Zoo will züchten Magdeburger Affen lassen die Pille weg
Die Schimpansen im Zoo Magdeburg gehen auf Schmusekurs. Sie verhüten nicht mehr. Ob Sambala schon schwanger ist? Und wenn ja, von wem?
Magdeburg l Bangolo und Sambala sind schon gut dabei. Sie paaren sich. Immer wieder. Und vor aller Augen. Ein hoffnungsvolles Zeichen für Zoochef Kai Perret. Der wünscht sich nämlich, dass im Schimpansenhaus im Zoo Magdeburg bald Nachwuchs kommt. Das gab es schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Doch von vorn.
Die Affen im Zoo Magdeburg lassen jetzt die „Pille“ weg. Letztmals bekamen die Weibchen vor mehr als zwei Jahren ein Hormonimplantat unter die Haut gesetzt. Die Langzeitwirkung lässt endlich nach. Ein neues Implantat ist nicht vorgesehen. Schließlich darf der Zoo Magdeburg jetzt Schimpansen züchten. Nur Nana – mit 33 Jahren die älteste Bewohnerin im Affenhaus, aber dennoch im besten Alter – verhütet noch. Dazu später mehr.
Passende Herren stehen für die drei Damen Mumin, Minga und Sambala inzwischen auch zur Wahl – die Halbbrüder Kofi und Bangolo. Der eine ein bisschen tranig, aber nicht uninteressant, der andere aktiver und forscher den Weibchen gegenüber. Auf jeden Fall beide mit gerade einmal fast 14 (Kofi) und knapp zehn Jahren noch sehr jung und Hoffnungsträger.
Mit den anderen Schimpansen-Herren der Schöpfung lohnt keine Familienplanung. Ubangi, Kananga, Sokoto und Mufasa wurden kastriert. Sie können die Weibchen nicht befruchten, da unterschiedliche Verwandtschaftsverhältnisse zu ihnen bestehen.
Dass sich nun ausgerechnet Bangolo und Sambala paaren, gleicht einer dramaturgischen Wendung einer Seifenoper.
Zur Erinnerung: Am 23. Januar 2018 kamen Kofi und Bangolo aus dem Zoo Leipzig nach Magdeburg. Nach dem Einzug hatte Sambala den zehn Jahre jüngeren Bangolo erst mal ordentlich vermöbelt. Damals hatte sie das Kommando im Affenhaus. Doch dann kam da dieser Neue. Das konnte nur schiefgehen.
Bangolo bekam ein blaues Auge verpasst. Und die Eingewöhnung und Zusammenführung dauert letztendlich fast ein Jahr. Mittlerweile ist Schluss mit Krawall und Remmidemmi. Jetzt herrscht Harmonie im Affenhaus.
„Ich vermute, dass dies an den Hormonen liegt“, so Perret. „Mit dem Implantat ticken die Weibchen einfach anders.“ Nun also bietet sich Sambala Bangolo regelrecht an. Ein Zeichen, dass der Zyklus bei ihr wieder angesprungen ist. Zum Glück. Das hätte auch anders kommen können. „Es gibt Fälle, in denen nach Hormonimplantaten der Zyklus nicht mehr funktioniert“, berichtet Perret.
Geht alles gut, könnte frühestens in sieben Monaten ein Schimpansenbaby im Haus geboren werden. So lange dauert die Tragzeit.
Ob Sambala schon schwanger ist? Niemand weiß es. Erst wenn ihr Zyklus länger ausbleibt, werden die Tierpfleger einen Test machen, ganz klassisch mit einer Urinprobe.
Besucher würden von einer Schwangerschaft nicht viel mitbekommen. „Schimpansen verstecken das sehr gut. Ein Bäuchlein ist vielleicht erst im letzten Drittel der Zeit zu erkennen“, so Perret. „Sie werden auch nicht schlapper.“ Da geht es ihnen sehr viel besser als vielen Frauen. Allerdings, die Übelkeit ist wohl beiden gemein. „Wenn man tragende Schimpansen länger beobachtet, sieht man, dass ihnen in den ersten Wochen auch durchaus übel sein kann und sie das Futter wieder ausspucken und sich übergeben müssen, ganz wie bei den Menschen.“
Doch ob Bangolo auch wirklich Vater des potenziellen Nachwuchses sein wird, ist nicht gewiss. Auch hier gleicht das Leben der Affen eher einer Seifenoper. „Die Weibchen paaren sich mit vielen Männchen. Gern auch wild durcheinander. Schließlich möchten sie, dass möglichst viele von ihnen ihren Nachwuchs verteidigen“, erklärt Perret. „Sie geben den Männchen einfach das Gefühl, jeder von ihnen könnte der Vater sein.“
Wer es tatsächlich wird, entscheiden die Weibchen. Natürlich. „Sie ziehen die Strippen und führen die Männer regelrecht hinters Licht“, so Perret. „Beim Eisprung gehen sie dann kurz mit ihrem Lieblingsmännchen ums Eck.“ Parallelen zu uns Menschen? Vielleicht.
Doch anders als beim Menschen weiß ein Schimpanse nie zuverlässig, ob er der Vater des Babys ist oder nicht. Und wird es auch nie erfahren. Weder beweisen rote Haare noch eine verdächtig dem Vater ähnelnde Nase die Verwandtschaft. Also kümmern sich alle Männchen um den Nachwuchs. Ganz so, wie es die Weibchen wünschen.
So weit die Theorie. Im schlimmsten Fall aber kümmert sich keines der Tiere um das Baby, schon gar nicht die Mutter. Dann wäre eine Handaufzucht unvermeidlich. „Das wäre Hardcore, aber ich und meine Frau würden das sofort selbst tun“, verspricht Perret.
Drei bis fünf Jahre hätten sie dann ein „Kleinkind“ bei sich, täglich, zu jeder Zeit. Denn Affenkinder brauchen den starken Zusammenhalt zur Mutter, in diesem Fall zum Ziehvater. „Eine Abgabe und Fremdbetreuung in einer Art Zookindergarten wäre jedenfalls nicht möglich“, meint Perret ob der sehr schmuse-intensiven Zeit, geprägt durch viel Körperkontakt zwischen Affenkind und Eltern.
Auch bestehe bei einer Handaufzucht immer die Gefahr, dass das Tier den Kontakt zur Gruppe nicht mehr findet und für immer ein Außenseiter bleibt – ein bisschen so, wie es Nana ist.
Damit die Gefahr einer Handaufzucht möglichst gering bleibt, muss Nana weiter verhüten. Sie hat als einziger Schimpanse ohne Verwandte im Zoo Magdeburg noch nie Nachwuchs miterlebt. „Sie weiß einfach noch nicht, wie das funktioniert“, so Perret. Und das könnte zu einem Problem werden. Deshalb soll sie zunächst von anderen Müttern lernen und ihnen erst einmal zusehen.
Zeit für eigene Kinder hat Nana trotzdem noch allemal. „Theoretisch können Schimpansen bis ins hohe Alter schwanger werden, auch mit 50“, so Perret.
Übrigens: Wer Chef im Affenhaus wird, ist noch immer nicht geklärt. Beide Männchen – Kofi und Bangolo – kommen für den Posten infrage. „Beide sind noch relativ jung. Erst mit etwa 16 Jahren wird bei ihnen das Gefühl reifen, dass sie eine Gruppe übernehmen können, im Zoo manchmal schon etwas eher“, erklärt Perret. Eile ist nicht geboten. Zumindest nicht, solange die Harmonie hält.
Weitere Artikel, Fotos und Videos zum Zoo Magdeburg finden Sie hier.