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Magdeburger des Jahres 2022 Die Platzmacher vom Hassel

Kyra Sukop und Ethan Smith vom Verein platz*machen belegten den dritten Platz bei der Leserwahl zum Magdeburger des Jahres 2022. Was der Verein für die Elbestadt leistet.

Von Katja Tessnow 13.01.2023, 05:00
Ethan Smith vom Verein platz*machen nahm den Pokal zur Ehrengala am 10. Januar 2023 im Alten Theater von Volksstimme-Redakteurin Katja Tessnow entgegen. An Kyra Sukop gingen beste Genesungswünsche nach Hause und der zweite Pokal gleich hinterher.
Ethan Smith vom Verein platz*machen nahm den Pokal zur Ehrengala am 10. Januar 2023 im Alten Theater von Volksstimme-Redakteurin Katja Tessnow entgegen. An Kyra Sukop gingen beste Genesungswünsche nach Hause und der zweite Pokal gleich hinterher. Foto: Viktoria Kühne

Magdeburg - Zum 31. Mal wählten die Leserinnen und Leser der Volksstimme die Magdeburger des Jahres. Nachfolgend die Laudatio auf die dritten Sieger, gehalten auf der Ehrengala für die Kandidaten am 10. Januar 2023 im Alten Theater.

Wem gehört der öffentliche Raum? Das wird täglich neu verhandelt. In Magdeburg tobten vor Jahrzehnten Kämpfe um die Durchlässigkeit der City-Center für jede und jeden und zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ende der 1990er Jahre hatten sie – die Center – schließlich große öffentliche Räume in der Innenstadt mit Hausrecht belegt.

Ein paar Jahre später wurde es modern, Bänke zu demontieren, wo deren Benutzer störten. Jetzt stört’s vor allem betagte Magdeburger ganz gewaltig, dass sie auf lange Strecke keinen Platz mehr zum Verweilen finden. Magdeburg feilt an einem neuen Bänkekonzept. Hier stört ein Kiosk, da stört ein Bolzplatz und am Hasselbachplatz stören sich manche am Multikulti ganz allgemein und im Speziellen – das mag man gut verstehen – an Auseinandersetzungen höchst unschöner Art.

„Hassel“ heißt Konzentration. Konzentration heißt Konflikt. Natürlich: Wo Raketen quer fliegen, Böller auf Menschen oder Fäuste oder Flaschen, da braucht es Ordnungsmacht. Kyra, Ethan und ihre Platzmacher-Freunde finden aber, dass auf die Dauer und im Alltag nur Begegnung – ein Immer-wieder-aufeinander-zu – das Mittel der Wahl gegen immer neue Verwerfungen an diesem und an vielen anderen Plätzen sein kann.

Küche, Kältebus und Paradies

Die Platzmacher – gut 70, 80 junge Frauen und Männer, die meisten studierend – fechten von ihrer Kommandozentrale im Kiezladen „Tacheles“ an der Sternstraße um Platz für alle. Ihre Waffen heißen Küfa, Kältebus und Paradies, zum Beispiel. Die Küfa - Küche für alle – ist, was ihr Name schon sagt. Das Essen ist handgemacht und kostenlos. Mit dem Kältebus steuern die Platzmacher auch andere Stadtteile an und finden viel Kundschaft auf der Suche nach Wärme, zum Beispiel in der Neustadt. Im Pa-RAD-ies bekommt man erklärt, wie man sein Fahrrad selbst wieder auf Touren bringt, wenn es mal nicht spurt.

Küche, Bus und Radwerkstatt sind nur drei von vielen Hilfe- und Begegnungsprojekten, die von den Platzmachern am „Hassel“ geboren worden. Jeder kann dazu kommen und neue Ideen beisteuern. Es gibt Streitschlichtung im Kiez, Nachhilfe, Kuchen gegen Einsamkeit, eine Bibliothek, Diskussionen, Musik, Kultur, auch eine Bar mit Bier zum Solipreis, aber Gastronomen wollen die Platzmacher nicht in erster Linie sein, sondern Gastgeber und Helfer für jene, die noch ihren Platz suchen in der Stadt.

Als Kyra aus Bremen und Ethan aus Kalifornien vor ein paar Jahren zum Studium nach Magdeburg kamen, waren sie selbst noch auf der Suche nach ihrem Platz am neuen Lebensort. Kyra sagt von sich, sie sei damals einfach am „Hassel“ herausgefallen und fühlt sich heute wohl am so lebigen Platz; kein schlechtes Forschungsfeld für eine Psychologiestudentin.

Als Helfer Freunde finden und heimisch werden

Ethan aus Amerika will hierbleiben, der vielen guten Leute wegen, die er hier traf. Den Master in der Tasche hatte er am 9. Januar übrigens seinen ersten offiziellen Arbeitstag als Englischlehrer an einer Magdeburger Gesamtschule. Glückwunsch dazu, auch Schule und Schülern in diesen Lehrermangelzeiten.

Als Platzmacher – ehrenamtlich im Verein - sind Kyra und Ethan mit guten Taten heimisch geworden in Magdeburg und mit ihnen eine Menge weiterer junger Menschen, die sich am Ende gar nichts Geringeres wünschen, als dass die ganze Welt ein guter Platz für alle wäre. Ein Ideal. Kyra, Ethan & ihre Mitstreiter im Verein versuchen, ihr Ideal im Laden am „Hassel“ lebendig werden zu lassen. Dafür herzlichen Dank sagen viele Leserinnen und Leser der Volksstimme und sage auch ich. Herzlichen Glückwunsch und weiter viel Erfolg beim Platzmachen für ein mitmenschliches Magdeburg.