Geschichtsprojekt "Magdeburger" twittert zum 17. Juni 1953
Zum 65. Jahrestag des Volksaufstandes in der DDR am 17. Juni 1953 startet ein britischer Historiker ein Twitter-Projekt.
Magdeburg/Chester l Wie lief der Volksaufstand in der DDR am 17. Juni 1953 ab? Und was ging in den ostdeutschen Städten vor? Was haben die Menschen an diesem Tag gemacht? Dr. Richard Millington, Dozent der Universität Chester in Großbritannien, will am 17. Juni 2018 ein Twitterprojekt dazu starten, das viele Fragen beantwortet und einen Einblick in Echtzeit gibt.
Anlass ist der 65. Jahrestag des Volksaufstandes. Im Laufe des Tages werden sieben fiktive Bürger der DDR Nachrichten über die Internetplattform Twitter schicken. Sie beschreiben, wie sie die Ereignisse in Ostberlin, Dresden, Görlitz, Halle, Leipzig und Magdeburg von Stunde zu Stunde erleben – in Echtzeit, als ob es 1953 wäre.
Das Projekt basiert auf jahrelanger wissenschaftlicher Primär- und Sekundärforschung Millingtons, sei aber für alle geeignet, die ein Interesse an der deutschen Zeitgeschichte haben, erklärt er: „Es war meine Absicht, etwas zu schaffen, was allen die Geschichte des Aufstandes zugänglich macht.“ Die fiktiven Charaktere stellen das Geschehen aus unterschiedlichen Blickwinkeln der Gesellschaft dar.
Aus Magdeburg wird „Hans Riesch“ twittern, ein 24-Jähriger, der als Former im Schwermaschinenbau-Kombinat „Ernst Thälmann“ arbeitet. Nur Fotos und Videos kann Millington aufgrund der Urheberrechte nicht über Twitter verbreiten.
In England wüssten die wenigsten von diesem Aufstand, erklärt Richard Millington: „Der Aufstand steht hier im Schatten der Ereignisse in Ungarn 1956, Prag 1968, Polen 1980 und in der DDR 1989“, sagt er. Und so ist eines der Ziele, die er mit diesem Projekt verfolgt, die Geschichte der englischen Öffentlichkeit näherzubringen. „Aus diesem Grund twittert eine meiner Figuren auf Englisch“, kündigt er an.
Doch wie kommt nun ein britischer Dozent dazu, den Volksaufstand zum Thema einer Twitter-Story zu machen? „Ich erforsche seit langem den Volksaufstand in der DDR“, berichtet Millington, „in meiner Doktorarbeit schrieb ich über Erinnerungen an die Ereignisse während der DDR-Zeit mit besonderer Berücksichtigung der Stadt Magdeburg.“
Die Idee für das Twitterprojekt entwickelte sich 2017. Im Rahmen seiner Forschungen im Bundesarchiv in Berlin, bei der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und im Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt „habe ich auch mit vielen Zeitzeugen des Aufstandes gesprochen“. Zudem gebe es viel Sekundärliteratur dazu.
An der Uni Chester arbeitet er als Dozent und Forscher in der Abteilung für Fremdsprachen. Er spricht fließend Deutsch. Er ist jedoch kein Sprachwissenschaftler, sondern Historiker. Er unterrichtet die deutsche Sprache sowie deutsche Geschichte und Politik. Im Moment forscht er auch zur Kriminalität in der DDR.
Mehrfach war Millington bereits in Deutschland, sowohl für seine Forschungsarbeit, als auch um Urlaub zu machen. Und er hat auch in Deutschland gelebt – unter anderem in Saarbrücken, Berlin, Magdeburg und Oschersleben. „Ich fand die Magdeburger und Oscherslebener sehr bodenständig, freundlich und hilfsbereit und ich werde ihre Großzügigkeit nie vergessen“, erinnert er sich gern an diese Zeit zurück.
Nun gibt es aber noch einiges zum Twitter-Projekt vorzubereiten. Wer dieses sogenannte Storytelling-Projekt mitverfolgen möchte, kann dies auch, ohne bei Twitter angemeldet zu sein.
Das Haupttwitterkonto für das Projekt heißt @17juni1953live. Es wird auch den Hashtag #17juni1953live geben. Infos zum Projekt und zu den Figuren sind auf www.17juni1953live.wordpress.com zu finden.