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Das 9. Internationale Figurentheaterfestival "Blickwechsel" zieht Kreise bis nach Afghanistan Kunst wirft Licht auf schattiges Gelände

Von Katja Tessnow 07.06.2011, 06:31

Schöne Tradition: Das Puppentheater bewegt sich zu verwunschenen Orten, auf dass sie im Licht der Kunst erstrahlen und das Kunst-Licht ihren Wert auch im Realen erhelle. Vom Buckauer Engpass über das Schiffshebewerk landet "La notte" am 18. Juni im Wissenschaftshafen an und legt "zu neuen Ufern" ab. Gäste werden sogar aus Afghanistan erwartet.

Alte Neustadt. Gestern Vormittag, 11 Uhr: Puppentheaterintendant Michael Kempchen wartet in Schlips und Kragen auf dem "Boulevard da Capo" Besuch. In Wahrheit heißt der "Boulevard" Otto-Hahn-Straße und die bietet - von teils baufälligen Werkhallen umgeben - wenig Grund zum Flanieren.

In diesen Minuten biegt Peter Ahlgrim um die Ecke, der von Kempchen erwartete Besucher. Der Vorstandsvorsitzende der ÖSA-Versicherungen hat einen Scheck über 10000 Euro im Gepäck. Er soll helfen, die Meile am Rande des alten Hafens in der Neustadt mindestens für eine Nacht zu einer Attraktivität zu verhelfen, die tausenden Flaneuren den Atem verschlägt und die Augen überlaufen lässt. Kempchen stößt ein dankbares Jauchzen aus, kassiert den Scheck und legt den Schlips ab. Das gebietet nicht die Mittagshitze allein. Auch das zu absolvierende Pensum treibt dem Theaterchef und seiner Crew die Schweißperlen auf die Stirn, bevor es am 18. Juni um 20.30 Uhr heißt: Vorhang auf für "La notte ... zu neuen Ufern!". An der Eröffnungsnacht des 9. Internati- onalen Figurentheaterfestivals "Blickwechsel" wirken 150 Künstler aus acht Ländern an 16 Spielorten mit. Dann wird die Otto-Hahn-Straße den Namen "Boulevard da capo" verdienen, ist Kempchen sicher. In den Hallen türmen sich Kulissen, die keinen Zweifel daran lassen.

Übermenschengroße Bauteile werden prächtig illuminiert Außen- und Innenräume verkleiden, aber nicht komplett verstellen. Die Schaltzentrale des alten Elektrizitätswerkes taugt ohne Aufhübschung zur Kulisse. Der Berliner Performancekünstler Florian Feisel feiert hier mit seinem "TESLAbor" Premiere, einer "interaktiven Installation mit mehreren tausend Volt und heillosem Klang". Tanz am und im Hafenbecken, Waldameisen auf Stadtgang, artistische Spiele mit Feuer und Luft, schreckliche Geschichten und eine mit Handpuppen ausgefochtene Auseinandersetzung zwischen Kapital und Umwelt - Schlagworte aus dem "La notte"-Programm - eine Nacht, wie sie der Hafen noch nicht erlebt hat. Gesamt- etat: 220000 Euro - "... zu neuen Ufern!" ist ein mutiges Mutmacherprojekt. 70 Prozent der Kosten sollen die Einnahmen decken. 5000 bis 6000 Gäste werden erwartet, sogar solche aus Afghanistan. Tatsächlich gibt es in dem kriegsgeschüttelten Land Theaterbegeisterte. Dreien hat das Goethe-Institut die Reise finanziert. Auf dass sie Licht aus Magdeburg mit an den Hindukusch nehmen.

Einige Karten für "La notte" sind noch zu haben; u. a. im Volksstimme Servicecenter, Goldschmiedebrücke (Hotline 01805121310) und direkt im Puppentheater (Tel. 5403310/11).