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  7. Gericht: Nicht immer haftet die Stadt bei Sturz auf desolatem Gehweg

Frau verlor Klage, weil Rohrstumpf nur einen Zentimeter aus dem Boden ragte / Höhendifferenzen bis zwei Zentimeter "hinnehmbar" Gericht: Nicht immer haftet die Stadt bei Sturz auf desolatem Gehweg

Von Matthias Fricke 18.08.2011, 06:29

Nach einem aktuellen und rechtskräftigen Urteil des Landgerichtes ist die Klage einer 69-jährigen Frau abgewiesen worden, die auf dem Gehweg der Arndtstraße über einen dort verbliebenen Rohrstumpf stolperte und nun 6000 Euro Schadensersatz forderte. Die Begründung der Richter: Eine Höhendifferenz von zwei Zentimeter sei in der Regel hinzunehmen. Im vergangenen Jahr führten von zehn Klagen gegen die Stadt nur zwei auch zur Zahlung.

Magdeburg. Nicht in jedem Fall haftet die Stadt dafür, wenn eine Seniorin auf dem Gehweg über eine Unebenheit stolpert. Dies entschied die 10. Zivilkammer des Magdeburger Landgerichts in einem aktuellen Urteil 10 O 22/11 und lehnte die Klage einer Magdeburgerin gegen die Stadt ab.

Die 69-jährige Antragstellerin war am 2. September vergangenen Jahres auf dem Gehweg in der Arndtstraße in der Nähe der Kreuzung zur Großen Diesdorfer Straße über einen im Gehweg verbliebenen Rohrstumpf gestolpert und dabei gestürzt. Die Klägerin machte gegenüber der Stadt Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von rund 6000 Euro geltend. Die Seniorin war davon überzeugt, dass die Stadt ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen sei.

Das Landgericht sah die Sache anders und wies die Klage ab. Landgerichtssprecher Christian Löffler: "Die Verkehrssicherungspflicht bedeutet nicht die Verpflichtung der Stadt, einen absolut sicheren Zustand der Straßen und Wege zu erhalten. Bei Gehwegen hat sich in der Rechtsprechung eine Meinung herausgebildet, dass Höhendifferenzen bis 2 Zentimeter in aller Regel hinzunehmen sind. Der Rohrstumpf, über den die Klägerin gestürzt sein will, ragt allenfalls 1 Zentimeter über das Niveau des übrigen Pflasters und ist für jeden Fußgänger gut erkennbar. Die Klägerin hätte, wenn sie auf den Weg geachtet hätte, einen Sturz mit Sicherheit vermeiden können. Insbesondere ist die Gefahr für die Klägerin erkennbar gewesen. Hier hat sich ein allgemeines Lebensrisiko verwirk-licht, von dem niemand verschont bleibt. Eine Haftung der Stadt scheidet damit aus."

Die Rentnerin hat gegen das Urteil Berufung beim Oberlandesgericht Naumburg eingelegt, diese aber kürzlich zurückgenommen, nachdem das Oberlandesgericht zuvor darauf hinwies, dass die Berufung wohl keine Aussicht auf Erfolg hat.

Im vergangenen Jahr ist nach Angaben von Magdeburgs Ordnungsbeigeordneten Holger Platz die Stadt zehnmal wegen der Nichteinhaltung der Verkehrssicherungspflicht verklagt worden. Sieben Klagen wurden davon vom Gericht abgewiesen, eine zurückgenommen und nur zwei führten tatsächlich zu Schadensersatzzahlungen in Höhe von 2200 bzw. 2800 Euro. "Die Schadensersatzzahlungen werden durch unseren Haftpflichtversicherer, den ,Kommunalen Schadensausgleich\' in Berlin vorgenommen", so Beigeordneter Holger Platz.

In diesem Jahr gingen bisher acht Klagen ein, zwei Klagen wurden abgewiesen, eine wurde zurückgenommen und vier werden noch verhandelt.

Die meisten Schadensersatzforderungen wegen eventueller Verstöße gegen die Verkehrssicherungspflicht löst die Stadt im außergerichtlichen Verfahren. Im vergangenen Jahr haben zum Beispiel außergerichtlich 109 Anspruchsteller Schadensersatz wegen möglicher Verletzungen der Verkehrssicherungspflicht begehrt. Zehn von ihnen erhielten insgesamt 22250 Euro. Alle anderen Ansprüche erwiesen sich offenbar als unbegründet. In diesem Jahr gingen bisher 65 Anträge auf Zahlung von Schadensersatz ein, drei Antragsteller erhielten bisher 1376 Euro.

Stadtsprecherin Cornelia Poe- nicke: "Es zeigt aber auch, wie wichtig es ist, dass die Kommunen ordentlich mit Finanzen ausgestattet werden. Die Situation im Straßen- und Brückenbau wird immer schwieriger." Und zum öffentlichen Verkehrsraum zählen auch städtische Bäume, die regelmäßig gepflegt und kontrolliert werden müssen. Aus allem ergebe sich, dass für die Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht verschiedene Maßnahmen erforderlich sind, deren Kosten gar nicht eingeschätzt werden könnten.