Stadtgeschehen Kritik am Magdeburger Wochenmarkt - was die Händler dazu sagen
Der Markt vor dem Magdeburger Rathaus soll attaktiver werden. Die Forderung steht seit Jahren im Raum; aktuell greift die SPD-Fraktion sie auf. Händlerstimmen.
Magdeburg - „Das sagen wir doch schon seit Jahren.“ Thomas Selle verkauft seit zwei Jahrzehnten Gemüse auf dem Alten Markt in Magdeburg und kann die Leere hinter sich selbst schwer ertragen. „Die Stände gehören auf den Platz und nicht an den Eingang oder an den Rand“, findet Selle und ist sich darin einig mit SPD-Ratsfraktionschef Jens Rösler. Der hatte zur Ratssitzung am 10. Juni 2021 namens seiner Fraktion der Weißen Flotte den Marktbetrieb aufkündigen wollen. DasTochterunternehmen der Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB) ist von der Stadt beauftragt, die Märkte – auch den zentralen Markt vor dem Rathaus – zu organisieren. Rösler – und längst nicht nur er – ist unzufrieden mit dem, was optisch wie inhaltlich dabei herauskommt. Den Kündigungsantrag zog die SPD am Ende zurück, will ihn aber als Drohung in der Hinterhand behalten, falls sich in dieser und der kommenden Saison nichts ändert. Die Weiße Flotte gelobt Anstrengungen für einen schöneren Markt.
Händler Selle versteht die Kritik. Auch er wünscht sich einen dichter bestellten Markt mit besserem Angebot, „auch wenn ich gegen den ein oder anderen Textilstand, wo Oma sich einen Pullover kauft, nichts habe“. Ein Blick über den Marktplatz zeigt, was geht und was nicht.
Andrang und Leere
Stände mit regionalen Produkten und Frischware haben jede Menge Stammkundschaft. Heidemarie Schwieger und Margitta Weimann, die beiden Verkäuferinnen am Stand des Spargelhofs Ruhnke, haben keine Mühe, ihre letzte Saisonware an die Kundschaft zu bringen. „Gegen Mittag oder am frühen Nachmittag konnten wir meistens Schluss machen.“ Ausverkauft! So gut im Geschäft haben die beiden Frauen reinweg nichts am Markt auszusetzen.
Einen möglichen Verkaufsschluss vor 17 Uhr wünscht sich auch Frank Poplat. Der Imker aus Tangerhütte hat 27 Bienenvölker und mit ihnen saisonal alle Hände voll zu tun, wenn es an die Honigernte geht. Raps und Robinie sind schon frisch zu haben. „Ich kenne keinen anderen Markt, an dem Selbstproduzenten und Selbstvermarktern wie mir vorgeschrieben wird, dass sie bis 17 Uhr bleiben müssen“, sagt Poplat. In Magdeburg diktiere das sein Vertrag, kein Ausweg. „Ich habe es versucht bei der Weißen Flotte, aber die sind nicht flexibel.“ Honig gilt nicht wie Spargel als Saisonprodukt. Poplat kann sich vorstellen, dass diese Strenge andere Kleinproduzenten von der Belieferung ganz abhält. „Die kommen über Land und haben bei der vorgeschriebenen Öffnung von 9 bis 17 Uhr mit Vor- und Nachbereitung Zehn- oder Zwölf-Stunden-Tage abzuleisten.“ Der Imker könnte sich einen Teilbereich für Kleinanbieter vorstellen, an dem flexiblere Marktzeiten gestattet werden. Seine Geschäfte gehen gut. Gerade hat ein Stammkunde 15 Gläser Rapshonig bestellt. Weil er zu dessen Bereitung einige Wünsche hat, bildet sich eine Schlange – lauter Stammkunden mit leeren Pfandgläsern in den Händen.
Geteilte Meinungen
Neben dem Imker steht Dirk Garz. Er hat frische Eier aus Egeln im Angebot. Auch er hat kaum Zeit zu reden; Kunden stehen Schlange. „Ich fühle mich wohl hier“, sagt Garz, keine Klagen. Er ist froh über seinen Platz am Markteingang. In der Platzmitte sei es im Sommer zu heiß. „Da kriegen ’se ja Küken“, unkt ein Kunde.
Klar wird: Der Marktbetreiber muss verschiedene Händlerinteressen bündeln und ihnen entgegenkommen, soll der Platz voller und besser bestellt werden. Auf den ersten Blick ist wahrnehmbar, wer nur Raum füllt, aber kaum verkauft. Gürtel, Gardinen, Taschen und Co. ziehen nur sehr gelegentlich Kunden an, kein Vergleich zu den Frischeständen. Vielleicht deshalb heben all die Verkäufer ablehnend die Hand, nach ihrer Meinung zum Markt befragt – kein Kommentar.