Blockade in Westerhüsen ohne Erfolg Erneut Proteste gegen Ausweisung
Magdeburg l Von einem "Gewaltexzess" der Polizei berichtete das Netzwerk Refugees Welcome MD, das am Donnerstagmorgen die Rücküberstellung des Eritreers Haile Shushay nach Italien verhindern wollte. Polizisten hätten die Menschenketten, die sich um den Flüchtling gebildet hatten, gewaltsam auseinandergerissen. Die Blockierer seien an den Haaren herausgezogen und zu Boden geworfen worden. Einen Notarzt für Verletzte hätten die Beamten nicht gerufen.
Robert Fietzke ist Mitglied des Flüchtlingsrates und der Linksjugend. Er sei als Beobachter vor Ort gewesen, berichtete er und beschrieb das Verhalten der Polizisten als "unverhältnismäßig". Unter den Blockierern wären zum Teil Minderjährige gewesen, die zum ersten Mal bei einer Blockade mitgewirkt hätten, "und die haben nicht mal im Alptraum mit dieser Gewalt gerechnet", sagte er. Er sprach von etwa 90 Aktivisten und 30 Polizisten in Vollmontur.
Ein anderes Bild zeichnet die Polizei. "Der Einsatz ist friedlich verlaufen", sagte Polizeisprecher Marc Becher. Die Polizei gibt die Zahl der Blockierer mit knapp über 50Personen an. Demgegenüber standen 30 Beamte. Menschen seien nicht verletzt worden, auch Sachschäden seien nicht zu verzeichnen gewesen. Niemand sei festgenommen oder verhaftet worden. Lediglich die Personalien von sieben Personen seien aufgenommen worden - allerdings nicht wegen der Blockade, sondern wegen Widerstandes gegen die Polizei und Beleidigung. Körperliche Angriffe auf die Polizei habe es bis auf eine Ausnahme nicht gegeben. "Die Demonstranten haben sich passiv gewehrt", so Becher. Den Anschuldigungen der Protestler widerspricht die Polizei. Gerade in Abschiebeverfahren sei jeder Beamte instruiert, "so defensiv wie möglich vorzugehen". Ähnlich schildert die Stadtverwaltung den Vorgang.
Haile Shushay hatte von der Ausländerbehörde als Abholort und Termin die Endhaltestelle der Straßenbahn um 4 Uhr genannt bekommen. Acht Mitarbeiter waren vor Ort und forderten den Flüchtling im Zehn-Minuten-Takt auf, sich aus der Menge zu lösen. Als das nicht passierte, übergab die Ausländerbehörde den Einsatz an die Polizei. Der Einsatzleiter forderte die Menge noch zweimal auf, den Ort zu verlassen. Als das nicht passierte, holten zirka zehn Beamte den Eritreer aus der Menge. Dabei sei nach Ansicht der Landeshauptstadt seitens der Polizei angemessen reagiert worden. Der Eritreer wurde nach Berlin gebracht und dort um 7 Uhr der Polizei übergeben. Um 10.25 Uhr startete sein Flugzeug nach Italien. Wie es mit Haile Shushay dort weitergehen wird, war gestern nicht in Erfahrung zu bringen. Das Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge teilte auf Nachfrage mit: "Bezüglich des weiteren Verfahrens im zuständigen Land bitte ich Sie, sich an die dortigen Behörden zu wenden." Grundlage für die Rücküberstellung von Haile Shushay ist das Dublin-Verfahren. Danach muss Shushay seinen Asylantrag in dem europäischen Land stellen, in das er zuerst eingereist ist. Shushay hatte in seinem Heimatland den Wehrdienst verweigert und wurde deshalb verfolgt, erklärte Fietzke. Hintergrund des Protests gegen die Rücküberstellung Shushays nach Italien seien die schlechten Bedingungen.
Im Stadtrat hinterfragten gestern ein Teilnehmer der Blockade und der Grüne Sören Herbst das Vorgehen der Polizei. Der Ordnungsbeigeordnete Holger Platz verteidigte es: "Der Rechtsstaat muss handlungsfähig bleiben." OB Lutz Trümper erklärte, dass die Verwaltung nun überlege, Abschiebungen künftig wieder ohne konkrete Ankündigung des Termins vorzunehmen.