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Frauentag Männermacht am Magdeburger Straßenschild

Pünktlich zum Frauentag verbildlicht ein Magdeburger eine krasse Ungleichbehandlung im Stadtplan.

Von Katja Tessnow 08.03.2020, 00:01

Magdeburg l Mehr als die Hälfte der Magdeburger Bevölkerung ist weiblich. Am Straßenschild spiegelt sich die Geschlechterverteilung in der Einwohnerschaft nicht wider. Unter den nach Menschen benannten Straßen finden bei mageren zehn Prozent Frauen Berücksichtigung.

Am 8. März 2020 ist Internationaler Frauentag. Pünktlich zum Anlass hat der Magdeburger Programmierer Jens Winter einen interaktiven Stadtplan besonderer Art im Internet veröffentlicht. Winter machte sich an die Arbeit, den Magdeburger Stadtplan nach Geschlechterverteilung in Sachen Straßennamen zu durchforsten. „Das Ergebnis hat mich nicht überrascht, viel mehr meinen Eindruck bestätigt“, sagt Winter und weiß: „In den meisten deutschen Städten fällt die Verteilung ähnlich, manchmal noch extremer zugunsten von nach Männern benannten Straßen aus.“

Konkret fand der Magdeburger heraus: Von den etwas mehr als 1700 Magdeburger Straßen sind 460 nach Männern, aber nur 46 nach Frauen benannt „und da sind schon solche nach Göttinen der griechischen Mythologie inbegriffen“. Die nebenstehende Grafik basiert auf Winters Recherchen und liefert die ganze Wahrheit auf einen eindrucksvollen Blick.

„Im Gespräch mit meiner Freundin“, sagt Winter, sei er auf die Idee zur Verbildlichung der männlichen Übermacht am Straßenschild gekommen. Den Grundstein für die Umsetzung liefern Winters Passion als Programmierer und sein ehrenamtliches Engagement in offenen Daten-Netzwerken wie dem „Open Knowledge Lab“ (deutsch: offenes Wissenslabor). Der Magdeburger wirkt im lokalen Ableger der 2004 in Cambridge (Großbritannien) gegründeten Organisation mit, deren deutscher Ableger seinen Stammsitz in Berlin hat.

„Wir teilen die Grundüberzeugung, dass Daten ein Allgemeingut sind und jedem gehören“, so Winter. Im digitalen Wissenslabor haben es sich Tausende Menschen weltweit zum Ziel gesetzt, Daten in einer Weise eindrucksvoll aufzuarbeiten, dass sie eine breite Öffentlichkeit erreichen und so das in der Gesellschaft verfügbare Faktenwissen vermehren. „Dabei wollen wir niemandem Vorschriften machen, welche Schlüsse er aus den bereitgestellten Daten zieht, sondern einfach informieren.“ Bringe manche Information, etwa eine über die ungleiche Berücksichtigung der Geschlechter in der Würdigung am Straßenschild, Menschen zum Nachdenken, sei das umso besser. Winter: „Wäre doch schön, wenn in naher Zukunft mal ein paar Frauen auf dem Stadtplan hinzukämen.“

Was sich am Straßenschild erweise, setze sich zum Beispiel bei der Benennung von Schulen fort. Nach Winters Recherchen tragen in Magdeburg 30 Schulen einen menschlichen Namen, davon 25 einen männlichen.

Etwa eine Woche hat Winter für die Aufbereitung der Stadtplan-Daten benötigt. „Das Amt für Statistik war mir bei der Bereitstellung von Daten sehr behilflich, wofür ich dankbar bin.“ Die Unterscheidung in männliche, weibliche und andere Straßennamen überließ der Programmierer in eindeutigen Fällen einem Algorithmus, in anderen war Eigenrecherche nötig. „Das war sehr interessant“, hat Winter sozusagen im Lauf der Arbeit einen Narren an Straßennamen und daran, was sie über die Stadtgeschichte erzählen, gefressen. „Ich bin in Sudenburg aufgewachsen und dachte immer, die Astonstraße sei gewiss nach einem Herrn Aston benannt.“ In diesem Fall eine falsche Annahme und eine Ausnahme auf dem Magdeburger Stadtplan. Die Astonstraße trägt ihren Namen nicht nach dem in Magdeburg wirkenden englischen Fabrikanten Samuel Aston, sondern nach dessen Frau Louise – ein bemerkenswertes Frauenzimmer mit Hosen, Zigarre und sehr viel im Kopf.

Anders verhält es sich bei der Neustädter Rosenthalstraße, benannt nach dem langjährigen Neustädter Bürgermeister Karl Rosenthal (1775-1847). Seine Frau Elisabeth beförderte in Magdeburg entscheidend die Bildung von Mädchen und gründete 1868 am Nicolaiplatz die erste höhere Mädchenschule Magdeburgs. „Warum ist nach ihr eigentlich keine Straße benannt?“, fragt sich Winter.

Neben dem Straßennamen-Projekt widmet sich das Open Knowledge Lab Magdeburg unter anderem den Bäumen, Denkmalen und rechter Gewalt. Winter war auch Initiator des Magd-O-Mat, eines Online-Thesen-Portals zur Kommunalwahl 2019, auf das die Magdeburger vieltausendfach zugriffen.

Der interaktive Stadtplan nach Geschlechtern und weitere Datensammlungen des Open Knowledge (OK) Lab Magdeburg sind im Internet unter https://codefor.de/magdeburg abrufbar. Wer beim OK Lab MD mitmachen möchte, ist eingeladen, sich bei jens.winter@gmail.com zu melden.