Kunst Magdeburger Jungfrau zieht ins Rathaus
Das umstrittene Bild des Künstlers Robin Zöffzig ist ab sofort im Magdeburger Ratskeller zu sehen.
Magdeburg l Mit seinem roten VW Cabrio kommt Robin Zöffzig zum Interviewtermin mit der Volksstimme gleich mal direkt in den Fürstenwall-Park gefahren. „Na am Schleinufer kann man nicht parken“, sagt er. Keine fünf Minuten später steht dort ein Polizist. Da springt der Maler auf und ruft: „Ja, ich war’s“, wechselt fast freundschaftlich ein paar Worte mit dem Polizisten und stellt sein Auto auf einem öffentlichen Parkplatz ab.
Genauso unkonventionell wie sein Parkverhalten sind auch die Bilder von Robin Zöffzig. Jenes, mit dem sich die Stadt Magdeburg bei der Leipziger Buchmesse präsentierte, hatte im März 2017 für Diskussionen gesorgt, weil es die Magdeburger Jungfrau mit freier Brust zeigt – Zöffzig zitiert damit den französischen Maler Eugéne Delacroix. „Auf seinem Bild sind zwei Brüste zu sehen. Aber ich habe gedacht, für Magdeburg reicht eine“, erklärt Zöffzig.
Ab sofort haben alle Magdeburger die Möglichkeit, sich das Bild anzuschauen, denn die Stadt hat es gekauft und dem Ratskeller als Leihgabe überlassen.
Viel nackte Haut ist das Markenzeichen von Zöffzigs Bildern. Fast alle sind Akte. „Ich bin in der DDR aufgewachsen, da waren Körperlichkeit und Nacktheit kein Tabu“, sagt er.
Sexistisch, wie es ihm der eine oder andere vorwirft, seien sie aber gar nicht gemeint. Ganz im Gegenteil: „Ich will damit zeigen, wo wir angekommen sind.“ Kunst sei immer auch ein Spiegel der aktuellen kulturellen Strömungen. Und die sieht Zöffzig in einer Welt der Schönheitskorrekturen angekommen, in der der Sinn für natürliche Schönheit verloren gehe, Leute Komplexe hätten und Depressionen bekämen, weil sie nicht dem vermeintlichen Ideal entsprechen und selbst das Künstlich-Individuelle, wie etwa Tätowierungen, zur Massenströmung verkomme.
Die Sexismusdebatte findet Zöffzig dennoch spannend. „Ich würde mir noch ein paar protestierende Feministinnen mit Plakaten wünschen“, sagt der Wahl-Leipziger. Denn nach seinem Kunstverständnis sollen Bilder durchaus auch provozieren und polarisieren.
„Eine Zeit lang habe ich nur Bockwürste gemalt – die ganzen Tiere, die getötet werden, und dann für so einen Scheiß wie Bockwurst“, sagt der 33-Jährige. Die Serie zum Thema Massentierhaltung, für die er Menschen im Tiertransporter und eine Frau beim Yoga mit Markierungen zur Weiterverarbeitung malte, hat Zöffzig verworfen: „Wenn man das malt, wird einem erst die ganze Härte bewusst. Ich konnte das selbst nicht verkraften.“
Vegetarier ist er nicht, „aber ich esse ausgewähltes Fleisch“. Ein Bild ist für ihn gelungen, wenn es ästhetisch, witzig und ironisch ist und gleichzeitig die ganze Härte eines Themas widerspiegelt. Doch das sei beim Thema Massentierhaltung nicht umsetzbar. Als Jugendlicher hat sich Zöffzig sogar mal als Umweltschützer engagiert: „Wir haben Hip-Hop gehört und dachten, wir würden die Welt verbessern.“
Zu dieser Zeit muss es auch gewesen sein, als Robin Zöffzig seine ersten künstlerischen Versuche startete – mit der Sprühdose, und zwar nicht nur legal, wie er verlegen erzählt. Buchstaben zu sprühen habe er aber relativ schnell gelassen und stattdessen Bilder kreiert, bis er sich ernsthafter der Kunst und deren Regelwerken widmete.
Aufgewachsen in einem behüteten Umfeld in Magdeburg-Reform, zog es die Familie später ins Jerichower Land, wo Zöffzig die Schule abschloss. Danach begann er ein vierjähriges Design-Studium, das er im letzten Jahr abbrach. „Ich hatte keinen Bock mehr auf Computer“, sagt er, „und ich habe gemerkt, dass ich kein Designer bin.“ Stattdessen ging Zöffzig an die Kunsthochschule Burg Giebichenstein in Halle.
Mit seiner Heimatstadt Magdeburg blieb er dennoch verbunden und gewann unter anderem Kunstpreise in der HO-Galerie in Westerhüsen. „Das war cool, es war wie so ein Schlag, dass man etwas richtig gemacht hat, die richtige Entscheidung getroffen hat“, sagt er. Das Meisterstudium hat er längst abgeschlossen und lebt heute in Leipzig, wo sich auf dem Gelände einer alten Spinnerei zahlreiche Künstler und Galerien angesiedelt haben. Davon müsste es in Magdeburg mehr geben, findet Zöffzig. Aber auch dort gibt es ein Für und Wider. Die Spinnerei hat sich herumgesprochen: „Da kannst du nicht mehr in Jogginghose und Badelatschen das Atelier verlassen, weil die Reisebusse dort inzwischen Touristen abkippen, die sofort Fotos machen“, sagt er.
Aber arbeitet ein Künstler nicht nachts, wenn die Touris weg sind? „Nein“, sagt Zöffzig, „ich arbeite tagsüber – ohne Drogen und ohne Alkohol.“ Das Klischee des Künstlers, der nur mit Rauschmitteln gute Bilder schafft, treffe auf ihn nicht zu. „Sobald ich Alkohol getrunken habe, werde ich unpräzise“, sagt er.
Auch wie er ein Bild gestaltet, hat eher weniger mit dem romantisch-verklärten Bild vom Maler in durchwachten Nächten zu tun. „Malen ist viel Nachdenken, und dann wie Musik: erst komponieren, dann spielen.“ In Kunstsprache übersetzt heißt das, Zöffzig überlegt sich sein Motiv und folgt dann den Regelwerken zu Farbharmonien, Bildaufbau und Erzählstruktur. Vormittags bereitet er alles vor: „Dann besorge ich Farben und Pinsel, bearbeite E-Mails, pflege mein Facebook-Profil und trinke einen Liter Kaffee, ehe es am frühen Nachmittag bis in den Abend ans Malen geht.“
Inspiration findet er auf Reisen, auch wenn er die eigentlich gar nicht mag, „das ganze Warten und Schleppen“, sagt er, „ich reise nicht gern, aber ich reise.“ Was er dann immer wieder feststellt ist, dass in unterschiedlichen Teilen der Welt die gleichen Themen eine Rolle spielen, mit denen je nach Kulturkreis unterschiedlich umgegangen wird.
Am liebsten verschlägt es ihn an die Ostsee – in die Region, in die er auch mit seinen Großeltern oft fuhr. Zöffzig: „Da sitze ich dann und gucke gern mal aufs Wasser.“ Überhaupt habe er ein enges Verhältnis zu seinen Großeltern. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Zöffzig bei Terminen auf die Uhr guckt, weil noch ein Besuch bei den Omas ansteht.
Nach Magdeburg zurückzukommen, kann er sich später einmal gut vorstellen. „Vielleicht könnte ich dann Kulturbürgermeister werden“, sagt er vorausblickend. Eine gute Entwicklung traut er Magdeburg auf jeden Fall zu: „Hier gibt es noch so viel Potenzial.“ Und immer wieder schwärmt er, wie schön sich die Stadt entwickelt habe.
Maler zu sein, „ist der härteste Job der Welt“, sagt Zöffzig. Jeder Künstler sei eine eigene kleine Firma, an der eine ganze Reihe weiterer Jobs hingen. Er müsse seinen eigenen Stil finden und sich dennoch immer wieder neu erfinden, Kontakte pflegen und knüpfen, was für Zöffzigs Freundin nicht immer leicht sei. Etwas anderes zu machen, kann er sich dennoch nicht vorstellen. Und egal, ob der große Durchbruch nun kommt oder nicht, „man macht immer weiter und weiter, und man schafft etwas, das über den Tod hinaus bleibt“.
Alle Fans und all jene, die es noch werden wollen, dürfen also gespannt sein, was der gebürtige Magdeburger in den nächsten Jahren noch so zu bieten hat ...