Volksstimme-Serie „Raus aus der Komfortzone“ Gesund ins neue Jahr: Wie Meal-Prep und Gewichtsverlust funktioniert
Gesunde Ernährung hat viele Vorteile. Doch beim Einstieg sollte man sich nicht zu viel vornehmen. Wie man gute Vorsätze dauerhaft umsetzen kann, zeigt unsere Serie und das Interview mit einer Expertin.
Magdeburg - Fettiges Essen, hier mal etwas Süßes vom Bäcker, da mal ein Snack an der Tankstelle – im Alltag gibt es zahlreiche Fallen, die gute Vorsätze für eine gesündere Ernährung schnell aushebeln. Volksstimme-Chefredakteur Marc Rath hat im Rahmen der Serie „Raus aus der Komfortzone“ darüber mit Sabrina Funk gesprochen. Sie ist nach dem Abschluss ihres Masterstudiums Sport und Ernährung freiberufliche und zertifizierte Ernährungsberaterin und unter anderem im Auftrag der AOK Sachsen-Anhalt im Land unterwegs.
Der Anfang des Jahres ist die Zeit für vielerlei Absichtserklärungen. Welcher Schritt ist denn bei der gesunden Ernährung aus Ihrer Sicht der wichtigste, damit nach den Worten auch Taten folgen?
Man sollte sich ganz klare Ziele setzen. Etwa einfach zu sagen, ich möchte durch eine gesündere Ernährung abnehmen, ist kein klares Ziel. Und damit scheitern ganz, ganz viele Vorsätze tatsächlich. Es sollte daher um SMARTe Ziele gehen (spezifisch – messbar – attraktiv – realistisch – terminiert). Also zum Beispiel wie viel möchte ich abnehmen? Bis wann möchte ich das erreichen? Warum möchte ich eigentlich abnehmen – was ist meine Motivation? Das sollte man auch am besten aufschreiben oder jemandem Vertrauten sagen. Somit hat der innere Schweinehund weniger Angriffsfläche, auch das Ziel kann besser fokussiert werden. Viele machen aber auch den Fehler, sich ein zu großes Ziel zu setzen. Kleine Teilziele sind da besser.
Was sind realistische Ziele?
Beim Abnehmen etwa sollten es ein halbes bis maximal ein Kilo pro Woche sein. Wenn ich sage, ich möchte bis Ende Januar 20 Kilo abnehmen, wird das nicht funktionieren. Und dann ist natürlich dann auch der Frust groß. Und ich weiß, viele möchten die Kilos schnell runter haben, doch denken Sie daran, dass sie auch nicht von heute auf morgen hinzugekommen sind. Geben Sie Ihrem Körper die Zeit und nehmen Sie langsam ab, um den Jo-Jo-Effekt zu verhindern.
Welches sind denn die größten Missverständnisse beim Thema gesunde Ernährung?
Das größte Missverständnis ist, dass es viel teurer ist und zu lange dauert, sich gesunde Rezepte rauszusuchen und nachzukochen. Das muss nicht so sein. Ja, bestimmte Gemüse- und Obstsorten sind etwas teurer, aber oft ist es auch einfach der Fokus, wofür ich mein Geld ausgeben möchte. Und wenn ich bewusster und nahrhafter esse, komme ich oft auch mit weniger aus. Es muss ja nicht immer das teuerste Produkt oder das Markenprodukt in den Einkaufskorb. Wichtiger ist der Vergleich der Zutaten: Wie hoch ist der Zuckeranteil? Wie ist der Eiweißanteil? So kann man gut essen und sparen.
Ich muss dann auch auf Kleingedrucktes gucken. Also etwas mehr Zeit sollte man schon mitbringen?
Ja, am Anfang ist es mühselig, die Zutatenliste zu lesen. Da dauert der Einkauf wirklich länger. Aber irgendwann hat man seine Produkte, und da muss man vielleicht einmal im halben Jahr oder im Jahr noch einmal nachschauen, ob sich etwas an der Rezeptur geändert hat. Es gibt inzwischen auch Apps, über die ich den Barcode einscannen kann und dann wird das Produkt bewertet. Was ist drin? Ist das gut oder nicht?
Viele gute Vorsätze scheitern ja im Alltag. Was sollte man tun, damit es dazu nicht kommt? Gibt es da so etwas wie eine gefährliche Phase, wenn man sich auf etwas Neues einlässt?
Die gibt es tatsächlich. Eine Veränderung braucht um die sechs bis acht Wochen, damit sie wirklich umgesetzt wird und auch langfristig wirkt. Diese Zeit sollte man definitiv durchhalten können. Die erste Woche ist man häufig voller Motivation. In der zweiten Woche merkt man dann schon, dass man noch einmal nachjustieren muss. Und da empfehle ich, auch den inneren Kreis an Familie und Freunden – also Verbündete – mit ins Boot zu holen, um mit ihrer Hilfe den inneren Schweinehund besser überwinden zu können. Denn wenn die Familie oder die Freunde nicht mitmachen oder das nicht wissen, dass ich mich jetzt gesünder ernähren möchte und mich in die Pizzeria, zum Dönerladen oder sonst wohin einladen, dann ist es ständig wieder ein Kampf, auf sich selber zu achten.
Ich empfehle daher, sich Verbündete ins Boot zu holen. Zudem machen Sie sich immer wieder bewusst, warum Sie dieses Ziel verfolgen möchten. Was ist Ihre Motivation? Sprechen Sie es laut aus und wiederholen Sie sich dieses Ziel immer wieder.
Wie kann man sich gesünder ernähren, auch wenn man ganz wenig Zeit hat, etwa aus beruflichen Gründen oder wegen privater Verpflichtungen?
Für mich ist da das Meal-Prep-Prinzip, also Mahlzeiten vorzubereiten, ein guter niedriger Einstieg. Etwas vorkochen, wenn Zeit da ist. Es muss auch nicht gleich eine ganze Woche vorgekocht werden. Starten Sie auch hier klein.
Zum Beispiel, indem man am Vorabend das Frühstück vorbereitet. Damit man am Morgen keinen Stress hat. Hier könnte ich etwa ein selbst gemachtes Knuspermüsli empfehlen. Da bereite ich einmal eine große Schüssel zu und dann habe ich das über ein bis zwei Monate und muss nicht die zuckerhaltigen Müslis aus dem Supermarkt nehmen.
Gibt es auch eine Art Trick?
Haben Sie schon mal etwas von resistenter Stärke gehört?
Ehrlich gesagt nein.
Diese tritt zum Beispiel bei Kartoffeln, Pasta, Reis oder anderen stärkehaltigen Lebensmitteln, die Sie am Vortag gekocht haben, auf. Beim Abkühlen verändert die Stärke ihre Struktur und wird somit für den Darm fast unverdaulich, weil unsere Verdauungsenzyme sie nicht mehr aufspalten können. Dies hat einen längeren Sättigungseffekt und eine geringere Kalorienaufnahme. Dieser Effekt bleibt übrigens auch beim Wieder-Aufkochen der Lebensmittel erhalten. Zudem unterstützt sie die Darmflora – also eine Win-win-Situation.
Sollte man eigentlich eher wenige große oder viele kleine Mahlzeiten über den Tag hinweg zu sich nehmen?
Ich empfehle lieber wenige Mahlzeiten, zum Beispiel drei über den Tag, fest einzuplanen und dazwischen wirklich auch eine Pause zu haben, um den Stoffwechsel mal wieder ein bisschen ruhen zu lassen beziehungsweise im Hintergrund arbeiten zu lassen. Doch Vorsicht – natürlich zählt auch der Milchkaffe oder ein zuckerhaltiges Bonbon als Zwischenmahlzeit und löst somit ebenfalls einen Anstieg des Blutzuckerspiegels aus. Also reflektieren Sie genau oder schreiben Sie gerne auch mal jede (noch so kleine) Mahlzeit über drei bis vier Tage lang auf. Manchmal ist man ganz verblüfft, was so alles zusammen kommt.
Wenn dann doch mal der Heißhunger kommt. Zu was raten Sie dann?
Ich bin kein Mensch, der immer alles verbieten will. Wer zum Beispiel auf Schokolade gerade richtig Lust hat, sollte sich auch ein Stück nehmen. Aber vielleicht nicht gleich die ganze Tafel, sondern einen Riegel und der Rest wandert wieder in den Schrank zurück. Hier würde ich auch eher eine Zartbitterschokolade empfehlen, denn neben dem höheren Kakao- und niedrigerem Zuckeranteil schmilzt sie langsamer im Mund und man hat davon länger etwas. Essen Sie mit Genuss, bewusst und langsam. Das ist nämlich das, wie ich finde, was in der Menschheit heutzutage ein bisschen verloren gegangen ist, weil alles immer schnell, schnell gehen soll – leider auch das Essen. Auch eine Handvoll Nüsse, Möhren oder etwas Joghurt mit Früchten können gute Snackalternativen sein. Oder Sie trinken erst einmal ein großes Glas Wasser. Viele verwechseln auch das Hunger- mit dem Durstgefühl.Und zu guter Letzt: Hinterfragen Sie, warum Sie Heißhunger haben. Bei vielen Personen liegt es häufig an zu wenig Eiweißen oder Ballaststoffen in den Mahlzeiten. Auch hier kann ein Ernährungstagebuch aufschlussreich sein.
Hand aufs Herz: An welcher süßen Sünde können Sie nicht vorbeigehen?
(lacht) Gummibärchen und im Sommer Eis, das sind so meine Sachen, wo ich immer aufpassen muss oder möchte. Oder die ich auch gar nicht groß einkaufen darf (lacht). Aber wenn ich wirklich super Bock auf Gummibärchen habe, dann hole ich mir auch eine Handvoll oder eine kleine Schüssel und genieße die ganz bewusst. Davon geht die Welt auch nicht gleich unter. Vielleicht auch direkt zu einer Mahlzeit als Nachtisch hinzu, wenn sowieso der Blutzuckerspiegel ansteigt. Zudem muss man natürlich schauen, dass es sich in Grenzen hält.
Wenn ich täglich über meinem Kalorienbedarf bin, dann wird sich das auf der Waage zeigen, wenn ich nicht zugleich Sport treibe und mich bewege.