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Magdeburger des Jahres 2023: Jeanette Böhm Mit Video: Im Dienste demenzkranker Menschen 

Die Volksstimme sucht mit ihren Lesern die Magdeburger des Jahres 2023. Zur Wahl steht auch Jeannette Böhm für die Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt in Magdeburg. Hier geht es zu Porträt und Abstimmung.

Von Jana Heute Aktualisiert: 25.11.2023, 10:55
Jeannette Böhm, Kandidatin für den Magdeburger des Jahres 2023, im Garten des alten Pfarrhauses in Diesdorf, dem Domizil der Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt.
Jeannette Böhm, Kandidatin für den Magdeburger des Jahres 2023, im Garten des alten Pfarrhauses in Diesdorf, dem Domizil der Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt. Foto: Viktoria Kühne

Magdeburg. - Das Herbstlaub liegt wie ein bunter Teppich im Garten des alten Pfarrhauses in Magdeburg-Diesdorf. Ein paar Vögel zwitschern in den Bäumen. Erdbeerpflanzen kuscheln sich im Hochbeet aneinander. Die drei Bienenvölker haben sich in ihren Häusern an der Mauer versteckt. Es ist ein malerisches Idyll, das viel Ruhe ausstrahlt.

„Im Sommer schwirrt und summt es nur so. Dann ist hier immer was los. Wir lieben unseren Garten“, sagt Jeannette Böhm und man glaubt es ihr sofort. Der Garten gehört zum früheren Pfarrhaus. Es ist das Domizil der Beratungs- und Betreuungsstätte der Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt.

 
Jeannette Böhm von der Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. in Magdeburg. (Video: Jana Heute)

Jeannette Böhm hält ein kleines Büchlein in den Händen, das eine solche Geschichte aus dem Garten erzählt. Eine vom neuen Theaterprojekt des Demenznetzes, das hier im Sommer für so viel Freude und Heiterkeit bei den Demenzkranken gesorgt hat.

Mit kleinen Utensilien, einem Stoffhasen, einem alten Telefon mit Wählscheibe oder einer Sonnenbrille, wurden die an Alzheimer Erkrankten ermutigt, kleine Szenen zu spielen. So ging es mal eben mit der Sonnenbrille an den Strand oder mit Schürze und Schubkarre ans Gärtnern. Ein Telefonat mit Kapitän Florian vom Traumschiff? Kein Problem. „Wir haben gestaunt, mit wie viel Fantasie und Spaß alle mitgemacht haben“, erinnert sich Jeannette Böhm, die das Theaterprojekt gemeinsam mit Hanna Lena Hohmann organisiert hat.

Das Sommertheater erlebte 2023 seine Premiere am alten Pfarrhaus der Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt in Magdeburg-Diesdorf. Es machte allen Beteiligten viel Freude und soll im neuen Jahr weitergeführt werden.
Das Sommertheater erlebte 2023 seine Premiere am alten Pfarrhaus der Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt in Magdeburg-Diesdorf. Es machte allen Beteiligten viel Freude und soll im neuen Jahr weitergeführt werden.
Foto: Lena Bellon

Hilfe für Betroffene und Angehörige

Beide engagieren sich ehrenamtlich im Demenznetz Magdeburg, in dem sich Einrichtungen und Fachkräfte zusammengetan haben. „Hier wollen wir gemeinsam etwas für Demenzkranke und deren Angehörige voranbringen, anstatt uns als Konkurrenten zu sehen“, begründet Jeannette Böhm ihr Engagement im Netzwerk. So haben die ehrenamtlichen Mitstreiter bereits einen Demenzwegweiser herausgebracht und organisieren jedes Jahr zum Weltalzheimertag eine besondere Veranstaltung in Magdeburg, die das Thema in den öffentlichen Fokus rückt. „Das ist wichtig“, sagt Jeannette Böhm.

Und da gibt es nun eben auch das Theaterprojekt, für dessen Premiere im Sommer der Garten des alten Pfarrhauses eine wunderbare Kulisse bot. Als Jeannette Böhm darüber spricht und die Bilder aus dem Büchlein zeigt, strahlt sie übers ganze Gesicht. Ihr Lächeln ist ansteckend. Es zeugt von den Glücksmomenten, die diese oft leidvolle Krankheit eben auch bereit hält. Für die Betroffenen ebenso wie für die Betreuer.

Eigentlich war Jeannette Böhm beruflich ganz anders gestartet, kam mit einem BWL-Studium eher aus der „trockenen Ecke“und fing zunächst bei der Alzheimer Gesellschaft in der Verwaltung an. Persönliche Erfahrungen hatte sie zuvor schon machen müssen mit der heimtückischen Krankheit Demenz, die den Menschen Stück für Stück das Gedächtnis und damit ihre Persönlichkeit raubt. Allein in Sachsen-Anhalt leben rund 54.500 Demenzkranke über 65 Jahre.

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Arbeit lebt vom ehrenamtlichen Engagement

Nach jahrelanger Pflege ihrer dementen Oma hatte Jeannette Böhm schon feine Antennen für das Thema bekommen. Im täglichen Umgang mit den Tagesgästen der Betreuungsstätte schloss sie die Betroffenen immer mehr in ihr Herz. „Da kam eindeutig mein Helfersyndrom durch“, bekennt die 45-Jährige, die in Quedlinburg geboren ist, Schule und Studium in Magdeburg absolvierte. Seit 2017 ist die Barleberin Leiterin der Beratungs- und Betreuungsstätte der Alzheimer Gesellschaft in Diesdorf.

Das Bienenprojekt der Alzheimer Gesellschaft  Sachsen-Anhalt im Garten des alten Pfarrhauses in Magdeburg-Diesdorf führt Kinder und an Demenz Erkrankte zusammen. Gemeinsam basteln sie zum Beispiel Bienenwachskerzen. Die Kinder gehen ganz unbefangen mit den Betroffenen um und die wiederum freuen sich immer sehr, wenn die Kinder der benachbarten Kita da sind.
Das Bienenprojekt der Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt im Garten des alten Pfarrhauses in Magdeburg-Diesdorf führt Kinder und an Demenz Erkrankte zusammen. Gemeinsam basteln sie zum Beispiel Bienenwachskerzen. Die Kinder gehen ganz unbefangen mit den Betroffenen um und die wiederum freuen sich immer sehr, wenn die Kinder der benachbarten Kita da sind.
Foto: Lena Bellon

Auch hier lebt die Arbeit – wie beim Demenznetz – von ehrenamtlichem Engagement. Bis zu 20 Helfer unterstützen den Verein bei der Betreuung der Tagesgäste, gehen mit ihnen spazieren, spielen mit ihnen Karten oder helfen im Garten. Mittwochs lädt die 80-jährige Eva Fricke ins Strickstübchen im Pfarrhaus ein. „Ohne diese wertvolle Hilfe könnten wir das alles längst nicht stemmen“, ist Jeannette Böhm dankbar. Denn sie und ihre Stellvertreterin Diana Bamme-Kraushaar widmen sich parallel der Beratung von Angehörigen, geben ihnen wertvolle Tipps. Sie ermöglichen den Austausch der Angehörigen untereinander – etwa bei den monatlichen Treffen und jährlichen Kurzurlauben in Arendsee. Die Ehrenamtler halten ihnen bei vielen Dingen ganz einfach den Rücken frei.

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So ist es auch möglich, wieder ein Weihnachtskonzert zu organisieren. Am 8. Dezember 2023 ab 15 Uhr wird dazu in die Diesdorfer Kirche eingeladen. „Es ist ein Konzert für jedermann. Der Gospelchor tritt auf und danach gibt es ein gemütliches Beisammensein mit Kaffee und Glühwein in unserem Garten“, erzählt Jeannette Böhm. Die an Demenz Erkrankten teilhaben zu lassen am kulturellen und gesellschaftlichen Leben, sei auch ein wichtiges Anliegen, betont sie.

An der Mauer im schönen Garten des alten Pfarrhauses haben drei Bienenvölker ihr Zuhause.
An der Mauer im schönen Garten des alten Pfarrhauses haben drei Bienenvölker ihr Zuhause.
Foto: Lena Bellon

So ist es kaum verwunderlich, dass sich regelmäßig das kleine Tor in der Mauer zur benachbarten Kita Martin-Stift öffnet und quirlige kleine Geister aufs Gelände strömen. Aus gelegentlichen Auftritten sind regelmäßige Besuche und Projekte wie gemeinsames Imkern und Gärtnern geworden. Ganz unbefangen gehen die Kinder mit den Tagesgästen um. Die wiederum leben auf, wenn die Mädchen und Jungen da sind.

Und eines ist schon heute gewiss: Nächsten Sommer geht es wieder gemeinsam ans Erdbeerenpflücken und Basteln von Bienenwachskerzen im schönen Pfarrhaus-Garten.

Die Kandidatin im Kurzporträt

Alter/Familienstand/Kinder: 45 Jahre, ledig, keine Kinder Beruf/Tätigkeit: Dipl. Kauffrau, Leiterin der Beratungs- und Betreuungsstätte vom Verein Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt Das mag ich an Magdeburg: An der Elbe zu spazieren ist schön.Hier kann Magdeburg noch besser werden: Der Radwegeausbau sollte intensiviert werden – die Sanierung einiger Radwege voranschreiten.Magdeburg ist in zehn Jahren: eine Stadt, die sich ständig weiterentwickelt und Senioren und Seniorinnen Unterstützung bietet, ihren Lebensabend in Würde und selbstbestimmt zu meistern; eine Stadt mit engagierten Menschen, in der Menschen mit einer Demenz ihren Platz haben, akzeptiert werden und am sozialen und kulturellen Leben teilhaben können.Das sagt Diana Bamme-Kraushaar, Heilpädagogin bei der Alzheimer Gesellschaft, über die Kandidatin: Jeannette Böhm engagiert sich mit sehr viel Zeit und vor allem auch Herz für die Alzheimer Gesellschaft Sachsen-Anhalt. Mit ihrer positiven Art vermittelt sie ein familiäres Gefühl und gewinnt schnell das Vertrauen der Menschen. Und so führt sie auch den Verein.