Spannende Einblicke in kreative Arbeit Englische Komponistin in Magdeburg: Wenn Musik die erste Geige spielt
Jugendliche des Magdeburger Konservatoriums haben die Komponistin Errollyn Wallen über ihre Arbeit befragt. Diese berichtete interessante Details aus ihrem Schaffen.

Magdeburg - Das gibt es auch nicht alle Tage: Ein völlig neu komponiertes Musikstück fürs große Orchester erlebt in Magdeburg seine deutsche Uraufführung. So geschehen ist dies beim 6. Sinfoniekonzert der Magdeburgischen Philharmonie im Opernhaus. Dort stand nämlich Errollyn Wallens Konzert für Violine und Orchester auf dem Programm. Eine Gruppe von 24 Kindern und Jugendlichen, die im benachbarten Telemann-Konservatorium in der Streicher- und in der Komponistenklasse lernen, ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen: Auf Einladung des Theaters besuchten sie die vorletzte Probe vor dem Konzert und kamen im Anschluss mit Errollyn Wallen ins Gespräch.
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Weshalb Errollyn Wallen in Magdeburg war
Sie hatte kurz zuvor die Probe mitverfolgt und noch einige verhaltene Hinweise wie diesen gegeben: „Die Bässe müssen stärker herauskommen.“ Generalmusikdirektorin Anna Skryleva, die die Leitung des Konzerts inne hatte, ließ diesen Wunsch in freundlicher Verbundenheit in die Probenarbeit einfließen. Bei dem Werk handelt es sich um ein Auftragswerk des Calgary Philharmonic Orchestra, Kansas City Symphony, North Carolina Symphony, Theaters Magdeburg, Royal Scottish National Orchestra und Brevard Music Center für den aus Russland stammenden amerikanischen Violinisten Philippe Quint.
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Wie die Komponistin ihre Konzert entwickelte
Für den Magdeburger Musik-Nachwuchs ist das eine spannende Exkursion. „Wie dynamisch!“, loben Musikschüler nach der Probe die Arbeit. Aufgefallen ist auch, wie anspruchsvoll die Komposition für Orchester und den Violinisten Philippe Quint ist, welch vielfältige Klangfarben sich dem Publikum bieten oder wie rhythmisch das Konzert gestaltet ist.
Doch all diese Dinge sollen ein paar Minuten später beim Gespräch mit Errollyn Wallen nicht einmal im Vordergrund stehen. Vielmehr brennen die jungen Leute beispielsweise darauf zu erfahren, wie die Komponistin zu ihrem Beruf gekommen ist und wie die neueste Sinfonie entstanden ist - und natürlich, ob solch eine Uraufführung für sie aufregend ist. „Heute früh im Hotel, das war schon sehr aufregend“, sagt Errollyn Wallen: „Ein Orchester besteht ja aus Menschen, aus Individuen.“ Da sei es normal, gespannt zu sein, ob sie aus den Noten die Gefühle herauslesen können, die man selbst beim Schreiben empfunden habe. Wenn man sich dann wiederfindet, sei das eigene Stück dann fast zu viel: „Es ist supercool, wenn alles präzise passt. Man will fast schreien.“
Wie wird man Komponist?
Und die Inspiration für das Stück? „Ich wollte etwas schreiben, das Philippes Persönlichkeit widerspiegelt", berichtet die Komponistin. Er kommt aus Russland und siedelte als Kind in die USA über. Im ersten Satz sind daher die Glocken von St. Petersburg zu hören, im zweiten die Harfe, die an ein Schlaflied erinnert, das der Großvater der späteren Violinisten vorgesungen hatte.
Für das Konzert für Orchester und Geige hat Errollyn Wallen etwa zwei Monate benötigt. Sie sagt: „Das ist sehr schnell. Die eigentliche Arbeit ist ja nicht das Aufschreiben, sondern sich vorher Gedanken über das Werk zu machen.“
Wenn man den Dreh raus hat, sei aber auch das nicht schwer. Sie empfiehlt: „Schreibt einfach mal ein Stück für Freunde oder als Geschenk für die Familie. Das ist ein guter Einstieg.“ Und Vorbilder zu haben – in ihrem Fall Ravel, Strawinsky und Bach –, kann auch nicht schaden. Beschwerlich sei dann erst der Weg, ein Profi zu werden: „Wenn einen noch niemand einschätzen kann, sind viele zurückhaltend.“ Das dauert dann seine Zeit.
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Was Errollyn Wallen bislang für Werke schrieb
Errollyn Wallen wurden 1958 in Belize City geboren. Die Komponistin, Pianistin und Sängerin trägt seit 2024 den Ehrentitel Master of the King’s Music. Seit ihrem zweiten Lebensjahr lebt Errollyn Wallen in Großbritannien. Sie erhielt zunächst eine Ausbildung in Tanz, bevor sie Musik am Goldsmiths College und Komposition am King’s College in London sowie in Cambridge studierte.
Ihr Schaffen umfasst Instrumental- und Vokalmusik sowie Bühnenwerke. Sie gründete das Ensemble X und komponierte zahlreiche Auftragswerke für renommierte Institutionen wie das Royal Ballet und die BBC. 1998 war sie die erste farbige Komponistin, deren Werk bei den Proms aufgeführt wurde. Zudem schrieb sie Musik für bedeutende Anlässe wie die Paralympischen Spiele 2012 und das Jubiläum der britischen Königin. Ihre Musik verbindet Stile aus Klassik, Jazz und Pop. Eines ihrer bekanntesten Stücke ist ein Weihnachtslied: „Peace on Earth“. Doch auch dieses ist bislang eher in Großbritannien als auf dem Kontinent bekannt.