Fahrrad-Test Angepöbelt und bejubelt in Magdeburg
Wer sich einmal gleichzeitig anpöbeln und bejubeln lassen will, muss mit einer Poolnudel auf dem Gepäckträger durch Magdeburg fahren.
Magdeburg l „Schämt euch!“, ruft ein Mann, der in einem Restaurant am Lessingplatz in Magdeburg sitzt – und das immer wieder. Gerade radeln an diesem frühen Abend etwa 30 Radfahrer auf der Arndtstraße an ihm vorbei. Alle eint eines: Sie haben eine Poolnudel auf den Gepäckträgern ihrer Räder befestigt, um Autofahrer darauf aufmerksam zu machen, wie groß der Sicherheitsabstand beim Überholen eines Radfahrers sein müsste. Einenmeterfünfzig.
Wie viel Platz das ist, merkt man erst, wenn man mal so eine Poolnudel auf den Gepäckträger klemmt. Traumhafte Bedingungen wären das für einen Radfahrer, würde jeder Autofahrer beim Überholen ebenjenen Platz einhalten. Oft aber sind Straßen viel zu eng oder die Geduld des Autofahrers genügt nicht, so dass er sich auch auf engen Straßen am Radfahrer vorbeischlängelt – und das weit unter diesem Abstand.
Gemeinsam mit den Radfahrern, die dem Aufruf der Initiative Magdeburger Radkultur zur Poolnudel-Fahrt gefolgt waren, sitze ich also nun auf meinem Fahrrad, radele mitten auf der Straße, wo ich sonst angedeutete Fahrradstreifen benutze. Los geht’s auf dem Breiten Weg. Statt den Fahrradstreifen zu benutzen, bevorzugen die Radfahrer die Straße – und sorgen so für einen ersten kleinen Rückstau. Denn selbst auf dem Breiten Weg reicht der Platz an einigen Stellen nicht, um an den Radfahrern vorbeizufahren, ohne die Poolnudel zu berühren.
Eine Passantin beäugt das Geschehen und merkt an: „Dit find ick jut.“ Als Radfahrer mit Poolnudel ist man vielerlei Reaktionen ausgesetzt, die von Zustimmung über Verlachung bis hin zu Beleidigungen reichen. „Kloppikinder“, ärgert sich beispielsweise ein anderer Radfahrer im Bereich des Glacis. Entgegenkommende Autofahrer hupen eher grüßend, vereinzelt gibt es Autofahrer, die ihren Motor aufheulen lassen und nach kürzerer Wartezeit und vorhandenem Platz beinah mit quietschenden Reifen überholen. An Haltestellen gibt es auch Fußgänger, die jubeln und Zustimmung für die Aktion äußern.
Aber immer wieder wird man von Autofahrern an roten Ampeln gefragt: „Können Sie nicht den Radweg benutzen?“ Doch den gibt es an vielen Stellen entweder nur angedeutet und jedenfalls nicht verbindlich. Denn verpflichtet, auf dem Radweg zu fahren, ist ein Radfahrer nur dann, wenn das blaue runde Schild mit weißem Fahrrad auftaucht. Dabei spielt es keine Rolle, ob hier getrennte oder gemeinsame Radwege und Fußwege beschildert sind. Und diese Schilder gibt es eher selten – nicht auf dem Breiten Weg, nicht auf der Sudenburger Wuhne und auch nicht auf der Westringbrücke.
Im Leben nicht würde ich sonst darauf kommen, von der Großen Diesdorfer nach links auf den Westring abzubiegen – in der Linksabbiegespur der Autos. Da würde ich immer die Fußgängerampeln nutzen, aus Sorge übersehen oder angehupt zu werden. Aber im Tross und mit dem Abstandhalter auf dem Gepäckträger sieht das dann doch anders aus.
Besonders angenehm ist das Fahren mit Poolnudel auf der Goethestraße und der Immermannstraße, auf jenen schmalen Straßen in Stadtfeld, auf denen man als Radfahrer normalerweise nicht nur mit aufgerissenen Fahrertüren, sondern auch mit dicht überholenden Autofahrern rechnen muss.
Was mir auffällt: Mit der Poolnudel ist ein Vorbeischlängeln an Autofahrern, das im täglichen Straßenverkehr auch zu gefährlichen Situationen führen kann, nicht möglich. Und in der Fußgängerzone ist derselbe Abstand, zumindest nach links, auch Passanten gegenüber einzuräumen. Abstandhalter auf dem Gepäckträger zu installieren, ist übrigens erlaubt, allerdings müssen dabei bestimmte Vorschriften eingehalten werden.
Das Fazit der Tour: So ein Abstandhalter auf dem Gepäckträger macht das Radfahren sehr angenehm. Für ein respektvolles Miteinander aller Verkehrsteilnehmer – egal ob Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer – wäre es wünschenswert, jeder Verkehrsteilnehmer hätte gedanklich stets eine Poolnudel dabei.