Ohne Fleisch, Fisch, Ei oder Käse Mit Video: Experten vom Klinikum Magdeburg - Wie gesund ist vegane Ernährung?
Im Rahmen der Serie „Volksstimme verzichtet“ wird auch ein Experten-Team zum Leben ohne tierische Produkte befragt. Was beim Essen beachtet werden muss und für wen Veganismus nicht empfohlen wird.
Magdeburg - Die einen lieben aus moralischen Gründen die Ernährung ohne Tierleid, die anderen können mit Veganismus nichts anfangen. Aber wie sieht es mit dem gesundheitlichen Aspekt aus? Ist vegan gesünder? Oder kommt es auf lange Sicht zu Mangelerscheinungen? Im Rahmen der Serie „Volksstimme verzichtet“ sollen diese Fragen von den Ökotrophologinnen Dr. Heike Weiss und Dr. Susen Maluck-Schölecke sowie Oberarzt für Kardiologie und Sportmediziner Dr. Michael Sudau beantwortet werden. Volksstimme-Reporterin Lena Bellon sprach mit den drei Ernährungsexperten des Klinikums Magdeburg.
Ich verzichte für den gesamten Januar auf tierische Produkte. Macht sich das in vier Wochen schon bemerkbar?
Heike Weiss: Vier Wochen sind meistens etwas zu wenig. In der Regel braucht man 60 Tage, um Gewohnheiten zu verändern. Bei der veganen Ernährung ist es so, dass mögliche Mangelerscheinungen erst nach längerer Zeit auftreten.
Damit erst gar kein Mangel entsteht, worauf muss ich achten?
Susen Maluck-Schölecke: Was kritisch werden kann, besonders bei Frauen, ist Eisen. Es ist aus pflanzlichen Quellen schlechter zu bekommen.
Heike Weiss: Damit der Körper das besser aufnehmen kann, muss auch ausreichend Vitamin C vorhanden sein.
Wie bemerke ich Eisenmangel?
Michael Sudau: Müdigkeit und Blässe. Auch wenn die Fingerkuppen nicht mehr so schön rosig sind. Allgemein eine Leistungsminderung.
Was muss ich zu mir nehmen, damit ich keinen Eisenmangel entwickle?
Susen Maluck-Schölecke: Das ist kein Problem. Es gibt viele Gemüsesorten, vor allem grünes Gemüse.
In der Recherche zur veganen Ernährung hieß es oft, dass man leicht einen Vitamin-B12-Mangel bekommen kann. Stimmt das?
Susen Maluck-Schölecke: Ja, B12 bekommt man hauptsächlich in tierischen Produkten. Wenn man länger Veganerin ist, müsste man es durch Supplementieren zu sich nehmen.
Michael Sudau: Bis ein Mensch jedoch einen massiven B12-Mangel bekommt, dauert es bis zu zwei oder drei Jahre. Nach wenigen Wochen oder Monaten tritt das noch nicht ein, weil der Körper noch genug B12 gespeichert hat.
Wie würde ich einen B12-Mangel feststellen?
Michael Sudau: Auch durch Blutarmut. Sehr ähnlich wie den Eisenmangel.
Als Reaktion auf meinen Selbstversuch gab es oft die Vermutung, dass es nicht gesund sei, vegan zu leben. Wie würden Sie das bewerten?
Susen Maluck-Schölecke: Man muss es individuell betrachten. Manchen Menschen würde ich es nicht empfehlen. Bei bestimmten Erkrankungen, wenn man schwanger ist oder stillt zum Beispiel. Aber ansonsten bringt Veganismus den Vorteil, dass man sich viel mit Ernährung beschäftigt. Das muss man auch. Sie müssen sich belesen, was Sie essen können und wie Sie alle wichtigen Inhaltsstoffe bekommen.
Worauf muss ich achten, damit es gesund ist?
Susen Maluck-Schölecke: Durch viel Gemüse kann man viele Ballaststoffe zu sich nehmen. Von hochverarbeiteten Lebensmitteln wie veganes Schnitzel, vegane Wurst oder auch veganer Käse würde ich abraten.
Vegan oder vegetarisch – was ist gesünder?
Michael Sudau: Ich persönlich sehe keinen Vorteil der veganen zur vegetarischen Ernährung. Eine stark fleischreduzierte Ernährung ist ausreichend.
Heike Weiss: Man darf auch nicht vergessen, dass die meisten Veganer es aus ethischen Gründen und für die Tiere tun. Weniger im Vordergrund steht dabei oft, ob es so viel gesünder ist.
Wie sieht es bei Kindern aus, könnte eine vegane oder vegetarische Ernährung sinnvoll sein?
Susen Maluck-Schölecke: Für Kinder würde ich die vegane Ernährung nicht empfehlen, weil sie noch im Wachstum sind und Calcium brauchen. Vegetarisch essen fände ich persönlich nicht bedenklich.
Heike Weiss: Die Fachgesellschaft empfiehlt es eher weniger. Man lernt in der Schule auch gar nicht viel über Ernährung. Wenn rauskommt, dass man sich belesen muss, um ausgewogen zu essen, schreckt viele ab.
Ich habe nach einer Woche veganem Essen das Gefühl, dass ich schneller wieder hungrig bin, als ich es zuvor war. Woran könnte das liegen?
Michael Sudau: Es könnte das Eiweiß sein, dass nun weniger aufgenommen wird. Das macht in der Regel satt. Auch Salate zum Beispiel sättigen nicht so sehr.
Was könnte ich essen, um dem entgegenzuwirken?
Susen Maluck-Schölecke: Nüsse zum Beispiel. Eine Schüssel Studentenfutter auf dem Schreibtisch kann gut sein.
Michael Sudau: Kaffee ohne Milch hat auch eine sättigende Wirkung. Damit kann man zwischendrin eine Phase kaschieren.