"Graffiti sind nichts für die Ewigkeit"
Grauer Beton, alte Backsteinfassaden, ein gelbes Gebäude, in dem einst Nudeln produziert wurden - und dazwischen ... viel Farbe. Das frühere Werksgelände am Klosterkamp in Rothensee mausert sich zu Deutschlands größtem Freiluft-Atelier.
Magdeburg (rho) l Künstlerische Bilder zieren die Außenwände der geschichtsträchtigen Bauwerke. Es sind Schriftzüge in knalligen Farben, aber auch Bilder, die wie riesige Fotografien wirken.
Fast erschlagen wird der Betrachter von den rund 150 Graffiti, die von über 200 Künstlern aus der ganzen Welt an die einst kahlen Wände gesprüht wurden. Nicht illegal angebracht wurden sogenannte "Piece" (steht umgangssprachlich für die Einzahl eines Graffito, das so viel bedeutet wie Stück), sondern ganz legal. Mit der "Aerosol Arena" wurde auf 30000 Quadratmetern ein Areal für Künstler geschaffen, die sich individuell auf großen Flächen austoben und diese zum Leben erwecken möchten. Aber auch der Austausch unter den Künstlern kann hier erfolgen.
"Soweit wir wissen, ist die Aerosol Arena das einzige Freiluftatelier dieser Art in ganz Europa", erklärt Daniela Kreissl, die Vereinsvorsitzende vom betreibenden Verein "Freiluft-Atelier", und ist sichtlich stolz darauf. Die gebürtige Schweizerin hat zusammen mit dem Dortmunder Graffiti-Künstler Jens Märker den Verein und das Projekt in Mageburg ins Leben gerufen, das sich mittlerweile nicht nur bundesweit einen hohen Stand in der Szene erarbeitet hat.
Doch wieso gerade in Magdeburg? Wie der Zufall es wollte, konnte Mitinitiator Jens Märker das Gelände günstig von einem Freund übernehmen und kam somit auch an die Elbestadt, nicht so recht wissend, was nun entstehen soll. Doch nicht lange wurde überlegt, sondern gehandelt. Genau hier sollen Künstler einfach das machen können, was sie wollen.
Der Verein wurde gegründet, das Konzept geschrieben und einfach drauflos gearbeitet - und das mit Erfolg. "Kurz nachdem wir zu Pfingsten letzten Jahres die Fläche freigegeben haben, kam der weltweit bekannte Künstler Hendrik Beikirch nach Magdeburg, um sich als einer der Ersten auf unserem Gelände zu verewigen. Sein 28 Meter hohes und circa 15 Meter breites Piece ist immer noch bei uns zu bewundern", so Daniela. "Es ist uns wichtig, den jungen Leuten eine Plattform zu bieten, auf der sie sich austoben können, aber auch professionellen Künstlern, um ihr Können zu zeigen."
Dass die Graffiti nicht nur Schmierereien sind, sondern richtige Geschichten erzählen, beeindruckt. "Wir haben gerade im Sommer viele Gäste, die durch Zufall am Gelände vorbeigehen und aufmerksam werden. Sie alle sind meist verblüfft von der Vielfalt und Kreativität der Künstler. Das prägt das Unterbewusstsein der Besucher, die diese Kunst sonst vielleicht als Schmierereien ansehen." Das Motto des Vereins "Von uns, für uns. Damit wir endlich verstanden werden!" hat so schon viele Magdeburger erreicht, glaubt Vereinschefin Kreissl.
Gefördert wird das Projekt übrigens nicht, es lebt durch Eigenfinanzierung, Vereinsbeiträge und vor allem das große ehrenamtliche Engagement. "Jeder Künstler hat die Möglichkeit, für wenig Geld sein Piece zu malen. Verschiedene Faktoren wie Größe und Zubehör spielen hier eine Rolle", erzählt die 43-Jährige, die neben ihrem Job fast täglich etwas für den Verein tut. Sogar eine Vereinswohnung für Gäste, die nicht aus der Umgebung kommen, wird kostengünstig angeboten. Der Verein, der mittlerweile um die 50 Mitglieder umfasst, strebt keinen Profit an. "Am Anfang haben wir kein Geld genommen, doch das Gelände muss instand gehalten werden und wir können nicht immer alles aus eigener Tasche bezahlen. Zudem ist es uns wichtig, dass die Künstler die Wertigkeit erkennen und nicht das Projekt als selbstverständlich ansehen." Für wen es sich jedoch lohnt, kann auch für 60 Euro im Jahr, sprich fünf Euro pro Monat, Vereinsmitglied werden und so alles kostenfrei nutzen.
Daniela Kreissl ergänzt: "Für die Zukunft haben wir vieles geplant, aber das ergibt sich nach und nach. Die nächste Veranstaltung ist am kommenden Samstag ab 12 Uhr. Hier begeht der Verein sein Neujahrsfest mit einer kleinen Feier. Freunde, Gönner und Mitglieder sind herzlich eingeladen." Der Eintritt ist kostenlos. Der nächste Termin, den sich jeder im Kalender vermerken kann, ist zu Pfingsten, denn dann feiert die Aerosol-Arena einjähriges Bestehen: "Und das wird wirklich ein Knaller", sagt Daniela abschließend und freut sich schon jetzt auf das große Fest.
Ihr findet das Areal im Klosterkamp 4 in Rothensee. Weitere Infos unter:www.freiluft-atelier.com