Hausprojekt Magdeburg bekommt eine bunte Butze
Wie möchten wir in Zukunft leben? Diese Frage beantworten drei Magdeburger Familien mit dem Hausprojekt „bunte butze".
Magdeburg l Sie sind sechs Erwachsene und sechs Kinder, die sich im Laufe der Zeit im Stadtfelder Kiez kennengelernt haben und nun gemeinsam das ehrgeizige Projekt verfolgen. Fünf Jahre der Planung liegen hinter der Gemeinschaft, die als Gesellschafter der bunte butze GmbH fungieren. „Das kann im übertragenen Sinn für die vielen Vorhaben und Anliegen, die wir mit dem Vorhaben verbinden, als auch wörtlich für das Erscheinungsbild und das Leben im Haus genommen werden“, so Initiator Falk Lepie.
Das Haus, das ist der 125 Jahre alte Bau an der Ecke Annastraße/Hans-Löcher-Straße, dessen verzierte Fassade einst zerstört und mit DDR-Putz versehen wurde. In den zurückliegenden Jahren von unterschiedlichen Mietern bewohnt, stand es im Vorjahr bei einem Bieterverfahren bei einem Makler zum Verkauf und wurde von der Gemeinschaft einem Bieter weggeschnappt, der dem Bereich der Immobilienspekulanten zugeordnet werden kann. „Nun können wir die Ideen umsetzen, die wir mit dem nachhaltigen Hausprojekt verbinden“, so Lepie, der für das Landesfinanzministerium arbeitet.
Und Ideen gibt es eine Menge. Zunächst sollen die insgesamt elf Wohnungen saniert werden, damit sie vermietet werden können. Gern an Familien, wie es von den Gesellschaftern heißt. Außerdem soll im Erdgeschoss des vierstöckigen Mehrfamilienhauses (Dachgeschoss soll ausgebaut werden), das zum einen über die Annastraße und zum anderen über die Hans-Löscher-Straße zugängig ist, Platz für eine Kinderbetreuung entstehen. Diese kann von zwei Tagesmüttern- oder -vätern genutzt werden, so Lepie. Wer dies sein wird, ist noch offen. Bei einem Austausch mit der Stadtverwaltung habe man für dieses Vorhaben „eine positive Rückmeldung erhalten, dass damit die Zahl der Kinderbetreuungsplätze in Stadtfeld steigt“. Außerdem ist vorgesehen, einen Bereich als sogenanntes Co-Working Space, als Gemeinschaftsbüro mit zehn festen Arbeitsplätzen, zu entwickeln. „Die Plätze können von Unternehmen für Mitarbeiter oder von Freiberuflern gemietet werden, die gern in ihrem Wohnumfeld arbeiten möchten und eine Kombination zur Kleinkindbetreuung suchen. Dabei entstehen Synergieeffekte und kurze Wege“, so Lepie. Diese Form des Gemeinschaftsbüros wird in Metropolen wie Berlin erfolgreich angeboten – in Magdeburg ist dies bislang neu. „Durch das Verbinden von Arbeitsplatz und Betreuung ist gerade für Mütter ein zeitigerer Wiedereinstieg in den Beruf möglich“, erläutert der zweifache Familienvater.
Die Gesellschaft plant das erste kohlenstoffdioxidneutrale Mehrfamilienhaus in der Landeshauptstadt zu betreiben. Dies ist nicht nur das ehrgeizigste, sondern auch intensivste Vorhaben, was den Umbau des Hauses angeht. Erdwärme, Solardach mit Speicher und die Eigenschaften natürlicher Rohstoffe im Innenausbau wie Kalk, Lehm, Holz und Hanf soll sich die „bunte butze“ zunutze machen, die vollständig auf erneuerbare Energien setzt. Wandheizung, modernste Etagenwarmwasserbereitung und Brauchwassernutzung stehen im Bauplan. Damit soll gesundes und langfristig bezahlbares Wohnen ermöglicht werden.
Die Gesellschafter handeln aus Idealismus: Keiner von ihnen gibt seinen Job auf, das Hausprojekt ist nicht auf das Erzielen eines Gewinns aus. „Wir möchten zeigen, dass das Wohnen und Arbeiten auch anders geht und andere dazu inspirieren, es uns gleich zu tun“, sagt Falk Lepie. Man wolle „umweltverträglichen und gleichzeitig sozialen wie günstigen Wohnraum“ schaffen. Und für einen Farbtupfer sorgen: Der Titel „bunte butze“ soll sich künftig auch anhand der Fassade der bräunlich erscheinenden Außenschicht des Hauses widerspiegeln. Die Ideen und Möglichkeiten müssen noch mit der Stadt abgestimmt werden.
Der Umbau soll schon bald beginnen, die Finanzierung des Millionenprojektes steht. Die Gesellschafter müssen allerdings noch Direktkredite generieren und sind auf der Suche nach Unternehmen und Privatpersonen, „die sich mit dem Projekt und dem Anliegen dahinter identifizieren“.