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Gedenktag 16. Januar: Ein schwarzer Tag für Magdeburg

Volkmar Lemke wohnt schon sein Leben lang im Magdeburger Ortsteil Randau. Er erzählt, wie er den Luftangriff 1945 erlebte.

Von Bianca Oldekamp 16.01.2017, 00:01

Magdeburg l Am Abend des 16. Januar 1945 gegen 21 Uhr ging der Angriff los. Ich war sieben Jahre alt. Meine Mutter Martha Lemke nahm mich wie bei jedem Alarm an die Hand. Wir wollten in den Bunker im Garten. Auf einmal gab es ein zischendes Feuer in unserem Esszimmer. Eine Stabbrandbombe war auf den Tisch geflogen. An der Tür fing es an zu brennen. Meine Mutter, die mich ja eigentlich immer an der Hand hielt, ließ mich los. Sie riss die Fenster auf, nahm die Bombe und warf sie auf die Straße. In diesem Moment explodierte die Stabbrandbombe. Wir schauten zum Himmel Richtung Kirche: Alles war taghell. In diesem Moment sahen wir die Piloten in ihren Flugzeugen. Weil wir noch aus dem Fenster geschaut hatten, wurde eine Maschinengewehrsalve auf uns abgefeuert. Als Andenken sieht man noch heute die Löcher im Mauerwerk meines Elternhauses.

Es brannte überall, mit Eimern wurde gelöscht. Auch Feuerwehr und Bäckerei sowie Laden und Gasthaus von Friedrich Samptleben brannten ab, ebenso der Stall von Ernst Koch, das Wohnhaus von Georg Lehmann, der Stall von Sellmeier und Scheune und Speicher auf dem Rittergut. Das Amtshaus wurde von den Anwohnern noch gelöscht. Auch die große Scheune auf dem Hof brannte ab. Ebenso die Friedhofskapelle, die aber von meinem Onkel Ernst Wesche und anderen Nachbarn gelöscht wurde. Im Haus in der Randauer Dorfstraße Nummer 17 war ein großer Blindgänger gelandet, der nicht explodierte. Der Blindgänger wurde später von der Armee entschärft – Glück im Unglück.

Am nächsten Tag fuhren meine Tante Margarete Wicher, die aus Pechau stammte, und ich mit dem Fahrrad zu ihren Eltern und Geschwistern. In Luisenthal war das Gasthaus abgebrannt. Die Tochter des Hauses war an der Hand schwer verletzt. Das Haus der Familie war durch Luftminen zerstört worden. In ganz Pechau war die Hölle los.

Wie auch in den anderen Stadtteilen Magdeburgs wurden durch den verheerenden Bombenangriff am 16. Januar 1945 zahlreiche Menschen verletzt. Tote gab es in Randau jedoch zum Glück nicht zu beklagen.

Im Mai 1945 wurden wir erneut von den Amerikanern beschossen. Diesmal wurde der Kirchturm getroffen. Da sich mein Heimatort Randau schließlich ergeben wollte, aber noch deutsches Militär da war, kam es zu Kampfhandlungen. Ein Amerikaner wurde erschossen. Auch viele deutsche Soldaten kamen ums Leben. Sie liegen auf dem Randauer Friedhof begraben.

Meine Mutter hatte an diesem Tag eine Wäschestütze genommen und einen weißen Kopfkissenbezug und die Konstruktion symbolisch aus dem Dachfenster gehängt. Dann kam ein Hauptmann der deutschen Armee und wollte meine Mutter als Verräterin erschießen. Sie wollte sich ja schließlich ergeben. Meine Mutter nahm mich vor ihre Brust und sagte: „Tun Sie das, was Sie nicht lassen können.“ Mein Großvater Roman Wicher kam dazu und hat den Soldaten vertrieben. Der Soldat hat sich mit seiner Panzerfaust letztlich vor amerikanischen Soldaten unter dem Bett versteckt. Obwohl er ja Tochter und Enkelkind erschießen wollte, war mein Opa so anständig, dass er ihn mit dem Leben davonkommen ließ und ihn nicht verraten hat. Sonst hätten die Amerikaner ihn sicherlich erschossen. Letztendlich wurde genau dieser deutsche Soldat ein guter Sozialist.