Kunst Grün für den grauen Gefängnishof
Nicht allein klassische Künste kommen in Magdeburg bei der "Sinnlichkeit" zum Zug. Hobbygärtner haben neue Perspektiven geschaffen.
Magdeburg l Wohl in den vergangenen einhundert Jahren war es an dieser Stelle Magdeburgs nicht so grün wie jetzt: An allen Ecken und Enden des Geländes des ehemaligen Gefängnisses Magdeburg sind Pflanzen gesetzt. Gelegenheit bietet das Kunst- und Kluturfestival "Die neue Sinnlichkeit in der zeitgenössischen Kunst".
Im zweiten Hof rankt die Kapuzinerkresse über die mit Erde gefüllten Reifen. In einigen Holzkästen stehen Studentenblumen, in weiteren Tomatenpflanzen, Erbsen oder Lavendel. Das alles passt als eine Art Stadtteil-Gefängnis-Garten gut zum Konzept der Anhänger des Urban Gardening in Magdeburg (www.facebook.com/transitiontownMD). Mithin auch dazu, sich selbst um den Anbau von Lebensmitteln und den sorgsamen Umgang mit genau diesen zu kümmern.
Die Volksstimme hat Georg Matzel, Thomas Pfeil, Andrea Araya Ahlborn, Claudia Fricke, und Heike Worel bei einem ihrer Einsätze getroffen. Thomas Pfeil berichtet: „Von Anfang an, seit März, arbeiten wir hier daran, dass das Gefängnis zu einem grünenden und blühenden Paradies wird.“ Eine wahrhaft neue Interpretation dieses Raumes. Dabei geht es unter anderem darum, dass auch ungewohnte Pflanzen auf den Tisch gebracht werden.
Zum Beispiel Studentenblumen, von Gartenfreunden auch als Tagetes bezeichnet. Claudia Fricke sagt: „Klar, auch die sind essbar.“ Sie hatte sich auch dafür ins Zeug gelegt, dass zum vom Magdeburger Umweltamt mit auf die Beine gestellten Fairen Frühstück am Nachhaltigkeitswochenende zu Beginn des Festivals im Juni, bereits die ersten Triebe und Spitzen genutzt werden können. Denn eines steht fest: Wenn möglich, sollen die Erzeugnisse vom Gefängnishof auch in der Küche nebenan zum Einsatz kommen.
Unter jenen, die unzählige Stunden Arbeit in das Projekt investiert haben, ist auch Heike Worel. An sie die Frage: Was hat das Ganze hier denn mit Kunst und Sinnlichkeit zu tun? „Dadurch, dass wir hier essbare Pflanzen ziehen, sprechen wir natürlich den Geschmackssinn an. Und das gelingt der ansonsten hier präsentierten Kunst natürlich nur in den seltensten Fällen.“ Zudem seien Pflanzen vorzüglich geeignet, noch viel mehr Sinne anzusprechen: Jede Blüte zieht die Blicke der Menschen auf sich. Und auch die Düfte der Gewächse, insbesondere die der Kräuter bis hin zur Zitronenmelisse, lassen kaum einen Menschen kalt. Nur mit dem Rascheln der Blätter wird es wohl auf dem Gefängnishof angesichts niedriger und krautiger Pflanzen und des fehlenden Luftzugs wohl nichts.
Als Kunst – wenn auch in einem anderen Sinne als dem der französischen Barockgärten – ist das Gärtnern hier ohnehin zu verstehen: Als humorvolle Inbesitznahme eines ungewohnten Ortes und als handwerkliche Meisterleistung, auf kargen Steinen grünende und blühende Flächen entstehen zu lassen.