Gewicht halbiert Mit Video: Wie ein 25-jähriger Magdeburger 120 Kilo abgenommen hat
Lukas Schneider, ein 25-jähriger Magdeburger, hat sein Gewicht durch eine Magen-OP halbiert und kämpft gegen die Adipositas. Erfahren Sie, wie er 120 Kilo verlor und sein Leben veränderte.
Magdeburg - Gehen am Rollator, Inkontinenz, keine Arbeit und chronische Entzündungen – was nach einem alten und gebrechlichen Menschen klingt, war die Lebensrealität von dem heute 25-jährigen Magdeburger Lukas Schneider. Heute strahlt er, ist positiv eingestellt und will anderen Mut machen, die – wie er – von Adipositas, also Fettleibigkeit, betroffen sind.
Als er sich Anfang 2022 im Marienstift vorgestellt hat, habe er 272 Kilogramm gewogen. Sein Body-Mass-Index (BMI) lag somit bei über 60. Ab einem Wert von 30 gilt eine Person als adipös. „Ich habe früh mitbekommen, dass ich dick bin. War in der Familie immer der, den sie ,Moppi’ nannten. Wirklich wahrgenommen, wie übergewichtig ich bin, habe ich sehr spät“, erzählt Lukas Schneider.
Aufgrund seines Gewichts habe er in der Schule Probleme mit Mobbing gehabt. Von Außen sei ihm daher schon immer deutlich gemacht worden, dass er dicker ist, als seine Mitschüler. „Ich bin ein selbstbewusster Mensch und habe das alles immer mit Humor genommen“, erzählt er. „Ich weiß von anderen Betroffenen, die viel mehr darunter gelitten haben, als ich.“
Ernst spät erkannt
Wie ernst es aber um seine Gesundheit steht, habe er dadurch lange nicht realisiert. Es habe Versuche gegeben, das Gewicht zu reduzieren. Nach einer Kur im Jahr 2014 habe er zwar abgenommen, aber noch viel mehr wieder zugenommen.
„Irgendwann war ich ein Pflegefall. Ich konnte nicht arbeiten, habe mich nicht bewegt, saß teilweise im Rollstuhl und hatte so starke Wassereinlagerungen, dass die Gefahr bestand, offene Beine zu bekommen“, erzählt der Fermersleber. Dazu kamen große Mengen Süßigkeiten und zuckrige Getränke.
Zu dem Zeitpunkt war er Anfang 20: „Ich hatte keine Lebensqualität mehr. Das Schlimmste war die Inkontinenz.“ Dass es Adipositas-Operationen gibt, wusste er von seiner Mutter, die ebenfalls eine OP hatte.
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Mit seinem großen Leidensdruck ist er schließlich zu Chefchirurgin Professor Stefanie Wolff gekommen. Sie ist seit 1995 in der Adipositas-Chirurgie tätig und seit 2021 am Marienstift. Zuvor habe sie am Universitätsklinikum gearbeitet.
Mehrere Gutachten
Bis sie Lukas Schneider operiert hat, sind noch einige Monate vergangen. „Bevor eine solche OP gemacht werden kann, muss der Patient ein halbes Jahr Ernährungsberatung und Bewegungstherapie machen, braucht ein psychologisches Gutachten und auch Erkrankungen an der Schilddrüse zum Beispiel müssen zuvor ausgeschlossen werden“, erklärt Wolff. ie würde zwei Varianten im Marienstift durchführen: Den Magenbypass und den Magenschlauch.
Im Fall von Lukas Schneider sei der Magenschlauch technisch sinnvoller gewesen. Bis zur OP im Oktober 2022 habe er abgenommen und „nur noch“ 242 Kilo gewogen. Mittlerweile habe er insgesamt 120 Kilo abgenommen, sich quasi halbiert – und damit seine Lebensqualität mehr als verdoppelt.
Der Hund hilft dem Magdeburger
„Als ich das erste Mal wieder alleine einkaufen war, habe ich mich gefühlt wie ein Kind im Freizeitpark. Einfach wieder die alltäglichen Dinge tun können ist so toll“, sagt er und lächelt stolz. Seine positive Ausstrahlung ist ansteckend, wie auch die Chirurgin feststellt.
Mittlerweile habe er auch wieder Arbeit und liefert Essen aus: „Den Job habe ich nicht nach der besten Bezahlung ausgewählt, sondern danach, dass ich mich ausreichend bewege.“ Auch einen Hund habe er mittlerweile, der ihn zur Bewegung animiert.
Aber auch das Essverhalten habe er umgestellt. Statt zwei riesigen Mahlzeiten, wo sich oft kein Sättigungsgefühl einstellte, würde er seit der OP drei bis fünf kleine Portionen essen und mehr auf seinen Körper hören. Auf jeglichen Genuss verzichten wolle er nicht: „Mein Motto ist in Maßen statt in Massen zu essen. Mal eine Cola trinke ich schon noch gerne.“
Dass es nach einer Operation mit der Gewichtsabnahme so positiv verläuft wie bei Lukas Schneider, sei nicht selbstverständlich. „Die Operationen sorgen dafür, dass man schneller satt ist. Wer sich danach aber nicht bewegt und weiterhin kein Ende beim Essen kennt, hat diesen Effekt nicht unbedingt“, erklärt Stefanie Wolff.
Eine weitere Fehlannahme einiger Patienten sei es, dass ein schlankerer Körper sie automatisch glücklicher macht – das sei nicht so. Oft kämen laut der Adipositas-Chirurgin zum Beispiel psychische Probleme dazu.
Ziel noch nicht erreicht
Lukas Schneider hatte direkt nach der OP Komplikationen mit der Wundheilung: „Da war ich sechs Wochen im Krankenhaus. Es war wirklich eine sehr harte Zeit – aber die liegt jetzt hinter mir.“ Sein Wunschgewicht liege bei 120 bis 130 Kilo, dafür will er noch weiter abnehmen.
Danach steht eine weitere Operation an: Die überschüssige Haut muss weg. Bei einem so starken Gewichtsverlust wie bei ihm sei das kein kosmetischer Eingriff, sondern notwendig.
Unter der „Schürze“ hätte er oft Entzündungen. „Dann bin ich zwar noch immer ein Mann mit Bauch, aber das ist gut so. Ich habe mich damit abgefunden, dass ich von Adipositas betroffen bin“, sagt er.
Komplimente motivieren den Magdeburger
Um auch anderen Adipositas-Patienten Mut zu machen, hat der 25-jährige Magdeburger 2023 eine eigene Selbsthilfegruppe für ganz Sachsen-Anhalt gegründet. Die Mitglieder von „Adipositiv SHG“ wollen Betroffenen zur Seite stehen, Fragen beantworten und sich ohne Scham und Grenzen austauschen, wie er erklärt. Auch bei Anträgen für die Krankenkasse beispielsweise würden sie sich dort unterstützen.
Lukas Schneider selbst sagt, dass er unter einer Art Depression gelitten habe durch sein Gewicht: „Ich dachte immer, dass jemandem wie mir sowieso nicht geholfen wird. Es braucht so viel Mut, sich diesem emotionalen Ballast zu stellen und sich Hilfe zu holen.“ Für ihn habe es sich gelohnt, diesen Mut aufzubringen. „Ich habe wieder Lebensqualität und bekomme so viele Komplimente“, erzählt er. „Das ist so schön und motiviert mich so sehr.“
Zahlen und Fakten zu Adipositas
Am 4. März ist Welt-Adipositas-Tag. Er soll mehr Aufmerksamkeit auf die Erkrankung lenken. Adipositas ist definiert als übermäßige Vermehrung des Fettgewebes im Körper. Es handelt sich um eine Ernährungs- und Stoffwechselerkrankung.
Es wird von Adipositas gesprochen, wenn der Body Mass Index (BMI) über 30 liegt. Er ist ein aus Körpergröße und Körpergewicht abgeleiteter Indexwert. Berechnet wird er wie folgt: Körpergewicht geteilt durch die Körpergröße zum Quadrat.
Ab BMI 30 spricht man von der Adipositas Klasse I, zwischen 35 bis 39 von Adipositas Klasse II und ab 40 gilt ein sehr hohes Risiko und Adipositas Klasse III. Ursache ist ein Ungleichgewicht zwischen Energiezufuhr (Nahrungsaufnahme) und Energieverbrauch (körperliche Aktivität).
Faktoren für Übergewicht
Verschiedene Faktoren beeinflussen das Gewicht: Falsches Ernährungs- und Bewegungsverhalten, psychische Belastungen und Erkrankungen, Schlafstörungen, Stress, die Einnahme bestimmter Medikamente sowie genetische Faktoren und Stoffwechselerkrankungen.
Adipositas-Patienten haben durch ihre Erkrankung einige Risikofaktoren: Bluthochdruck bis hin zum Herzinfarkt und Schlaganfall, Diabetes Typ 2, Gelenkverschleiß, Demenz, Erkrankungen der Nieren, hormonelle Störungen, Fettleber, nächtliche Atemaussetzer. Bei Frauen kann auch die Wahrscheinlichkeit verringert werden, schwanger zu werden. Dazu kommt der Verlust der Lebensqualität und der dadurch entstehende Leidensdruck.
Adipositas nimmt zu
Der Anteil übergewichtiger Menschen nimmt weltweit zu. Mittlerweile sei jeder fünfte Mensch in Deutschland adipös, wie Stefanie Wolff, Chefchirurgin im Magdeburger Krankenhaus St. Marienstift, erklärt. In den Jahren 2022 und 2023 habe sie 28 Patienten operiert.
Im Jahr 2024 rechnet das Krankenhaus mit rund 50 Patienten, die operiert werden. Denn: Die Zahl der Betroffenen, bei denen ein konservativer Therapieansatz nicht mehr greift, nehme ebenfalls zu. Daher würden immer mehr chirurgische Eingriffe vorgenommen werden.
Eingriffe, die im Marienstift durchgeführt werden: Magenbypass und Magenschlauch. „Da bei der Adipositas-Chirurgie ein Eingriff in ein normalerweise intaktes Organ erfolgt, von dem lebenslange Auswirkungen resultieren, muss sorgfältig geprüft werden, ob die geeigneten Voraussetzungen für den geplanten Eingriff vorliegen“, heißt es vonseiten des Krankenhauses. Auch eine dauerhafte Nachbetreuung sei erforderlich.
Die Selbsthilfegruppe „Adipositiv SHG“ trifft sich einmal im Monat. Kontakt per E-Mail: adipositivsachsenanhalt@gmail.de oder telefonisch unter 0170/1075004. Online unter www.adipositiv.de.
Mythos aufklären:
Ein Mythos über Adipositas-Patienten, den Stefanie Wolff aufklären will: „Adipöse sind oft unterernährt. Das wissen viele nicht.“ Der Eiweißbedarf sei oft nicht genug gedeckt, dadurch würde zwar Fett angelegt werden, aber keine Muskeln.
Stefanie Wolff blickt mit Sorgen in die Zukunft: „Wir ziehen uns die adipösen Kinder heran. Es gibt hier in Deutschland ein Überangebot an Nahrung.“ Dass in vielen Lebensmitteln versteckter Zucker ist, sei ebenfalls ein Problem.
Dazu kommt die wenige Bewegung: „Man fährt mit dem Auto, sitzt vor dem PC, dazu kommen Rolltreppen und dass das Essen bis an die Haustür geliefert werden kann.“