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Teil 4 der Serie zur Eröffnung der Figurenspielsammlung Jutta Balks Fensterbühne legte Grundstein für das Puppentheater

19.11.2012, 01:21

Jutta Balk hat den Ort ihres künstlerischen Schaffens nach 1958 nie mehr richtig verlassen: Ihr Name steht in den Geschichtsbüchern des Puppentheaters und gleich nebenan erinnert ein Straßenname an die Puppengestalterin und Mitgründerin des städtischen Puppentheaters.

Von Dr. Stefan Müller

Magdeburg l 1945 wird manch Erwachsener gedacht haben: Puppentheater? Wenn doch - mit Verlaub - fast die ganze Stadt in Schutt und Asche liegt? Jutta Balk (1902-1987) war das ganz egal. Die Künstlerin, die 1941 nach Magdeburg gekommen war und recht bald einen Volkshochschulkurs beim "Puppenmeister" Xaver Schichtl besuchte, widmete sich der Kreation eigener Puppen. Und wo der Künstler keine Bühne hat, da baut er sich eine, und gibt es dafür kein Material, dann wird eben aus der eigenen Wohnung heraus gespielt. Jawohl, Jutta Balk machte im wahrsten Sinne des Wortes Fenstertheater. Die Kinder versammelten sich vor ihrem Fenster, und in dieser kurzen Zeit konnten die Knirpse ver-gessen, dass ihre Kindheit im Grunde vorbei war, und während vor ihnen am Fenster sagenhafte Märchenwelten entstanden, wurde hinter ihnen von den Trümmerfrauen die Stadt bereinigt.

1951/52 zählte das Städtische Museum gut 23000 Besucher, die eine von Jutta Balk initiierte Ausstellung zur Geschichte des Puppenspiels, angesehen hatten. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis Gustel Möller - damals Lehrer an der Heinrich-Heine-Schule - auf die Künstlerin traf, mit ihr die AG Puppenspiel in seiner Schule gründete und schnell den spielerischen Wirkungskreis ausdehnte. Die "Puppenspielgruppe beim Stadtkabinett für Kulturarbeit" zeitigte großen Erfolg, Xaver Schichtls Traum von der festen Spielstätte wurde nun - 20 Jahre später - noch einmal geträumt. "Die beiden haben für das städtische Puppentheater gekämpft", erzählt Elke Schneider, die das Haus in den 1980er Jahren als Intendantin führte.

"Die Stadt hatte durch die Kriegszerstörungen in den frühen 1950er Jahren zunächst Wichtigeres zu tun, als ein Theater für Puppenspiel zu schaffen. Aber nachdem es schon in anderen Bezirksstädten der DDR zur Einrichtung solcher Häuser gekommen war, bewilligte der Stadtrat schließlich einen Neubau und somit das achte städtische Puppentheater insgesamt und das erste mit einem eigens dafür errichteten Neubau." 1958 wurde Eröffnung gefeiert - mit einem "Gestiefelten Kater", der es in sich hatte.

"Bis zum letzten Moment wurde an der Spielstätte gebaut, selbst die Puppengestalter und -spieler waren in die Arbeiten eingebunden. Kurz vor der Premiere waren die Puppen von Jutta Balk fertig und die Möller\'sche Inszenierung klar - aber Zeit, den Text zu lernen, hatte niemand!" Gustel Möller, ein echter Tausendsassa, beruhigte die Kollegen: "Wir zeichnen unsere Stimmen vorher auf Tonband auf, das wir dann abspielen." Bei der Generalpro-be stellte sich aber heraus, dass die Technik versagte. Sollte es ein Stück mit improvisiertem Text werden?

Margot Wisgella vom Kulturbüro des Rates der Stadt stellte sich kurzerhand als Souffleuse zur Verfügung. Unter der Bühne rutschte die große Dame auf Knien von einem Puppenspieler zum anderen, gab ein Zeichen, flüsterte den Text, den die Künstler oben gekonnt wiederholten. Die künstlerische Seele des neuen Hauses, Jutta Balk, und der engagierte und liebevolle Intendant Gustel Möller strahlte - als sich nach der Premiere der Vorhang senkte - das Glück aus den Augen. Geschafft!

Und Margot Wisgella, Souffleuse der ersten Stunde, sorgte wohl für den größten Lacher dieser Premiere: Ganz unbedarft fragte sie: "Und, hat man denn vom Text alles gehört?" Und die Antwort: "Ganz klar und deutlich - und das sogar zweimal!"

Morgen: Warum Marlies und Günter Stiel dem Puppentheater alte Handpuppen schenkten.