Worte aus der Kirche Gedanken zum Sonntag: Die Logik von Hass durchbrechen
Mit ihren persönlichen Gedanken melden sich Christen in Magdeburg am Sonntag zu Wort. Diesmal: Dr. Angela Kunze-Beiküfner, Hochschulpfarrerin in Magdeburg.
Wir sind keine Christen, wir halten nicht die andere Wange hin – in der letzten Woche habe ich diesen Satz in einem Interview mit einem Mitglied einer Bürgerwehr gelesen. Dahinter stand die Aussage: Wir sind keine Schwächlinge, wir sind wehrhaft! Diese Aussage hat mich sehr beschäftigt. Denn die Forderung von Jesus, die er als Jude in seiner berühmten Bergpredigt an seine jüdischen Zuhörer richtet, bringe ich nicht mit Schwäche, sondern mit Sanftmut und gewaltfreiem Widerstand in Verbindung.
Wie Jesus das Wort „Wenn einer dich auf die rechte Backe schlägt, dann halte auch die andere hin“ gemeint hat, darüber gibt es verschiedene Meinungen. Jesus stand mit seiner Äußerung in der Tradition des Judentums – seine Haltung auf Gewaltverzicht findet sich auch schon in der hebräischen Bibel. Allgemein wird angenommen, dass sich Jesus auf eine Situation bezieht, wo jemandem symbolisch und öffentlich mit dem Handrücken ins Gesicht (rechte Hand auf rechte Wange) geschlagen wird, um diese Person zu beleidigen, und nicht auf eine existenzielle Verteidigungssituation, wie sie zum Beispiel bei einem Angriffskrieg vorliegt. Wenn uns mit Hass begegnet wird, sollen wir nach der Logik Jesu nicht zum Gegenangriff übergehen, sondern wie Jesus, der vor seiner Kreuzigung geohrfeigt wurde, fragen: Warum machst du das?
Ausstieg aus der Spirale
Aus der Spirale von Anschuldigungen, Kränkungen und Vorwürfen aussteigen, sich nicht mitreißen lassen von der Sprache der Gewalt. Manchmal gelingt mir das, und dann habe ich tatsächlich damit gute Erfahrungen gemacht – zu oft aber gehe ich, obwohl ich versuche, mich an Jesus zu orientieren, verbal gleich zum Gegenangriff über – leider! Was nicht bedeutet, dass ich Streitgespräche ablehne, aber wie schnell wird aus einem Pro und Kontra zu bestimmten Fakten ein Schlagabtausch, der darauf zielt, das Gegenüber zu kränken und herabzuwürdigen.
In diesem Zusammenhang hat mich noch ein anderes Interview bewegt, welches der ARD-Redakteur Eckart Aretz mit dem jüdischen Israeli und Publizisten Ofer Waldmann über den Krieg in Gaza und Israel geführt hat. Waldmann sagt am Ende des Gesprächs: „Wenn ich verlange, dass mein Leid, meine Wut und Trauer gesehen werden, gehört es dazu, dass ich auch Wut und Trauer und Leid der vermeintlich anderen Seite wahrnehme“ (Tagesschau.de vom 7. April).
Hass und Gewalt entlarven
Gerade in Zeiten des Krieges führt eine Dynamik von Hass und Gewalt dazu, Menschen „auf der anderen Seite“ nur noch als Feinde wahrzunehmen. Die andere Wange hinzuhalten kann hier bedeuten, dem Hass zu widerstehen und zu widersprechen – ohne dass das Recht auf Selbstverteidigung in Frage gestellt wird.
Die andere Wange hinzuhalten, bedeutet auch, die Strukturen von Hass(-rede) und Gewalt zu entlarven und offenzulegen. Und das sollte uns mit allen friedliebenden Menschen verbinden, egal ob religiös oder ohne Konfessionsbindung – dann kann es auch die Gesellschaft verändern.