Corona Luca, Listen, Lebensfreude in Magdeburg
Mit der Rückkehr zum öffentlichen Leben steigt die Zahl analog oder digital erfasster Personendaten auch in der Landeshauptstadt.
Magdeburg - Die Restaurant-Terrassen sind wieder gut gefüllt. Am 11. Juni 2021 startet der Magdeburger Kultursommer mit jeder Menge Angeboten zur Begegnung. Endlich! Dennoch bleiben Vorsicht, Abstand und Hygieneregeln Gebot, wie auch die Erfassung der Gästedaten. Erfahrungen vor Ort.
„Bei uns geht alles“, sagt Matthias Nawroth. Der Ratskeller-Betreiber und Sprecher der Magdeburger Gastronomen zeigt sich bei der Datenerfassung flexibel und weiß, dass es die meisten seiner Kollegen auch tun. Gäste können sich wahlweise analog – also auf Papier – oder digital registrieren. Die Fortführung auch der Zettelwirtschaft mache schon deshalb Sinn, weil nicht jeder Besucher über Smartphone und App verfüge oder selbige nutzen wollen. Das geduldige Papier tut es also fast allerorten auch.
Probleme in der Praxis
Zwar ist die Listung der Gäste – ob analog oder digital – trotz sinkender Ansteckungsraten nach wie vor Pflicht, wo sich Menschen über längere Zeit in größerer Zahl übers Private hinaus treffen, abgefordert hat das Magdeburger Gesundheitsamt solche Daten aber über die gesamte Pandemie erst ein einziges Mal. „Das war nach der denkwürdigen Party im letzten Oktober“, berichtet Gesundheitsamtsleiter Eike Hennig. Die oktoberfestähnliche Feier mit 120 Gästen wurde zum Corona-Superverteiler-Event mit Dutzenden Infizierten. „Für solche Vorfälle, von denen wir in der Zukunft nicht ausgehen wollen, wäre auch die Luca-App sehr dienlich gewesen“, urteilt Hennig. Hier wollte das Amt so schnell wie möglich die Daten aller Besucher erfahren; aus Infektionsschutzgründen.
Das sei aber beim Besuch einer Außenterrasse oder anderer Freiluftveranstaltungen bei Wahrung der Abstandsregeln nicht zwingend nötig, auch wenn sich im Nachhinein herausstelle, dass ein Gast infiziert war. „Es gibt in Sachsen-Anhalt zum Beispiel auch einen Zoo, der die Besucher via Luca-App registriert. Mit den bloßen Daten aller Zoobesucher, die sich zum Zeitpunkt dort aufgehalten haben, können wir aber überhaupt nichts anfangen“, sagt Hennig. Die Luca-App registriere in der Regel nicht zielgenau genug unmittelbare Kontakte und sei nur für den Ernstfall, wie die Loftparty ein wirklich probates Instrument. Dienlicher im Einzelfall sei die Erfassung zum Beispiel inklusive Platz- oder Tischnummern zur Ermittlung unmittelbarer Nachbarschaft zu Infizierten. Für den Fall der Fälle ist das Gesundheitsamt aber für die Nachverfolgung via App ausgerüstet. Entsprechende Programme seien auf zwei Rechnern installiert. Zum Einsatz kamen sie noch nicht.
Nach Hennigs Kenntnis nutzen aktuell rund 300 Einrichtungen in Magdeburg die Luca-App, andere – wie etwa der Magdeburger Boxstall – auch andere Varianten, wie die App Be.Safe. Zulässig sei das alles, so Hennig. Die Praktikabilität erweise sich erst im bestenfalls gar nicht mehr auftretenden Superverteiler-Ernstfall.
Das sagt der Datenschützer
Albert Cohaus führt im kommissarischen Einsatz die Geschäfte des Landesbeauftragten für Datenschutz. So beurteilt er den Umgang mit sensiblen Personendaten in der Pandemie.
Auf Papier: So ist es noch weithin üblich – wer ein Restaurant oder andere Stätten des öffentlichen Lebens besucht, hinterlässt Name, Anschrift und Telefonnummer sowie Besuchszeit auf Papier. Cohaus hat prinzipiell nichts dagegen einzuwenden – wenn die Listung auf jeweils separaten und für Dritte nicht einsehbaren Zetteln erfolgt. Anderenfalls soll es schon vorgekommen sein, dass ein Gast sich in eine Besucherin ein paar Tische weiter verguckt und ihre Kontaktdaten aus der von Tisch zu Tisch weitergereichten Liste filtert. Das geht nicht. Die Besucherdaten müssen einzeln erfasst, sicher verwahrt und dürfen ausschließlich im pandemischen Ernstfall dem Gesundheitsamt preisgegeben werden.
Digital: Aus Sicht des Landesdatenschützers spricht generell aktuell nichts gegen die Nutzung von Luca-App und Co oder der Corona-Warn-App. In einem 13-seitigen Positionspapier haben die Datenschutzbeauftragten der ganzen Republik Mindestanforderungen an solche Apps formuliert, die im Grundsatz von allen Anbietern erfüllt würden.
Sicherheitslücken können bei falscher Handhabung aus Sicht von Cohaus sowohl bei analoger als auch bei digitaler Datenerfassung auftreten. Die im Mai beschriebenen Sicherheitsprobleme der Luca-App, die im Ernstfall Angriffe Dritter auf Daten von Gesundheitsämtern erlaubt hätten, seien inzwischen behoben, neue könnten aber jederzeit erneut auftreten. Eines Restrisikos müssten sich Anbieter wie Nutzer solcher Apps bewusst sein. Permanente Updates zum Schluss von Sicherheitslücken seien unumgänglich. Ob Luca oder andere Apps – Cohaus urteilt: „Im Moment gehe ich davon aus, dass nichts gegen deren Nutzung spricht. Das kann aber schon morgen anders sein.“