Premiere des Stücks "Das Streben nach Glück" im Theater Magdeburg Ein Schauspiel für Geist und Seele
Die Premiere von Richard Dressers "Das Streben nach Glück" in der Regie
von Christoph Roos im Schauspielhaus bietet beste Unterhaltung und ist
durchweg geistvoll.
Magdeburg. An diesem Abend kommen all die auf ihre Kosten, die gerne lustvoll über das Leben nachdenken, aber auch jene, die auf Unterhaltung aus sind. Diese oft sehr unterschiedlichen Parteien erhalten gnadenlos gute Bedienung.
Der amerikanische Autor Richard Dresser schreibt ungewöhnlich pointiert und versteht es dennoch, eine farbige Story zu bauen. Er verhandelt darin leicht und unangestrengt Probleme, die ein Dasein im mittelständischen Reichtum mit sich bringt: Man lebt komfortabel, aber eigentlich schrammt man beständig an den Wünschen vorbei, die man in Herz und Hirn vorgesehen hatte. Vor allem in der Jugend.
Der Einblick in die Familie von Annie und Neil, die in den USA darum ringen, dass ihre Tochter Jodi einen Platz auf einem angesehenen College ergattert, erweist sich nahezu deckungsgleich mit dem Bestreben hierzulande, dem eigenen Kind einen hochwertigen Bildungsweg zu ermöglichen. Autor Richard Dresser zeichnet Menschen, die sich verändern.
Aber es sind weniger Entwicklungen als mehr krude Wanderungen, weil alles endet, wo es begann. Und das zeichnet den substanziellen Witz Dressers aus: Er will nicht die Welt verändern, sondern uns mit unserer eigenen sonderbaren Ausweglosigkeit unterhalten. Das vorzügliche Textmaterial trifft in Magdeburg auf eine Crew, die alles in ein anspruchsvolles und eindrucksvolles Spiel umsetzt.
Michaela Winterstein punktet bereits im Entree, als sie die Zuschauer mit souveräner Rede in das Stück einlädt. Die Winterstein stattet ihre Annie mit einer Fülle von differenzierten Reaktionen aus und bewältigt unverkrampft alle Brüche ihrer Rolle. Sie brilliert gleichermaßen in verführerischer Geste wie in der Depression.
Luise Audersch als Tochter Jodi agiert mit schlichter, überzeugender Selbstverständlichkeit und kraftvoller Argumentation ohne schrille Töne. Alle Verhaltensänderungen Jodis entwickelt sie unangestrengt aus der Situation.
Axel Strothmann als Neil scheint total desillusioniert und signalisiert Schicksalsergebenheit, aber ganz unaufgeregt bricht er aus.
Andreas Guglielmetti bewältigt als Tucker den Bogen vom einsamen Menschen zum umstrittenen Freund des Hauses und dann zum Liebhaber der Jodi so was extrem von unterspannt, dass daraus eine spannende Figur erwächst.
Die Figur des Knolle (Ralph Martin) erfährt, weil sexuell überbordend, einen wirklichen harschen Rutsch in der Karriereleiter nach unten. Martin bedient das Klischee, aber gibt den Menschen dahinter nie preis.
Die Darsteller agieren in einem Bühnenbild (Anja Ackermann; auch Kostüme), welches die Personen von einer in die andere Situation sozusagen befördert. Technisch ist dies für alle eine Herausforderung, die Konzentration verlangt. Regisseur Christoph Roos führt die Akteure durch die Fabel und zugleich bringt er die Strahlkraft des wunderbaren Wortwitzes zum Leuchten.
Der amüsante Abend ist das Resultat einer Inszenierung, die dem Text vertraut und die Schauspieler ermuntert, ihr Können in den Dienst einer wunderbar getimten Arbeit zu stellen: Man kann über den Sinn des Lebens nachdenken, aber auch gleichzeitig darüber lachen. Das ist nicht Alltag im Theater.