserballer.
* Dieser Beitrag wurde in einem Germanistik-Seminar der Guericke-Universität erarbeitet.